Oberstdorf Am Schattenberg ins Rampenlicht

Oberstdorf · Jahrelang fristete Karl Geiger ein Dasein in der zweiten Reihe der Skispringer. Jetzt rückt er immer mehr in den Mittelpunkt. Der Tournee-Startort Oberstdorf ist für ihn der schönste, den er sich vorstellen kann.

 Karl Geiger zählt derzeit zu den besten Skispringern in Deutschland. In die Vierschanzentournee geht der Spätstarter dennoch sehr bescheiden.

Karl Geiger zählt derzeit zu den besten Skispringern in Deutschland. In die Vierschanzentournee geht der Spätstarter dennoch sehr bescheiden.

Foto: dpa/Alexandra Wey

Plötzlich schauen alle auf ihn, doch auf markige Sprüche und großspurige Ansagen kann man bei Karl Geiger lange warten. „Ich gehe nicht davon aus, dass ich da gleich voll die Tournee durchrocke. Da muss man erst mal kleine Brötchen backen und schauen, dass man das Niveau stabilisiert“, sagte Geiger vor dem heiß ersehnten Start in die Vierschanzentournee an diesem Sonntag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) in seinem Heimatort Oberstdorf. Nach seinem jüngsten Höhenflug muss der 25-Jährige bei Freunden und Familie am Schattenberg so viele Ticketwünsche wie noch nie erfüllen.

Der Einzelsieg in Engelberg vor zwei Wochen und Platz vier im Gesamtweltcup könnten Geiger selbstbewusst und kraftstrotzend in das Spektakel auf den vier Schanzen in Deutschland und Österreich gehen lassen, doch das ist nicht seine Art. Geiger ist bodenständig, bescheiden und heimatverbunden. Dass gerade er vor dem ersten Saisonhöhepunkt die Fernsehstudios besucht – anstelle der jahrelangen Stars Andreas Wellinger oder Severin Freund – ist für Geiger eine neue und ungewohnte Situation.

Der Weg nach ganz oben hat bei ihm eine halbe Ewigkeit gedauert, der Allgäuer absolviert schon seine siebte Weltcup-Saison und kam nie richtig in der Weltspitze an. „Es ist über die Jahre gekommen, dass man es sich Schritt für Schritt erarbeitet, sich weniger Druck macht, schaut, dass die Sprünge und das Gesamtkonzept besser werden. Ich konnte ganz in Ruhe arbeiten. Das hat bis jetzt ganz gut funktioniert“, sagt Geiger, der bislang verletzungsfrei geblieben ist.

Sein Trainer Werner Schuster hätte mit seinen Minischritte-Adlern, zu denen auch der ebenfalls erstarkte Stephan Leyhe zählt, manchmal wahnsinnig werden können, weil es gar so langsam voranging. Das hat sich in diesem Winter, in dem nach der Tournee mit der WM in Seefeld noch ein weiterer Höhepunkt ansteht, schlagartig geändert. Leyhe sprang gleich im polnischen Wisla auf das Podest, Geiger düpierte in der Schweizer Idylle von Engelberg die gesamte Konkurrenz. „Man trainiert das ganze Leben, damit man einmal oben stehen darf“, sagt Geiger. Der erste Sieg, das war eine Art Lebenstraum.

„Karl und Stephan sind aktuell unsere bestplatzierten deutschen Skispringer und gehören daher auch zum erweiterten Kreis der Mitfavoriten“, erklärt Schuster. Er verglich die Skispringer neulich ganz ungeniert mit Künstlern. Seinem Schützling Geiger fehle dazu zwar noch ein „bisschen was“, aber: „Er ist schon ein lockerer Typ, er war früher schmallippig, ein bisschen sehr fokussiert. Er hat sich schon ganz gut entwickelt.“ Geiger gilt nicht als Supertalent, dafür als harter Arbeiter, der Schwäche um Schwäche in seinem Sprung mit viel Ehrgeiz ausbessert.

Doch so exzellent seine Sprünge jetzt auch sind, so sehr versucht Geiger, sich selbst den Druck zu nehmen. „Eigentlich gehe ich mit gar keinen Hoffnungen oder Erwartungen in die Tournee“, sagt der derzeit beste deutsche Adler in einem Ton, in dem man ihm diese bescheidene Botschaft abnimmt.

In der Arena in Oberstdorf werden unter den 27 000 Zuschauern einige für Geiger bekannte Gesichter sein. Als „ganz speziell“ beschreibt er die Atmosphäre beim traditionellen Auftakt kurz vor dem Jahreswechsel. Natürlich nicht, ohne gleich bescheiden zu ergänzen: „Tournee hin, Tournee her, ich werde mich weiterhin auf jeden einzelnen Wettkampf fokussieren und in meine Technik vertrauen.“

(dpa)
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