Weinbau Winzersekt macht Champagner Konkurrenz

Mainz · Der Jahresausklang bedeutet für Sekthersteller gute Geschäfte. Sie machen ein Fünftel ihres Absatzes im Dezember. Auch kleinere Anbieter versprechen sich gute Chancen, weil Verbraucher mehr als bisher auf Qualität achten.

 Ansgar Schmitz, Geschäftsführer des Moselwein e.V..

Ansgar Schmitz, Geschäftsführer des Moselwein e.V..

Foto: roland morgen (rm.)

Nie knallen so viele Sektkorken wie in den letzten Wochen des Jahres und in keinem Land so oft wie in Deutschland. Pro Kopf werden nach der jüngsten Statistik des Deutschen Weininstituts dreieinhalb Liter Schaumwein im Jahr getrunken – allerdings waren es fünf Jahre zuvor noch vier Liter. Es gebe einen gewissen Trend zu höherwertigen Sekten, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Dabei findet der Winzersekt zunehmend Beachtung.

„Die Qualität deutscher Sprudler ist in den letzten Jahren auf geradezu abenteuerliche Weise nach oben gegangen“, heißt es im „Vinum Weinguide 2019“. Der dort als Vorreiter und Pionier für hochklassige Sekte bezeichnete rheinhessische Winzer Volker Raumland stellt bei Blindproben fest, dass es den Teilnehmern schwerfalle, im Vergleich mit Champagner bei Geruch und Geschmack die Unterschiede zu erkennen.

Im vergangenen Jahr wurden 96 000 Hektoliter Champagner nach Deutschland importiert. Das waren rund 14 Prozent aller importierten Schaumweine und 1,3 Prozent mehr als 2016.

„Wir haben unseren eigenen Stil, das ist keine Kopie eines Champagners“, sagt Raumland. Auch wenn die Art der Herstellung mit der zweiten Gärung in der Flasche die gleiche sei wie in der Champagne, gebe es in Rheinhessen doch ein ganz anderes Terroir, einen eigenen Bodencharakter. „Statt der Kreideböden wie in der Champagne haben wir Muschel- und Algenkalkböden – das ist auch kein schlechtes Terroir.“ Und klimatisch sei die Champagne im Vergleich zu Rheinhessen eher benachteiligt.

„Für mich ist Winzersekt eines der am meisten unterschätzten Produkte, die wir in der Weinbranche haben“, sagt Büscher. „Winzersekte befinden sich in der Qualität auf Augenhöhe mit der internationalen Konkurrenz, auch mit Champagner.“ Sie seien preislich attraktiv, mit einem Marktanteil von drei Prozent – rund 9 Millionen Liter bei einem gesamten Jahreskonsum von 290 Millionen Liter Sekt – aber noch ein Nischenprodukt. Volker Raumland mag den Begriff nicht besonders: „Winzersekt klingt mir zu bäuerlich.“ Er bevorzugt den Begriff der traditionellen Flaschengärung. Damit würde auch die Abgrenzung zu den großen Marken mit Tankgärung für Verbraucher deutlicher.

Bei der Henkell-Gruppe in Wiesbaden wird die Konkurrenz von Winzersekten positiv betrachtet, als „Aktivität, die die Wahrnehmung der Qualitätsanmutung der Gattung Sekt zusätzlich optimiert“. Der Trend gehe zu Qualität, und die Verbraucher seien bereit, auch dafür zu zahlen, sagt der Sprecher der Henkell-Geschäftsführung, Andreas Brokemper. Die Henkell & Co. Sektkellerei KG, die in diesem Jahr mit der Übernahme des spanischen Herstellers Freixenet ihre internationale Expansion weitergeführt hat, setzt mit der Marke Menger-Krug ebenfalls auf Flaschengärung.

Im Unterschied zum Wein mit seiner vielfältigen Winzerszene sei Sekt ein stark markenorientiertes Produkt, erklärt Büscher und nennt neben Henkell als weitere große Anbieter Rotkäppchen/Mumm sowie Schloss Wachenheim.

Erst seit Anfang der 1980er Jahre haben Winzer in größerem Stil angefangen, ihren eigenen Wein zu versekten. Er habe 1981 beim Studium in Geisenheim aus 100 Litern Wein den ersten Sekt gemacht, erinnert sich Raumland. Nach dem sehr mengenreichen Jahrgang 1982 hätten viele Winzer nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten gesucht. Damals entstand in Rheinhessen auch die Erzeugergemeinschaft Winzersekt. Zu ihren Grundsätzen gehört: „Eine Herkunft. Eine Rebsorte. Ein Jahrgang.“ Inzwischen lösten sich viele Winzer von diesem Grundsatz, dass Sekt aus Weinen einer einzigen Rebsorte hergestellt werden sollte, sagt Büscher. Viele Riesling-Sekte seien stark säurebetont. Immer beliebter würden Cuvées aus Burgundersorten.

Bei der traditionellen Flaschengärung wird dem abgefüllten Grundwein eine spezielle Sekthefe zugefügt, die mit hinzugefügtem Zucker eine zweite Gärung auslöst. Mindestens neun Monate lang bleibt die Hefe in der Flasche, wird nach und nach in den Flaschenhals gerüttelt, dort eingefroren und „degorgiert“: Unter dem Druck der Kohlensäure schießt der feste Hefepropf heraus. Für ein Bar Druck müssen etwa vier Gramm Zucker vergoren werden. Sekt muss mindestens 3,5 Bar haben, mit 24 Gramm Zucker werden sprudelnde sechs Bar möglich.

Meist kann man schon am Preis erkennen, ob ein Sekt in der Flasche oder im Tank entstanden ist. „Für 2,99 Euro kann man keinen Flaschengärsekt produzieren“, sagt Raumland, „da legt man mehrere Euro pro Flasche drauf.“ Zumal von jeder Flasche 1,02 Euro als Sektsteuer an den Staat gehen. Für einen möglichst niedrigen Ladenpreis werden die Grundweine dieser Schaumweine meist günstig aus Spanien, Südfrankreich oder Italien bezogen. Über alle Marken hinweg entfällt etwa ein Fünftel des Jahresabsatzes bei Henkell auf den Dezember – die Gruppe erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 702 Millionen Euro, bei der in diesem Jahr übernommenen Freixenet waren es 535 Millionen.

Mit anderen Kalkulationen arbeitet das Sekthaus Raumland. „Wir haben 850 000 Flaschen im Keller“, sagt der Winzer. Schon seine einfachsten Sekte lässt er mindestens vier Jahre auf der Hefe reifen. Bei Spitzensekten sind es mehr als zehn Jahre. „Das ist gebundenes Kapital und kostet viel Platz.“ Aber Geduld zahlt sich aus. Eine längere Hefelagerung gebe der Kohlensäure mehr Zeit, sich im Sekt zu binden, erklärt Büscher.

Und einen guten Sekt erkenne man daran, dass er sehr lange im Glas perle.

(dpa)
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