USA Der Präsident will die Lehrer bewaffnen

Washington · Beim Treffen mit Angehörigen von Schusswaffenopfern bemüht sich Donald Trump sichtlich um Empathie – und eine Lösung des Problems. Die stößt auf viel Kritik.

 Präsident Donald Trump senkt den Kopf während des Eröffnungsgebets beim Treffen mit Schülern, Angehörigen und Lehrern nach dem Schulmassaker in Florida vom vergangenen Mittwoch.

Präsident Donald Trump senkt den Kopf während des Eröffnungsgebets beim Treffen mit Schülern, Angehörigen und Lehrern nach dem Schulmassaker in Florida vom vergangenen Mittwoch.

Foto: dpa/Carolyn Kaster

Donald Trump hält einen Spickzettel in der Hand, man kann sehen, was darauf steht. Fotografen fotografieren, das Fernsehen überträgt live. Falls das mit den Stichpunkten ein Geheimnis bleiben sollte, ist es nun keines mehr. „I hear you“, „Ich höre euch“, ist ganz unten auf dem Zettel zu lesen. Offenbar eine Gedächtnisstütze.

 Der Präsident, der es nach vorangegangenen Tragödien bisweilen an Empathie fehlen ließ, soll zu keiner Zeit vergessen, worum es geht bei dem Treffen mit Müttern, Vätern, Geschwistern und Freunden von Schusswaffenopfern am Mittwochabend im Weißen Haus. Zuhören, Mitgefühl zeigen, die Betroffenen reden lassen. Trump scheint denn auch sichtlich bewegt, als Andrew Pollack ein Mikrofon in die Hand nimmt und mit immer lauter werdender Stimme schildert, wie er sich fühlt nach dem Tod seiner 18-jährigen Tochter Meadow.  Schon nach der allerersten Schießerei an einer Schule hätte man das Problem in den Griff kriegen müssen, sagt Pollack. „Und ich bin stinksauer. Denn meine Tochter, die werde ich nicht wiedersehen. Auf dem King-David-Friedhof, dort kann ich mein Kind jetzt sehen.“

 Leidensgeschichte folgt auf Leidensgeschichte, nur beschränkt sich Trump nicht aufs Zuhören, er hat auch Vorschläge zu machen. Empfehlungen, wie sie die Waffenlobby seit dem Massenmord an der Sandy-Hook-Grundschule im Dezember 2012 immer wieder in die Debatte wirft. Wären zumindest einige Lehrer der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland bewaffnet gewesen, suggeriert der Präsident, hätte man heute vielleicht weniger Tote zu beklagen.

 Um es zu illustrieren, spricht er von Aaron Feis, dem Football-Trainer, der nach Augenzeugenberichten auf den Amokläufer zusprintete, sich mit massigem Körper vor seine Schüler warf und dabei tödlich getroffen wurde. Dieser Coach, sagt Trump, habe sich unglaublich tapfer verhalten. „Doch hätte er eine Waffe zur Hand gehabt, hätte er nicht rennen müssen. Er hätte geschossen, und das wäre das Ende gewesen.“ Eine Schusswaffenattacke, argumentiert er, dauere im Durchschnitt drei Minuten. Bis die Polizei am Tatort eintreffe, vergingen indes fünf bis acht Minuten, da sei es in aller Regel vorbei. Wenn nun Schulen schusswaffenfreie Zonen blieben, bedeute dies aus der Sicht von Wahnsinnigen: „Lasst uns angreifen, denn es fliegen keine Kugeln zurück.“ Wer die Bewaffnung ausgesuchter Pädagogen für richtig halte, fragt der Präsident schließlich in die Runde. Einige Arme gehen hoch, andere bleiben unten.

 Später gibt Ashley Kurth, eine Lehrerin der überfallenen High School, eine Antwort, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Auf dem Höhepunkt der Panik hat sie 65 Teenager in ein Klassenzimmer gelotst, die Tür verrammelt und das Licht ausgeschaltet. Als sie bei einem von CNN organisierten Bürgerforum vorgestellt wird, feiert das Publikum die untersetzte Frau mit stehenden Ovationen. Sie habe Trump gewählt, sie sei Republikanerin, sie unterstütze den zweiten Verfassungszusatz, der privaten Waffenbesitz garantiere, skizziert Kurth, wo sie politisch steht.

Aber Lehrer Pistolen tragen zu lassen? Ob sie in Zukunft nicht nur unterrichten, sondern auch noch eine Spezialausbildung durchlaufen müsse, um Schüler zu beschützen, will sie wissen. „Soll ich etwa eine kugelsichere Weste tragen? Soll ich mir etwa eine Kanone ans Bein binden oder in meine Schreibtisch-Schublade legen?“

 Folgt man aktuellen Umfragen, dann zählt Ashley Kurth in der eigenen Partei mit ihrer Skepsis zu einer Minderheit. Laut ABC News und Washington Post glauben 59 Prozent der Republikaner, bewaffnete Lehrer hätten das Massaker in Parkland verhindern können. Demokraten dagegen beantworten die Frage zu 73 Prozent mit Nein, ein weiteres Indiz für die tiefen Gräben, die sich quer durch die politische Landschaft ziehen.

Trumps Vorschlag gehe von völlig unrealistischen Szenarien aus, warnt Randi Weingarten, die Vorsitzende der amerikanischen Lehrer-Vereinigung. Denn von den Pädagogen erwarte man eine Geistesgegenwart, zu der die meisten Menschen mitten im Chaos einfach nicht fähig seien. In einer solchen Situation den eigenen Revolver zu finden, mit ruhiger Hand anzulegen und mit der Treffsicherheit eines Scharfschützen zu treffen – das funktioniere vielleicht im Film, aber nicht im realen Leben.

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