Luft fürs Leben – Atemwegserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen

Was genau sind Atemwegserkrankungen und woran merke ich, dass mein Kind Probleme mit der Atmung hat?

Erkrankungen der Atemwege betreffen die anatomischen Strukturen auf dem Weg der Luft von der Nase/ Nasennebenhöhlen über Rachen, Kehlkopf, Luftröhre, große und kleine Bronchien bis hin zu den Lungenbläschen; Ursache kann z.B. eine Entzündung, eine angeborene Fehlbildung oder eine funktionelle Störung mit Beteiligung der Atemwege sein. Zurzeit erleben wir eine Welle grippaler oder grippeähnlicher Infekte, die sich - neben Fieber, Halsweh, Gliederschmerzen, allgemeinem Krankheitsgefühl - regelmäßig auch in eitrigem Schnupfen, Husten, u.U. mit Auswurf, also mit Zeichen einer Atem-wegserkrankung äußern. Bei jüngeren Kindern können auch unspezifische Symptome wie z.B. Erbrechen und Bauchweh Ausdruck einer Atemwegserkrankung sein. In der Regel handelt es sich dabei um akute Virusinfekte, die symptomatisch behandelt werden (Medikamente oder andere Maßnahmen zur Linderung der Beschwerden) und nach mehr oder weniger plötzlichem Beginn meist auch nach zwei Wochen abgeheilt sind; im Gegensatz zu den selteneren bakteriellen Atemwegsinfekten ist eine antibiotische Behandlung hier zwecklos. Gehen die Beschwerden mit starker Verschlechterung des Allgemeinzustands, mit anhaltend hohem Fieber, Nahrungs- und Flüssigkeitsverweigerung, mit Atemnot bzw. Blaufärbung der Lippen einher, so kann eine Komplikation wie z.B. eine Lungenentzündung vorliegen. Die Art des Hustens oder von Atemnebengeräuschen kann Hinweise auf die zugrundeliegende Erkrankung geben; so ist der nächtliche Pseudo-Krupp-Anfall des Kleinkindes bei nebliger Witterung durch Heiserkeit, bellenden Husten und ziehende Atemnebengeräusche in der Einatemphase gekennzeichnet, wohingegen brummende oder pfeifend-giemende Atemnebengeräusche bei der Ausatmung in Kombination mit Atemnot Ausdruck eines Asthmaanfalls sein können. Je nachdem, wo ein Fremdkörper – z.B. eine Nuss (nicht an Kleinkinder geben!) – in den Atemwegen stecken geblieben ist, sind auch hier Luftnot und bestimmte Atemnebengeräusche zu beobachten.

Halten die Beschwerden – z.B. Husten - länger als 4 Wochen mit unverminderter Intensität an, so kann sich dahinter u.U. eine chronische Erkrankung verbergen; eine weitere medizinische Abklärung ist erforderlich. Zu bedenken ist, dass Kleinkinder durchschnittlich 7-8 Mal pro Jahr einen – meist harmlosen - Atemwegsinfekt durchmachen, meist mit Häufung im Winterhalbjahr. Folgende Symptome können dagegen Hinweise auf eine chronische Erkrankung mit Beteiligung der Atemwege geben: Anhaltendes Fieber, anhaltende Atemprobleme mit Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Wachstumsverzögerung, Untergewicht, wiederholt schwere bakterielle Infektionen.

Welche Rolle spielen Allergien für die Entwicklung von Atemwegserkrankungen und den Gesundheitszustand allgemein?
Die Häufigkeit allergischer Erkrankungen wie Nahrungsmittelunverträglichkeit, Heuschnupfen, allergisches Asthma und auch von Neurodermitis hat in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen und in den letzten Jahren ein Plateau auf hohem Niveau erreicht (Asthma: 5%, Allergien: 25%, Neurodermitis: 10% der Kinder und Jugendlichen zumindest zeitweise betroffen). Werden die Witterungsverhältnisse im Frühling „besser“, erleiden immer weniger Menschen Atemwegsinfekte, jedoch wird der Allergiepatient dann durch Pollenflug (zunächst von frühblühenden Bäumen wie Hasel, Erle, Birke) gequält: Auch wer „nur“ an Heuschnupfen mit Augenjucken, Lidschwellung, Fließ- oder Stockschnupfen, Niesattacken leidet, ist oft erheblich in seiner Befindlichkeit und seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt; wie Berechnungen von Wissenschaftlern gezeigt haben, ist der volkswirtschaftliche Schaden u.a. durch Arbeitsausfall (bei Erwachsenen) immens. Das Allergiespektrum des Individuums kann sich im Laufe des Lebens ändern; so verliert sich z.B. die Milcheiweißallergie des Säuglings im Verlauf der Kleinkindzeit regelhaft, während z.B. die Erdnussallergie oft lebenslang bestehen bleibt. Bei Vorliegen einer entsprechenden Allergie können asthmatische Beschwerden in Form von Atemnot, Atemnebengeräuschen, aber auch Reizhusten z.B. durch Pollenflug, Hausstaubbelmilbenbelastung oder Tierkontakte hervorgerufen werden.

