Polit-Popstar ist Londons Bürgermeister

London (dpa) · Als er vor vier Jahren bei der Schlussfeier in Peking die olympische Fahne entgegennahm, hatte Boris Johnson noch eine Hand in der Hosentasche. Die Chinesen regten sich damals auf über den arroganten Engländer.

 Als Bürgermeister polarisiert Boris Johnson. Foto: Kerim Okten

Als Bürgermeister polarisiert Boris Johnson. Foto: Kerim Okten

Der reagierte gelassen und warf den Chinesen auch noch an den Kopf, sie seien zwar „gut in Ping Pong“, aber das Spiel sei leider in England erfunden worden.

Der konservative Exzentriker mit der blonden Starkstromfrisur ist so schnell nicht aus der Bahn zu werfen. Wenn er vollmundig verkündet, London werde bei Olympia die „größte Show auf Erden“ aufführen und sei sowieso die „großartigste Stadt der Welt“, dann entwickelt er manchmal so eine Überzeugungskraft, dass viele ihm glauben.

Auf der Eliteschule in Eton war er einer der Großen beim Wall Game - einer genauso traditionsreichen wie raubeinigen Mischung aus Fußball und Rugby, die nur dort gespielt wird. Interessiert habe er sich ein bisschen für Cricket, sagte er jüngst der „Financial Times“.

Olympische Spiele habe er als Teenager zwar manchmal geguckt, aber sie hätten ihn nicht vom Hocker gerissen, gab er zu. Jetzt parliert Johnson gewohnt gewandt über das moralische Vermächtnis der Spiele, über Willenskraft und Selbstdisziplin der Sportler und ihr Vorbild für das Wirtschaftswachstum in seiner Stadt.

Wie Phönix aus der Asche kam der in New York geborene Alexander Boris de Pfeffel Johnson bei der Bürgermeisterwahl 2008 in das Spitzenamt der City Hall. Der gelernte Journalist schlug dabei keinen geringeren als das kommunalpolitische Schwergewicht Ken Livingston aus dem Feld. Im vergangenen Mai versuchte Livingstone noch einmal ein Comeback - wieder vergebens.

An dem Politiker-Sohn mit türkischen Wurzeln führt inzwischen in Londons Kommunalpolitik kein Weg mehr vorbei. Auch wenn er bei jeder Gelegenheit abwinkt, werden dem Mann mit der losen Zunge sogar Ambitionen auf das Amt des Premierministers nachgesagt.

„Bo-Jo“, wie die Londoner ihren Bürgermeister nennen, polarisiert. Gerne und ständig. „In den nächsten Wochen ist es völlig egal, was Boris sagt“, schreibt die „Financial Times“. „Die internationale Journaille wird sich auf jedes Zitat stürzen.“

Johnson, der Polit-Clown, spielt gerne damit. Er hat schon mitten im Satz ins Lateinische gewechselt oder ins Altgriechische - und er kann sich diebisch freuen, wenn sein Gegenüber das nicht einmal gleich merkt. Johnson ist ein brillanter Historiker und Sprüche-Lieferant - ihm wird aber auch Rücksichtslosigkeit und eine Ellenbogen-Mentalität nachgesagt, wenn es um den persönlichen Erfolg geht.

Johnson steht einer Stadt - oder besser einer Region - vor, die hinter ihrer glitzernden Fassade voller Probleme steckt. Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Kriminalität und Armut sind für einen Großteil der Acht-Millionen-Einwohner-Metropole an der Themse Alltagsthemen. Der marode öffentliche Nahverkehr mit der ältesten U-Bahn der Welt nervt auch diejenigen Londoner, die sonst keine Probleme haben.

Johnson reagiert darauf auf seine Art. Nach innen weiß er nur zu gut, dass die Milliardeninvestitionen für die Olympischen Spiele seiner Stadt aus der Patsche geholfen haben - allein in Busse und Bahnen flossen seit der erfolgreichen Bewerbung im Jahr 2005 rund sechs Milliarden Pfund. Nach außen tut er alles, um gar nicht erst mit Problemen konfrontiert zu werden.

Jeder Kalauer ist ihm lieber als ein fester politischer Standpunkt. Johnson gilt als streng konservativ, ein Freund der umstrittenen Londoner Banker und der Bildungseliten. Er kann aber auch schnell mal seine Meinung wechseln. „Wenn sich das Klima ändert, kann ich auch meine Meinung ändern“, sagte er einmal.

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