Pionierder Technik

Josef Lemling brachte die Fotografie in die Eifel

Zum alten Bestand des Kreismuseums in Bitburg gehört eine kolorierte Lithografie mit zwei Panoramaansichten der Stadt Bitburg. Lange Zeit als "Zeichnung" unbekannter Herkunft und Entstehungszeit angesehen, weckte sie vor einigen Jahren die Aufmerksamkeit von Museumsleiter Burkhard Kaufmann: "In der Signatur steht: Daguerotyp-Aufnahme, was die Ansichten in die Anfangsjahre der Fotografie verweisen würde." Auch der Zusatz "von J. Lemling" machte ihn neugierig. Er begann nachzuforschen und stieß nicht nur auf weiteres stilistisch vergleichbares Material, wie eine Ansicht von Prüm aus dem dortigen Museum, sondern auch auf die Geschichte des wohl ersten Fotografen der Eifel, Josef Lemling (1825 bis 1894). Den ersten Hinweis auf ihn verdankte Kaufmann einem Nachfahren, Alois Lemling, Sohn des Heimatdichters Bernhard Lemling aus Sülm."In allen Zweigen der Kunst herumprobiert"

Der erinnerte sich, dass vor fünfzig Jahren ein Professor nach dem Fotografen gefragt habe, dessen Vater es als Krämer von Sülm nach Marmagen verschlagen hatte. Es war Erich Stenger, ein Sammler von Zeugnissen zur Geschichte der Fotografie, der 1926 in einem Aufsatz über Josef Lemling schrieb: "Seine Erfahrungen reichen bis in die früheste Zeit der Fotografie zurück... Mit vielerlei eigenen Ideen probierte er in allen Zweigen der Lichtbildkunst jener Tage herum..." Davon jedoch ist kaum etwas erhalten. Burkhard Kaufmann berichtet von etwa zwanzig überwiegend reproduzierten Werken, die er im Laufe der Recherchen bisher gefunden habe. Dafür legt Schriftliches, mit dem sich der Pionierfotograf in neun Büchern und Artikeln in Zeitschriften des 19. Jahrhunderts verewigt hat, beredtes Zeugnis ab. In "Das literarische Deutschland" schrieb er 1891: "Ich wurde am 17. Januar 1825 in Marmagen geboren und lebe noch jetzt daselbst. 1846 bis zur heutigen Stunde widmete ich meine rastlose Tätigkeit den photographischen Fortschritten und allem, was dazu dient." 1846, das war sieben Jahre, nachdem der Maler Louis Daguerre in Paris als erster ein praktikables fotografisches Verfahren präsentierte: die Daguerreotypie. Die revolutionäre Technik, bei der silberbeschichtete Kupferplatten kurz vor der Aufnahme mit Joddämpfen lichtempfindlich gemacht und dann mehrere Minuten belichtet wurden, verbreitete sich in Windeseile über Europa und Amerika, zunächst in Städten. Josef Lemling brachte diese Technik in die Eifel, wie die Bitburg-Ansichten aus dem Kreismuseum beweisen. Ihre Größe, lässt den Schluss zu, dass Lemling vier Aufnahmen mit dem damals üblichen Kameraformat 21,6 x 16,2 cm gemacht hat, von denen jeweils zwei zu einem Panorama zusammengefügt wurden. Weil es bei der Daguerreotypie keine Negative und damit keine Reproduktionsmöglichkeit gab, sei ihre Umsetzung in Druckgrafik gängige Praxis gewesen, sagt Burkhard Kaufmann. Dabei habe der Grafiker nach eigenem Geschmack Staffage im Stil der damaligen Landschaftsmalerei hinzugefügt, was den wenig fotografischen Charakter erzeugt habe. Dass die Bitburger wie auch die Prümer Ansichten vor 1860 entstanden sein müssen und damit zu den ältesten fotografischen Zeugnissen der Eifel gehörten, könne man schließen, weil sich die Fototechnik in der zweiten Hälfte der 1850er Jahre völlig verändert habe, sagt Kaufmann. Bekenntnis zum Fortschritt

Josef Lemling ging mit der Zeit und versuchte nach eigenem Bekunden, ihr voraus zu sein. 1857 veröffentlichte er eine Anzeige im "Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden": "Ich zeige hiermit ergebenst an, dass ich eine neue Methode erfunden habe, wodurch ich Photographien anfertige, welche sich durch Dauerhaftigkeit, Aehnlichkeit und Feinheit vor allen auszeichnen...". 1884 nannte sich der einzige, in das "Allgemeine Adress-Handbuch ausübender Photographen" des Großraums Eifel eingetragene Fotograf "Erfinder neuer optichemischer und mechanischer Gravier- und Druckverfahren". Lemling bekannte sich immer wieder zum Fortschritt, strebte durch Versuche, Beobachtungen und weltweite Korrespondenzen nach neuen Erkenntnissen. Und er war beseelt davon, sie weiterzugeben, "der Welt solide Leistungen zu bieten und richtige Ansichten über die Fotografie zu bereiten" (Lemling 1866). Nach Recherchen von Alois Lemling, brachte er im Zuge dessen aber auch allzu oft und scharf seinen Berufsstand in Misskredit. Zum Beispiel mit der Kollegen-Häme: "...sein Schild müsste den Zusatz erhalten: Hier kann man auf einem Nachtstuhle sitzen und gleichzeitig fotografiert werden!". Das Urteil von Zeitgenossen war nicht zuletzt deshalb verhalten. "Die fotografische Korrespondenz" formulierte: "...Lemling gehört gewiss zu den Praktikern von weit zurückreichender Erfahrung, und wir sind sicherlich weit entfernt davon, zu verkennen, dass in den Werken manche Perle ruht, doch die Emballage ist verschwenderisch." Außenseiter und Sonderling

Zu seinem Ruf als Außenseiter und Sonderling trug auch bei, dass er seine (Lehr-)Bücher oft in Reimform schrieb. Doch gerade darin äußert sich das Selbstverständnis eines höchst individuellen, ehrgeizigen, einem ehrlichen Berufsethos verschrieben Pioniers: "Viele wie ehemals auch noch heut / sich gegen Fortschritt stemmen, doch werden sie den Geist der Zeit / auf seiner Bahn nicht hemmen". Ein ausführlicher Beitrag über Josef Lemling ist im Heimatkalender Bitburg-Prüm 2007 erschienen. Burkhard Kaufmann hält am 26. Dezember um 15 Uhr im Kreismuseum Bitburg einen Vortrag über den ersten Eifelfotografen. Anke Emmerling

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