Leipzig Viele Erinnerungen, viele Fragen: Schumi wird 50

Leipzig · Michael Schumacher ist in diesen Tagen wieder allgegenwärtig. Fünf Jahre nach seinem Skiunfall wird der Formel-1-Rekordweltmeister 50 Jahre alt. Den öffentlichen Schumacher gibt es nicht mehr, sein Ruhm aber wirkt weiter.

 Über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher (hier ein Bild aus dem Jahr 2012) ist auch fünf Jahre nach dessen Skiunfall öffentlich wenig bis nichts bekannt.

Über den Gesundheitszustand von Michael Schumacher (hier ein Bild aus dem Jahr 2012) ist auch fünf Jahre nach dessen Skiunfall öffentlich wenig bis nichts bekannt.

Foto: dpa/Diego Azubel

Was bleibt, ist die Erinnerung. „Natürlich rückt mir immer als erstes der Moment in den Kopf, als Michael mir damals den Siegeskranz beim Kartrennen übergeben hat“, sagt Sebastian Vettel. Damals war er noch ein Bub – und Michael ein Star. Schon lange ist er nun sein Kumpel, noch länger sein Vorbild.

Michael Schumacher, der siebenmalige Weltmeister, der 91-malige Grand-Prix-Gewinner, der Rekordmann der Formel 1 wird seinen 50. Geburtstag am 3. Januar abgeschirmt von der Öffentlichkeit erleben.

Es war der Skiunfall am 29. Dezember 2013 in den französischen Alpen, der Schumachers Dasein von einer Sekunde auf die andere mehr veränderte als seine unzähligen Erfolge, Titel und Auszeichnungen, als seine Crashs auf vier und zwei Rädern, als alle sportlichen Triumphe und Tragödien auf der Rennstrecke.

„Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Ich war selbst beim Skilaufen in Kitzbühel“, sagt Norbert Haug. Weil schlechtes Wetter herrschte, schaute sich der langjährige Mercedes-Motorsportchef ein Skirennen im Fernseh an und wurde per Laufband von den Nachrichten über Schumachers Sturz informiert. Wie vermutlich die meisten, die Schumacher kannten und um dessen Skifahrer-Qualitäten wussten, dachte auch Haug im ersten Moment, dass die Berichterstatter ein bisschen übertreiben würden.

Die Schwere der Verletzungen und ihre Folgen wurden am Morgen danach aber schmerzhaft klar. Das Leben des Michael Schumacher, der in seiner Karriere aberwitzig viele Kilometer in über 700 PS starken Rennwagen fuhr und bis auf einen Schienbeinbruch zumindest auf vier Rädern keine schwereren Verletzung davongetragen hatte, war nicht mehr dasselbe.

Als Rennfahrer wurde Michael Schumacher zu einem Phänomen. Was er machte, wollte er perfekt erledigen. Schumacher wurde früh zum Sinnbild eines bis in die letzten Muskeln durchtrainierten Fahrerathleten. Er trieb auch den Kampf um mehr Sicherheit voran. Nicht ohne Grund. Er erlebte einige der dunkelsten Stunden der Formel 1 hautnah mit.

Er war am 1. Mai 1994 dabei, als Ayrton Senna, eine Ikone der Motorsport-Königsklasse, tödlich in Imola verunglückte. Einen Tag vor Senna hatte der Österreicher Roland Ratzenberger einen Unfall nicht überlebt.

Schumacher gewann damals das Rennen, er gewann im Jahr 1994 auch zum ersten Mal die Weltmeisterschaft. Als er sechs Jahre später die Siegmarke von Senna erreicht, brach Schumacher nach dem Großen Preis von Italien in Tränen aus. Selten zeigt sich der gebürtige Rheinländer bis dahin öffentlich derart berührt.

In der Formel 1 kann jeder Fehler verheerende Folgen haben. Schumacher beherrschte die Gratwanderung in jeder Hinsicht. Er reizte die Grenzen aus, auch die des Regelwerks, auch die des Verhaltens auf der Strecke. Sein schwerster Formel-1-Unfall ereignete sich 1999 in Silverstone, Schumacher erlitt einen Schienbeinbruch. Ein Jahr später begann seine Titelära mit Ferrari mit fünf WM-Triumphen in Serie.