Mukoviszidose oder Asthma sind chronische Atemwegserkrankungen. Wie können Kinder und Jugendliche am besten damit umgehen?
Mukoviszidose oder Cystische Fibrose (CF) ist mit ca. 1 Erkrankung auf 3.000 Neugeborene die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung. Die Bildung sehr zähen Schleims u.a. in den oberen und unteren Atemwegen und den Organen des Verdauungstrakts führt insbesondere in der Lunge zur Infektion mit Bakterien – die für den Gesunden harmlos sind -, zur chronisch-fortschreitenden Entzündung und langfristig zum Funktionsausfall. Schweregrad und Verlauf sind unterschiedlich. Während vor einigen Jahrzehnten nur wenige Kinder das Erwachsenenalter erreicht haben, werden heute durch die Fortschritte der Medizin fast alle Patienten erwachsen, sind berufstätig und können auch im Erwachsenenalter ein erfülltes Privatleben führen. – Das Bronchialasthma gehört zu den häufigsten erworbenen chronischen Erkrankungen überhaupt. Kennzeichnend ist die akute, anfallsweise auftretende Atemnot aufgrund einer chronischen Entzündung in den unteren Atemwegen, die aber – im Gegensatz zu fortgeschrittenen CF-Fällen - in der Regel umkehrbar ist. Die bronchiale Überempfindlichkeit kann durch folgende Auslöser zu einer akuten Asthmakrise führen: Kontakt mit Allergenen wie z.B. Pollen von Bäumen, Gräsern, Kräutern, Hausstaubmilben, Tierhaaren, aber auch unspezifische Reize wie Rauch, Nebel, plötzliche Kälte oder körperliche Anstrengung. Die allermeisten Asthmaformen des Kindes- und Jugendalters sind u.a. mit einer entzündungshemmenden Inhalationstherapie sehr gut zu kontrollieren, schwere Verläufe sind daher in diesem Alter nur noch selten. Dennoch ist das Erlebnis von Atemnot eine sehr eingreifende Erfahrung für die Kinder und Jugendlichen; das kann auch jeder Gesunde nachempfinden, der einmal im Schwimmbad unfreiwillig Wasser in die Atemwege eingeatmet hat – Im Gegensatz zur üblichen Asthma-Behandlung ist die Behandlung der Mukoviszidose sehr aufwändig und erfordert – richtig durchgeführt – täglich einige Stunden Zeit (Zubereitung spezieller hochkalorischer Speisen, Inhalationstherapie mit Nachbereitung der Geräte, Physiotherapie, Einnahme von Medikamenten usw.), hinzu kommen regelmäßige Besuche in Behandlungseinrichtungen und häufig auch stationäre Behandlungsphasen. Wie immer im Leben, wenn man etwas Unangenehmes nicht ändern kann, gelingt die Bewältigung am besten, wenn die Eltern sich mit ihren betroffenen Kindern dem Problem stellen und das Beste daraus machen: Nach sorgfältiger Schulung und bei konsequenter Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen sowie Unterstützung durch das Therapeutenteam aber ganz besonders auch das soziale Umfeld kann in aller Regel auch bei der CF über lange Zeit meist eine stabile gesundheitliche Situation erreicht werden; wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass die subjektiv empfundene Lebensqualität medizinisch gut eingestellter Patienten mit einer chronischen Erkrankung wie der Mukoviszidose, erst recht dem Asthma bronchiale genauso gut ist wie die von Gesunden. Gesunde Menschen - ob Kind oder Erwachsener - sollten sich über das jeweilige Krankheitsbild der Mitmenschen informieren und Verständnis haben, wenn z.B. ein Kind mit Asthma besondere Vergünstigungen im Sportunterricht erhält oder wenn ein Kind mit Mukoviszidose einmal den Unterricht durch vermehrtes Husten stört bzw. beim Essen die einzunehmenden Medikamente (Enzympräparate zur Gewährleistung der Verdauung) auspackt bzw. die Schulpause mit Inhalieren in einem besonderen Raum verbringt. Die Behandler versuchen durch Information und Schulung z.B. von Lehrkräften und Mitschülern zu helfen, dass es Kindern und Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung leichter fällt, sich in der Öffentlichkeit zu offenbaren und so – wenn nötig – auch im außerhäuslichen Bereich die Behandlung konsequent fortzuführen.

