Chemnitz Eiskunstlauf: Die Eiserne Lady feiert 90. Geburtstag

Chemnitz · Jutta Müller war eine der schillerndsten und erfolgreichsten Trainerinnen des DDR-Sports. Linientreue und SED-Mitgliedschaft hielten die „Eiserne Lady“ des Eiskunstlaufs nicht davon ab, mit Pelzmantel in den Arenen der Welt an der Seite ihrer Schlittschuh-Größen Katarina Witt, Anett Pötzsch, Gaby Seyfert oder Jan Hoffmann die Erfolge zu feiern.

 Trainerin Jutta Müller und Katarina Witt verband eine Hassliebe. Am Donnerstag wird Müller 90 Jahre alt.

Trainerin Jutta Müller und Katarina Witt verband eine Hassliebe. Am Donnerstag wird Müller 90 Jahre alt.

Foto: dpa/Andreas Lander

57 Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen sind die einmalige Bilanz von Jutta Müller, die an diesem Donnerstag ihren 90. Geburtstag feiert.

„Sie hat Talent erkannt und war selbst getrieben, dass man dies nicht vergeudet“, erklärte Kati Witt  das Erfolgsgeheimnis ihrer einst strengen und autoritären Trainerin. Sie sei eine Trainerin aus Passion gewesen, die „eigentlich nur ans Eiskunstlaufen gedacht und nichts dem Zufall überlassen“ hatte.

Die in Chemnitz geborene Müller führte das „schönste Gesicht des Sozialismus“ 1984 und 1988 zu Olympiasiegen – so wie 1980 auch Anett Pötzsch. Zudem holte sie mit ihrer Tochter Gaby Seyfert und Jan Hoffmann jeweils Olympia-Silber und Titel bei Europa- und Weltmeisterschaften.

„Sie verkörperte diese Erfolge der DDR. Sie wusste, wie man Erfolg produziert“, sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU), über Müller. „Das DDR-System war wie für sie gemacht. Es bot ihr alle Möglichkeiten, weil Eiskunstlauf den Touch des Schillernden hatte.“ Es sei deshalb im „tristen Staat der DDR etwas Besonderes gewesen, dem Westen da etwas vormachen zu können“.

Nach dem Mauerfall spielte Müller keine große Rolle mehr. Sie trainierte aber in Chemnitz noch jahrelang Nachwuchsläufer. „Leider gehörte auch sie zu den Weltklassetrainern aus der DDR, die man nach der Wende bedauerlicherweise kalt gestellt hat“, kritisierte Witt. Für ihr Comeback bei den Olympischen Winterspielen 1994 in Lillehammer hat sie ihre Ex-Trainerin engagiert, damit Jutta Müller „den verdienten Respekt noch einmal zu spüren bekommt“.

Nachträglich für falsch hält auch Dönsdorf, dass die DEU der Trainer-Legende aus dem Osten nicht mehr die Bühne gegeben hat, die sie verdient hätte: „Man hätte mehr von ihrem Know-how rüberretten können.“

Auch Müller haderte damit, im vereinten Deutschland ins Abseits gestellt worden zu sein. „Natürlich war ich ein Kind des alten Systems, aber ich hätte mehr Verständnis dafür erwartet, dass ich mich während des Umbruchs in vielen Dingen neu zurechtfinden musste“, sagte sie einmal.

Sie war 1946 in die SED eingetreten und wurde 1949 DDR-Meisterin im Paarlauf mit Irene Salzmann, weil es nach dem Krieg keine männlichen Partner gab. Im Einzel erreichte sie bei den DDR-
Titelkämpfen 1953 als Dritte die beste Platzierung. Als Trainerin führte Müller zuerst ihre Tochter Gaby Seyfert 1969 und 1970 zu WM-Gold.

„Ich habe viel verlangt und viel gegeben“, beschrieb sie ihre Beziehung zu ihren Läufern. Den Ton und die Richtung gab aber immer Müller an. Bei Kati Witt ist aus einer Hassliebe zu Athletenzeiten ein großer Respekt, eine große Verehrung und eine große Dankbarkeit geworden – aber keine Freundschaft: „Lustigerweise sieze ich sie noch immer.“

(dpa)
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