Phrasen und Floskeln auf dem Prüfstand

Sprachhistorikerin Natalia Filatkina und ihr Team untersuchen die Tradition des Formulierens

 Sprachgebrauch unter der Lupe: Sprachwissenschaftlerin Natalia Filatkina (Dritte von links) und ihre Mitarbeiter Johannes Gottwald, Carolin Rößger, Kai Kugler, Patrick Mai und Monika Hanauska (von links) erklären die Traditionen des Formulierens. TV-Foto: Cordula Fischer

Sprachgebrauch unter der Lupe: Sprachwissenschaftlerin Natalia Filatkina (Dritte von links) und ihre Mitarbeiter Johannes Gottwald, Carolin Rößger, Kai Kugler, Patrick Mai und Monika Hanauska (von links) erklären die Traditionen des Formulierens. TV-Foto: Cordula Fischer

Historische formelhafte Sprache und die Tradition des Formulierens sind das Forschungsgebiet von Natalia Filatkina (32). Mit ihren Mitarbeitern an der Universität Trier untersucht sie Phraseologismen und ihre Verwendung in Texten vom achten Jahrhundert bis ins Jahr 1700. Als Teil der Aktion "Geistesblitze" präsentierte sie einen Auszug ihrer Arbeit im Herbst außerhalb der universitären Umgebung in der Stadt und nun in einer Serie im Wochenendjournal des Trierischen Volksfreunds.Geflügelte Worte, Sprichwörter, Redensarten — es gibt kaum jemand, der sie nicht schon einmal verwendet hätte. Was dahinter steckt, welche geschichtlichen Wurzeln sie haben, dazu gibt es ein Forschungsprojekt an der Universität Trier, das nun auch den TV-Lesern erhellende Geistesblitze in Sachen Sprachgebrauch bietet. "Sprache lebt in der Variation", sagt die Trierer Sprachwissenschaftlerin Natalia Filatkina. Und in der Gegenwart. Die Entstehung sogenannter "fester Wendungen" sowie ihre Verwendung im Laufe der Jahrhunderte bis in die heutige Zeit sei ein noch völlig unerforschtes Gebiet. Entstanden im klösterlichen und kirchlichen Umfeld, der Rechtssprache des Mittelalters oder als Gegenstand städtischen Alltags haben diese formelhaften Sprach-Sequenzen überlebt und in neuen Sinn-Zusammenhängen die Epochen überdauert. Beispiele dafür sind Formulierungen wie etwa "jemandem aufs Dach steigen" oder "jemanden an den Pranger stellen".

Während der Arbeit an ihrer Dissertation zur Phraseologie in der luxemburgischen Sprache (2003) bei Professorin Claudine Moulin machte Filatkina die Erfahrung, dass es so gut wie keine historische Aufarbeitung dieses Themas gibt. Im Oktober 2006 wurde sie mit ihrem Projekt "Historische formelhafte Sprache und Traditionen des Formulierens" als einzige Geisteswissenschaftlerin mit dem Sofja-Kovalevskaja-Preis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ausgezeichnet.

Vier Jahre haben Filatkina und ihre sechs Mitarbeiter Zeit, um zu analysieren und zu dokumentieren. Das Thema ist eines von 60 Teilprojekten, die zum Forschungsthema "Räume des Wissens" am Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum Mainz-Trier (HKFZ), der gemeinsamen Forschungseinrichtung der beiden rheinland-pfälzischen Universitäten, arbeiten und anhand historischer Wurzeln den heutigen Sprachgebrauch zu erklären versuchen.

Am 1. Juli 2007 haben Filatkina & Co. ihre Arbeit aufgenommen. Bereits im Herbst gab es eine erste öffentliche Präsentation. Im Rahmen der Aktion "Geistesblitze", einer Initiative der geisteswissenschaftlichen Forschungsverbünde an der Uni Trier, erläuterte Filatkina die Wendung "ins Gras beißen".

"Das ist eine tolle Möglichkeit, nicht nur ein Fachpublikum zu erreichen. Denn auch für Nicht-Linguisten dürften unsere Ergebnisse von Interesse sein." Ziel der auf vier Jahre angelegten Arbeit wird es sein, die Ergebnisse in einem Buch zu veröffentlichen und eine Online-Datenbank zu erstellen. Einen Vorgeschmack darauf gibt es ab heute jede Woche in unserem Wochenend-Journal.

In der neuen Wochenend-Journal-Kategorie "TV-Geisetsblitze" erklären Wissenschaftler der Region spannende Hintergründe zu Besonderheiten der deutschen Sprache. Sprichwörter und Redewendungen stehen am Anfang der Serie. Und Sie können sie mitgestalten! Haben Sie eine Redewendung oder ein Sprichwort, bei dem Sie der Hintergrund brennend interessiert? Dann senden Sie Ihre Frage per E-Mail an geistesblitze@volksfreund.de oder eine Postkarte an Trierischer Volksfreund, "Geistesblitze", Hanns-Martin-Schleyer-Str. 8, 54294 Trier. Der TV wählt aus allen Einsendungen zehn Redewendungen/Sprichwörter aus, die dann innerhalb der Serie beantwortet werden. Bitte beachten Sie, dass wir nur Anfragen bearbeiten können, die vollständige Angaben zu Name und Ort des Absenders beinhalten.

Cordula Fischer

Extra

Die Initiative "Geistesblitze" ist ein Zusammenschluss der geisteswissenschaftlichen Forschungsverbünde an der Universität Trier: der Sonderforschungsbereich 600 "Fremdheit und Armut", der Exzellenzcluster "Gesellschaftliche Abhängigkeiten und soziale Netzwerke", das Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften, das Historisch-Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum Mainz-Trier (Standort Trier) sowie das Graduiertenkolleg "Sklaverei — Knechtschaft und Frondienst — Zwangsarbeit". Die Initiative wurde 2007, im "Jahr der Geisteswissenschaften", gegründet, um der Öffentlichkeit in allgemeinverständlicher und unterhaltender Art Einblicke in die laufende Forschung zu ermöglichen. (red)

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