Ist die Luft in der Stadt Trier generell schlechter als auf dem Land? Was empfehlen Sie Stadt-Familien?
Die Kessellage am Fluss begünstigt Nebelbildung, die bei Patienten mit Atemwegserkrankungen zu Beschwerden führen kann. Zur Umweltbelastung tragen u.a. Schwefeldioxid, Feinstaub und Ozon bei. In Trier gibt es vergleichsweise wenig abgasproduzierende Industrie, die Messwerte liegen im Jahresmittel unter den zugelassenen Grenzwerten. Phasenweise ist die Belastung durch Schwebstoffte aus benachbarten Industrieregionen jedoch relativ hoch, an stark befahrenen Straßen (Autoabgase) finden sich zeitweise relativ hohe Schwefeldioxidwerte (s. www.umweltbundesamt.de oder http://www.trier.de/Umwelt-Verkehr/Luft-Laerm/Luftreinhaltung/Messwerte-2013/ ). Im Gegensatz zu Ballungsräumen ist Trier von ländlichem Raum in Eifel und Hunsrück umgeben. Die Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation sind jedoch nicht einfach zu beurteilen: So gab es zu DDR-Zeiten in der Industrieregion Bitterfeld – bekannt für große Umweltverschmutzung – zwar mehr Atemwegsinfekte als in München, jedoch wesentlich weniger allergische Erkrankungen. Nach der Wende und Beseitigung der Umweltverschmutzung hat sich die Allergierate in Bitterfeld dem hohen westlichen Niveau – z.B. in München – angeglichen. Für ansonsten gesunde Menschen sollte das Leben in einer Großstadt wie Trier grundsätz-lich unproblematisch sein, bei chronisch Kranken muss der Einzelfall abgewogen werden; Patienten mit einem schweren Asthma sollten möglichst nicht unbedingt an einer stark be-fahrenen Autostraße wohnen.

Was bietet das Klinikum Mutterhaus an Behandlungen an?
Im Vordergrund steht natürlich die stationäre Behandlung von Patienten mit akuten oder chronischen Atemwegserkrankungen im Bedarfsfall. Zur Abklärung von Atemwegserkran-kungen stehen besondere diagnostische Möglichkeiten zur Verfügung, wie z.B. die Lungenfunktionsprüfung/ Bodyplethysmographie inklusive NO-Messung (ggf. hinweisend auf allergisch bedingte Entzündung der Atemwege oder eine Atemwegserkrankung mit unbeweglichen Flimmerhärchen), die Bronchoskopie (Spiegelung der Atemwege) auch für die kleinen Patienten, bei Verdacht auf eine zusätzliche allergische Ursache neben der Basisdiagnostik auch besondere Verfahren wie z.B. die Nahrungsmittelprovokation. – Neben der stationären Behandlung werden Kinder und Jugendliche mit Mukoviszidose, schweren Atemwegserkrankungen wie einer chronischen Lungenerkrankung nach extremer Frühgeburt, angeborenen Fehlbildungen oder schwerwiegenden funktionellen Störungen der Atemwege, aber z.B. auch Kinder und Jugendliche mit besonders schweren Formen des Asthma bronchiale in enger Kooperation mit den primärversorgenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zusätzlich in Spezialambulanzen des Klinikums behandelt. Die Betreuung der Patienten erfolgt interdisziplinär durch Mitwirkung eines gesamten Behandlungsteams verschiedener Berufsgruppen; hierzu gehören spezialisierte Physiotherapeutin, Diätberaterin, Ergotherapeutin, der psychosoziale und ggf. auch der Seelsorge-Dienst. Dementsprechend erfolgt die Betreuung der Kinder und Jugendlichen mit chronischen Atemwegserkrankungen sowie ihrer Familien in enger Verzahnung mit der Villa Kunterbunt. Sie ist damit Teil des Gesamtkonzeptes der Mitbetreuung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen durch das kinder- und jugendmedizinische Zentrum (u.a. internistisch tätige Kinder- und Jugendmedizin, Kinderchirurgie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Villa Kunterbunt). Neben den chronischen Atemwegserkrankungen umfasst die Betreuung z.B. neuropädiatrische Erkrankungen, Diabetes, kindliches Rheuma, chronisch-entzündliche Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, Kurzdarm-Syndrom und onkologische Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters.