„Er hat einen Maßstab an Dominanz gesetzt, auch wenn es manchmal kontrovers zuging“, sagt Damon Hill. Der 58 Jahre alte Brite weiß, wovon er redet. In der Liste der Rivalen, die mit Schumacher um die WM kämpften, taucht auch Hill auf. 1994 fuhren sich die beiden WM-Gegner ins Auto, 1995 musste sich Hill erneut seinem Rivalen im Benetton geschlagen geben. 1996 besiegte der Engländer dann den Deutschen.

„Ich habe nur einmal die WM gewonnen, ich hätte sie so gern zweimal gewonnen“, gibt Hill zu, der seit Jahren Experte im britischen Fernsehen ist.

Schumacher hat sich seine Erfolge erarbeitet. Kfz-Mechaniker, keine wohlhabenden Eltern, der Vater arbeitete unter anderem als Platzwart einer Kartbahn, die Mutter betrieb den dortigen Kiosk. Es war der Aufstieg eines einfachen Jungen aus einfachen Verhältnissen.

„Diesen rohen, natürlichen Hunger kannst Du nicht schlagen“, sagte Lewis Hamilton vor einigen Wochen. Als Beispiel dafür nannte der 33 Jahre alte Brite die Box-Legende Muhammad Ali. Hamilton, Sohn eines Einwanderers aus der Karibik und erster dunkelhäutiger Pilot der Formel 1, wird auch von diesem Hunger angetrieben. Bei Schumacher, dessen Rekorde der Fünffach-Champion Hamilton nach und nach übertrifft, war es nicht anders.

Mit vier Jahren saß er im Kart – besser: in einem Kettcar mit Mofa-Motorantrieb – auf der Bahn in Kerpen, die dem ehemaligen Piloten Graf Berghe von Trips gewidmet war. „Schumacher war in jungen Jahren oft im Regen unterwegs, um die technischen Defizite des Eigenbaus auszugleichen. Hier wurde das Fundament für die einzigartige Fahrzeugbeherrschung des späteren Weltmeisters gelegt“, schreibt das Magazin „auto, motor und sport“ in einer Sonderedition zum 50. Geburtstag von Schumacher.

Später wechselte Schumacher zusammen mit Bruder Ralf und dem Kartclub auf die Bahn in Kerpen-Manheim. Auch sie ist nur noch Erinnerung, sie soll dem Tagebau in der Region Platz machen.

Dass es seit langem keine Informationen über Michael Schumachers Gesundheitszustand gibt, kann Rainer Ferling Vorsitzender des Michael-Schumacher-Fanclubs aus Kerpen, sehr gut nachvollziehen. „Man sollte doch einfach Momente wie die des letzten WM-Titels von Michael 2004 oder sein letztes Rennen in Erinnerung behalten“, sagt er. Nur weil man sich mal eine Kappe von Schumacher gekauft habe, habe man keine Rechte an dessen Privatsphäre erworben. Schumachers früher Wegbegleiter Haug sieht es genauso. „Man sollte sich so verhalten, wie es sich die Familie wünscht“, mahnt er.

Es bleiben die Erinnerungen. An sieben WM-Titel, an mehr als 300 Rennen, an legendäre Zweikämpfe, an Ausraster, wie im WM-Finale 1997, als er seinen damaligen Widersacher Jacques Villeneuve in Jerez de la Frontera von der Piste rammte. Schumacher wurden danach alle Punkte aberkannt, der WM-Titel ging an Villeneuve.

Schumacher war auch ein Teambeschleuniger, ein echter Anführer. Haub bringt’s auf diese Formel: „Schnelles Rennfahren ist die Aufnahme in den Club der Besten, aber ein Team zu formen, es aufzubauen bei Rückschlägen, das macht den Unterschied zwischen sehr guten und sehr, sehr guten Fahrern aus.“

(dpa)
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