Speyer Des Klappstuhls Kern

Speyer · Im Mai vor fünf Jahren wurde der „Barbarenschatz von Rülzheim“ gefunden, der für großes Aufsehen und viel Streit gesorgt hat. Den aus der Spätantike stammenden Fund umgeben nach wie vor viele Geheimnisse. Manche davon kommen allmählich ans Licht.

Goldene Schmuckstücke eines zeremoniellen Gewandes aus der Spätantike, die ein Teil des illegal in der Pfalz ausgegrabenen „Barbarenschatzes“ sind.

Goldene Schmuckstücke eines zeremoniellen Gewandes aus der Spätantike, die ein Teil des illegal in der Pfalz ausgegrabenen „Barbarenschatzes“ sind.

Foto: dpa/Torsten Silz

Der sogenannte Barbarenschatz von Rülzheim ist auch fünf Jahre nach seiner Entdeckung noch für Überraschungen gut. Zu ihm gehören nach neuen Informationen nicht nur Gegenstände aus Gold, Silber und Eisen, sondern auch Dinge, die man normalerweise nicht bei einem Schatz vermutet. Zum Beispiel ein Olivenkern. Ein solcher sei bei der Restaurierung eines zum Schatz gehörenden Klappstuhls entdeckt worden, sagt Ulrich Himmelmann von der Direktion Landesarchäologie – Außenstelle Speyer der Deutschen Presse-Agentur.

Laut einer Analyse ist der Kern über 1600 Jahre alt. Er stammt nach Angaben des Archäologen aus der Zeit zwischen der Mitte des vierten Jahrhunderts und dem Beginn des fünften Jahrhunderts – die Forscher haben es also mit einem spätantiken Olivenrest zu tun. Im Schatz verborgen sind aber noch andere Geheimnisse, die möglicherweise bald gelüftet werden. So steckte der Kern laut Himmelmann in altem Kitt, von dessen Analyse sich die Experten neue Erkenntnisse erhoffen.

Die spektakuläre Geschichte des Schatzes geht damit weiter. Der aus mehr als 100 Stücken bestehende Fund war über Umwege in die Hände der Archäologen gelangt. Ein Sondengänger hatte ihn im Mai 2013 bei einer illegalen Suche in einem Wald bei Rülzheim in der Südpfalz gefunden und zunächst behalten – angeblich wollte er erst klären, was er aufgespürt hatte. Als ihm nach sieben Monaten die Entdeckung drohte, lieferte er den Fund ab. Die Experten waren begeistert, denn mehrere Gegenstände machen den Schatz zu etwas ganz Besonderem. An vorderster Stelle stehen dabei die Überreste des Klappstuhls, den Himmelmann als einzigartig bezeichnet. „Wir kennen das nur von Mosaiken, von antiken Abbildungen. Es war keiner erhalten bis auf eben diesen einen.“

Auf einen Eisenstab des Stuhls war mit Kitt eine kleine Büste geklebt. In der Klebemasse saß der Olivenkern. „Leider haben wir bislang keine griffige Theorie, warum der Olivenkern in dem Kit steckte - eine praktische Funktion, zum Beispiel zur Stabilisierung, hatte er jedenfalls nicht“, so Himmelmann. Die wissenschaftliche Aufarbeitung sei aber auch noch nicht zu Ende. Die Klebemasse enthalte „jede Menge feine Pflanzenreste“, die derzeit an der Uni Köln untersucht würden. Man hoffe, ein „Pollenprofil“ gewinnen zu können, das Hinweise darauf gibt, wo der Stuhl gebaut wurde.

Zwar ist der Stuhl römischer Herkunft. Die Archäologen halten es aber für möglich, dass der Schatz einer Persönlichkeit aus der Herrschaftsschicht des hunnisch-ostgermanischen Raums gehörte, die zumindest zeitweise in den Diensten Roms stand oder ein Verbündeter des Imperiums war. Auf Reiterkulturen östlicher Steppenvölker wie Hunnen und Alanen weist eine massive Silberschale mit eingearbeiteten Halbedelsteinen und einer Ringöse am hinteren Ende hin – zur Befestigung am Pferdesattel. Ferner fanden sich 84 Goldapplikationen, die nach Einschätzung der Experten ursprünglich das Prachtgewand eines Herrschers aus dem hunnisch-ostgermanischen Raum zierten. Das Spannende sei, dass man nun dank des Fundes erzählen könne, wie die Hunnen in die Pfalz gekommen seien, sagt Himmelmann. „Es ist eine spannende Fußnote im Geschichtsbuch, die wir deswegen schreiben können.“ Unter welchen Umständen der Schatz vergraben wurde, werden die Archäologen aber wohl nicht mehr klären. Der Hobby-Schatzsucher habe beim Ausgraben „sämtliche Spuren vor Ort zerstört“. Eines aber weiß der Archäologe: Weitere Schätze gibt es dort nicht – man habe gesucht. „Wenn da was gewesen wäre, dann hätten wir das gefunden.“

Der Rülzheimer Bürgermeister Reiner Hör (Aktive Bürger) freut sich über die Aufmerksamkeit, die der 8000-Einwohner-Ort wegen des Schatzes genießt. Hör und die Verbandsgemeinde Rülzheim sehen den Schatz nach eigenen Angaben beim Land beziehungsweise im Museum am Besten aufgehoben, auch wenn er auf Rülzheimer Gebiet ausgegraben wurde. „Den Platz, den dieser Schatz verdient hat, kann ich in Rülzheim nicht bieten“, sagt Hör.

Laut dem rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz wird ein Schatz Eigentum des Landes, wenn er von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung ist. Nach zwei Prozessen gegen den Finder wegen Unterschlagung hatte das Pfälzische Oberlandesgericht moniert, es sei nicht ermittelt worden, ob der Schatz überhaupt kulturhistorische Bedeutung habe. Das Landgericht Frankenthal traf dazu im jüngsten Prozess selbst keine Feststellung – auch weil der Finder auf Rechte am Schatz verzichtete, ob sie ihm zustanden oder nicht.

Die Generaldirektion Kulturelles Erbe hält den Schatz für bedeutend - und sieht sich von externen Experten bestätigt. Andernfalls würde er möglicherweise der Kommune gehören. Hör möchte darüber nicht streiten. Er hat aber das Angebot eines Vertreters der Deutschen Sondengänger Union vorliegen, der ihm mögliche Rechte der Kommune am Schatz abkaufen will. Am 26. April will Hör den Rat der Ortsgemeinde über das Angebot informieren. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass jemand für die Annahme sei, sagt der Ortsbürgermeister.

(dpa)
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