Was kann man tun, um sich und die Kinder gegen die derzeitige Welle an grippalen Infekten und Erkältungskrankheiten zu schützen?
Die Infektabwehr kann durch folgende Maßnahmen verbessert werden: Ausgewogene, vitaminreiche Ernährung (nicht aber zusätzliche Vitamingaben), ausreichend Schlaf, viel Bewegung in frischer Luft, witterungsangepasste Kleidung und insbesondere rauchfreie Umgebung. Ein Versuch mit abwehrsteigernden Medikamenten (Immunstimulanzien) ist nur in Einzelfällen hilfreich. Zur Vorbeugung der Übertragung von krankheitsverursachenden Keimen – meist Viren – ist die sorgfältige Beachtung hygienischer Vorsichtsmaßnahmen insbesondere im Umfeld erkrankter Personen durch Gesunde und akut Erkrankte selbst sinnvoll: Soweit möglich, Verzicht auf Händeschütteln bzw. regelmäßiges sorgfältiges Waschen oder Desinfektion der Hände, möglichst Einhalten eines Sicherheitsabstands von 2 Metern bzw. Verwendung z.B. eines Schals vor dem Mund, im medizinischen Bereich einer Mund- und Nasenschutzmaske. Beschränken des Besuchs von Veranstaltungen mit größeren Ansammlungen von Menschen
Eine selbst an Grippe oder einem anderen Infekt erkrankte Person kann andere Menschen darüber hinaus vor Ansteckung schützen durch Niesen oder Husten in ein Papiertaschen-tuch oder den Ärmel mit umgehender Entsorgung des Einmaltuchs, Vermeiden enger Kon-takte zu anderen Menschen, möglichst zu Hause bleiben, regelmäßiges Zimmerlüften. Naturgemäß sind die Maßnahmen umso schwerer umsetzbar, je jünger die Kinder sind. Und hat es uns Erwachsene oder unser Kind doch erwischt, so sollte man bedenken: Offensichtlich banale Infekte (z.B. einfacher Schnupfen, leichter Husten ohne Fieber) bedürfen in der Regel keiner ärztlichen Untersuchung. Bei Anzeichen für Komplikationen (hohes Fieber, Atemnot, Verschlechterung des Allgemeinzustands) sollte medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden. Potentiell gefährdet sind Schwangere, chronisch Kranke, grundsätzlich jüngere Kinder und ältere Menschen. Das erfolgreiche Überwinden von Infekten stärkt aber auch die Immunabwehr und kann vor Allergien und sogar bedingt vor bösartigen Erkrankungen schützen. – Übrigens sollten die empfohlenen Schutzimpfungen bei Ausschluss sonstiger Grunderkrankungen zum Schutz vor zum Teil gefährlichen Erkrankungen auch bei infektanfälligen Kindern im infektfreien Intervall durchgeführt werden. Wenngleich die Grippeimpfung aufgrund einer sprunghaft aufgetretenen Änderung der Viruseigenschaften und der daraus folgenden fehlenden Erkennungsmöglichkeit für das Immunsystem bzw. aufgrund des Überwiegens anderer Grippevirustypen in dieser Saison nicht sehr wirksam ist, gilt dies z.B. auch für die Grippeimpfung von Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Grunderkrankungen (und alte Menschen). Zurzeit belegt die Masernepidemie im Berliner Raum mit ernsthaften Komplikationen – u.a. Entzündung des Gehirns (1:1.000!) bis hin zu Todesfällen -, wie wichtig die konsequente Einhaltung der von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Durchimpfung ist (s.a. Robert Koch-Institut, Gesundheitsinformation).

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort