Amok-Lauf Massaker in einer sicheren Gemeinde

Parkland · 17 Menschen sterben bei einer Schießerei in einer Schule in Florida. Die Suche nach Erklärungen für die grausame Tat beginnt.

 Eine Familie fällt sich wiedervereint in die Arme, nachdem an der Marjory Stoneman Douglas High School tödliche Schüsse gefallen sind.

Eine Familie fällt sich wiedervereint in die Arme, nachdem an der Marjory Stoneman Douglas High School tödliche Schüsse gefallen sind.

Foto: dpa/John Mccall

Worüber in den Stunden danach fast alle sprechen, die sich in Parkland vor ein Mikrofon stellen, das ist dieser merkwürdige Feueralarm. Kurz vor Unterrichtsschluss, nachmittags gegen halb drei, gingen in der Marjory Stoneman Douglas High School die Sirenen los. Merkwürdig, weil es an diesem Tag bereits das zweite Mal war. Stunden zuvor hatte die Schulleitung schon einmal üben lassen, wie man sich im Falle eines Brandes zu verhalten hat. Was zunächst keiner wissen konnte: Diesmal war es ein bewaffneter Eindringling, der den Alarm auslöste.

     Mit dem Trick wollte Nikolas Cruz Schüler und Lehrer offenbar dazu bringen, ihre Klassenzimmer zu verlassen. Er wollte sie auf die Flure locken, wo er Rauchbomben zündete, bevor er losballerte. Cruz habe eine Gasmaske getragen, er habe auf seine Opfer geschossen, als die überrascht und orientierungslos durch den Nebel irrten, gibt der Senator Bill Nelson wieder, was ihm die Ermittler des FBI anvertraut hatten.  

Die ersten Schüsse, schildert einer, der es aus der Ferne erlebte, hätten geklungen, als wollte jemand prall mit Luft gefüllte Tüten zum Platzen bringen. Andere glaubten anfangs an Feuerwerkskörper. Als klar wurde, dass es sich bei dem Feueralarm um eine tödliche Falle handelte, rannten viele zurück in die Unterrichtsräume, wo sie sich zu verstecken versuchten, in Schränken, unter Tischen, einige mit Smartphone in der Hand, um per SMS Kontakt zur Außenwelt zu halten.

      Die ersten Bilder vom Ort des Geschehens zeigten in Endlosschleife alle das Gleiche. Teenager, die im Gänsemarsch nach draußen laufen, die Hände erhoben oder hinter dem Nacken verschränkt. Für die Spezialeinheiten der Polizei, die die Schule mit ihren 3200 Schülern nach und nach räumten, war zu dem Zeitpunkt im Prinzip jeder verdächtig.

     Im Pulk der anderen entkam zunächst auch der Schütze, bevor ihn Fahnder in einer Nachbarstadt stellten. Und allmählich fügten sich die Informationsbruchstücke zu einem Täterprofil, wie es den Amerikanern mittlerweile nur allzu vertraut ist. Ein Einzelgänger, kontaktarm, vernarrt in Waffen. Auf seiner Instagram-Seite präsentierte sich Cruz mit dunklen Stirnbändern, mal mit einer Pistole, mal mit Messern, die optisch wie die Verlängerung seiner Finger wirken sollten, als wären es Klauen.

Wie schon Adam Lanza, der verstörte Junge, der im Dezember 2012 im idyllischen Neuengland-Städtchen Newtown zwanzig Erstklässler einer Grundschule erschoss, bediente er sich einer AR-15, eines halbautomatischen Gewehrs. 17 Tote und 15 Verletzte, so lautete am Donnerstag die Opferbilanz.

     Bis vor ein paar Monaten lernte Cruz selber an der High School, die er nun ins Visier nahm. Er wurde der Schule verwiesen, aus Gründen, zu denen die Schulverwaltung zunächst nichts Definitives sagen wollte. Nikolas Cruz, sagte dessen ehemaliger Mathelehrer Jim Gard dem „Miami Herald“, habe Mitschüler bedroht. Ein früherer Klassenkamerad namens Joshua Charo beschreibt Cruz als großen Schweiger, der, wenn er mal den Mund aufmachte, mit seinen Schießkünsten prahlte. „Er schwärmte davon, wie er mit seiner Luftpistole Jagd auf Ratten macht, und überhaupt, wie gern er auf Dinge zielt.“ Die 17-jährige Victoria Olvera wiederum erzählte der Nachrichtenagentur AP, Cruz sei von der Schule geflogen, weil er sich mit dem neuen Freund seiner Ex-Freundin geprügelt habe. Eifersucht als Tatmotiv? Es ist einer der Erklärungsversuche, die nunmehr die Runde machen.

Fest steht: Es ist in der Geschichte der USA eines der blutigsten Massaker, das mit Schusswaffen an einer Schule verübt wurde. Gleich hinter Newtown und noch vor Littleton, dem Schauplatz des Amoklaufs an der Columbine High School, der die Nation 1999 noch so schockierte. Und wieder trifft es eine Wohngegend, von der hinterher alle sagen, dass man sich eine derartige Tragödie gerade dort niemals vorstellen konnte. Es gebe kaum einen besseren Ort, um eine Familie zu gründen, melden sich Lokalpatrioten zu Wort.

Erst neulich wurde Parkland zu einer der sichersten Gemeinden Floridas gekürt. Die Kriminalitätsrate, hatten die Betreiber der Datensammlung „Neighborhood Scout“ ermittelt, sei niedriger als in 85 Prozent aller amerikanischen Gemeinden. Statistisch gesehen.

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