Nu-nu-nu-nun ist jeder Sänger dran

TRIER. Messen und geistliche Lieder singen und sonntags morgens im Gottesdienst auftreten? Für viele zeitgeistkonforme Jugendliche besitzt die Idee wohl die Anziehungskraft eines verstaubten Gesangbuchs. Die Mitglieder der Trierer Jugendkantorei haben an ihrem scheinbar altmodischen Hobby Spaß – und nicht nur den.

Donnerstag, 17.25 Uhr, erster Stock. In den Fluren der Domsingschule, gleich neben dem Dom, herrscht alles andere als andächtige Stille. Lachende und pfeifende Kinder laufen durcheinander, viele mit einer schwarzen Notenmappe in der Hand. So manche Mappe findet als Schlaginstrument Verwendung, bis Domkantor Harald Schmitt die Rasselbande in den Probensaal bittet.Von der Wand blicken Haydn, Mozart, Bach

"Christian, zum hundertsten Mal, sei still!" Nur mühsam kann sich Schmitt Gehör verschaffen in den im Halbrund ansteigenden Sitzreihen, die das Flair eines Medizin-Hörsaals verströmen. Von der Wand blicken Haydn, Mozart, Beethoven und Bach. Es riecht nach Strenge und Disziplin. Anwesenheitskontrolle. "Es ist zu laut hier", wiederholt Schmitt, ehe die ersten Klaviertakte erklingen. "Su-su-su-su-su." Selbstständig stimmen die Kinder ein, Ausgelassenheit und Albereien scheinen verflogen. Etwa 40 Augenpaare blicken konzentriert auf den Mann, der unten am Klavier die Töne vorgibt. "Nu-nu-nu-nu-nu." Nun ist jeder Sänger einzeln an der Reihe, Schmitt lobt, verbessert, ermuntert, singt Namen, macht hier und da einen Witz. Dann wieder alle im Chor: "Die Po-, die Po-, die Po-li-zei." Immer wieder, immer lauter. Die Blechlampen an der Decke beginnen leise zu scheppern, die Stimmen scheinen sich buchstäblich anzustacheln. Schmitt bremst die Lautstärke seiner Eleven etwas: "Ihr müsst schön hell singen, strahlen." Dann kommen die schwarzen Mappen zu ihrem Recht, die Vorbereitung des nächsten Auftritts in der sonntäglichen Messe steht an. "Kyrie" schallt es durch das halb offene Fenster auf den Domfreihof. Seit etwa zweieinhalb Jahren besteht die Jugendkantorei und ist damit wohl Triers jüngster Kinderchor. Etwa 90 Kinder ab dem Vorschulalter verteilen sich auf die musikalische Früherziehung, zwei Vorchöre und die Jugendkantorei. "Wir haben keine Nachwuchs-Probleme", sagt Schmitt. Und das, obwohl die Jugendkantorei regelmäßig liturgische Dienste im Dom übernimmt. Oder vielleicht gerade deswegen. Er versuche, die Kinder an anspruchsvolle Musik heranzuführen, sagt Schmitt. "Unterfordern finde ich schlimm." Neben der Gesangsausbildung sehe er noch eine zweite Aufgabe, die der Domkantor eine "pastorale" nennt: "dass wir als Chorgemeinschaft zusammen wachsen". Dazu dienten nicht nur regelmäßige Chorfahrten, das tägliche Morgengebet inklusive, sondern auch das Gespräch über die Inhalte der geistlichen Lieder, die die Kinder singen. "Der Glaube prägt uns schon", sagt Schmitt, um im nächsten Atemzug einzuschränken: "Aber wir sind kein ,Stimmvieh‘ für den Bischof." So gehörten auch Pop-Musicals durchaus zum Repertoire des Chores. "Wir sind keineswegs verstaubt", sagt Schmitt."Nur modern wäre langweilig"

Das sieht auch die 16-jährige Laura aus Wasserliesch so: "Wir machen auch moderne Sachen und nicht nur Kirchliches", sagt sie und fügt schnell hinzu: "Nur modern wäre langweilig." Viel mehr Spaß habe sie hier als im Schulchor, sagt sie. "Ja, genau" pflichtet ihr Johannes bei. Ob die Messen und geistlichen Gesänge nicht langweilig seien? "Nein", widerspricht er energisch. "Bei uns ist das spannender. Die anderen Chöre singen meistens nur einen Stil." Er habe einmal in einem Kinderchor gesungen, erzählt der Zehnjährige aus Trier: "Das war nur so ein Gekreische." "Hier ist das richtiges Singen", findet auch die zehn Jahre alte Christine aus Nittel. Ganz so sieht es Domkantor Schmitt an diesem Nachmittag allerdings nicht: "Das ist nicht wirklich schlecht, was Ihr bietet, aber irgendwie müde, sagt er und schickt sein erzieherisches Credo hinterher: "Es kann nur Spaß machen, wenn wir vorwärts kommen." Von neuem gibt das Klavier ein paar Takte vor, die Kinder stimmen ein, und ein "Halleluja" lässt die Deckenlampen klappern. Die jungen Sänger sind wieder konzentriert und mit Elan bei der Sache. Am Sonntag ist Messe im Dom. An dieser Stelle stellen wir die wichtigsten Nachwuchschöre von Trier vor. Letzter Teil: Der Kinderchor der Evangelischen Kirchengemeinde.

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