Energie AKW Cattenom: Trotz ständiger Pannen sicher?

Cattenom · Die Betreiber des Kernkraftwerks Cattenom sehen kein Risiko. Die Anlage soll noch viele Jahre am Netz bleiben.

Der Direktor des Kernkraftwerkes Cattenom, Thierry Rosso.

Der Direktor des Kernkraftwerkes Cattenom, Thierry Rosso.

Foto: Bernd Wientjes

Statt der Uhrzeit zeigen die beiden schmalen Digitalanzeigen an beiden Seiten neben der Leinwand die Strommenge, die das nebenan stehende Kernkraftwerk gerade produziert. 1325 MW zeigt eine der Tafeln. Es ist ein Bruchteil dessen, was die Anlage in Cattenom im vergangenen Jahr produziert hat. 36,73 Milliarden Kilowattstunden seien es gewesen, sagt Kraftwerksdirektor Thierry Rosso den Journalisten, die in den Kinosesseln des Informationsszentrums versinken. Damit hat die fast 32 Jahre alte Anlage fast zehn Prozent des Atomstroms in Frankreich produziert. Und es hätte noch mehr sein können, wenn in einem der vier Reaktoren nicht ein Transformator ausgefallen wäre und nicht hätte erneuert werden müssen. 49 Tage konnte Block 1 daher ungeplant keinen Strom produzieren. Die aufgrund von Pannen und Zwischenfällen ungeplanten Reaktorabschaltungen erwähnt der wortgewandte Kraftwerkschef nicht. Zwar nennt er die „bedeutenden Ereignisse“ des vergangenen Jahres — insgesamt 52 Zwischenfälle hat es gegeben. Alle wurden sie auf der von Null bis sieben reichenden Skala für atomare Unfälle von der Atomaufsicht auf den beiden untersten Stufen eingeordnet. Zwei weitere Zwischenfälle seien auf Stufe 2 und damit als Störfall eingestuft worden, sagt Rosso. Aber das sei keine eigentliche Panne in Cattenom gewesen, sondern habe alle Atomkraftwerke Frankreichs betroffen. Es ging dabei um die Erdbebensicherheit. Einen Tag zuvor hat die französische Atombehörde ein weiteres „bedeutendes Sicherheitsereignis“ das neben Cattenom noch zwei weitere französische Kernkraftwerke im vergangenen Jahr betroffen hat als Störung (Stufe eins) eingestuft. Es geht dabei um Fehler bei Schweißarbeiten.

Ein Zwischenfall, der nicht offiziell als solcher geführt wird, nimmt breiten Raum bei der zweistündigen Pressekonferenz ein. Am 10. Oktober vergangenen Jahres sind zwei Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace in die Anlage eingedrungen und haben unmittelbar vor dem Reaktorgebäude Feuerwerkskörper gezündet. Sie wollten damit zeigen, wie einfach ein Attentat sei. Es sind vor allem die deutschen und luxemburgischen Journalisten, die wissen wollen, welche Konsequenzen aus dem Zwischenfall gezogen worden sind. „Keine“, überrascht Rosso mit seiner Antwort. Alle Sicherheitsmaßnahmen hätten gegriffen, die Polizei sei sofort vor Ort gewesen und hätte die Umweltschützer festgenommen. Ein Gericht verurteilte die beiden Aktivisten kürzlich zu zwei Monaten Gefängnis. Und wenn es sich bei den Eindringlingen um echte Terroristen gehandelt habe, hätte man sie „neutralisiert“, sagt Rosso und deutet mit seiner rechten Hand eine Waffe an. Das Sicherheitskonzept sehe aber vor, dass die Lage erst eingeschätzt wird „bevor wir aktiv werden.“  

Cattenom ist eine sichere Anlage und Atomstromstrom ist eine saubere Energie, betont er immer wieder. Immerhin werde fast 97 Prozent des französischen Stroms ohne umweltgefährdendes CO2 produziert, anders als die Kohlekraftwerke in Deutschland, wie Rosso den deutschen Journalisten in den Block diktiert. Außerdem sei Atomstrom billig für die Verbraucher. Das erklärt,  warum es noch immer wenig Alternativen zu Kernkraft im Nachbarland gibt. Nennenswerten Protest oder Forderungen nach dem Ausstieg aus der Atomenergie gibt es nicht.

Außerdem, so der Direktor, kurbele die Anlage die Wirtschaft im strukturschwachen Lothringen an. Über 2000 Beschäftigte arbeiten in dem Kraftwerk und man habe im vergangen Jahr rund 105 Millionen Euro an Steuern und Abgaben bezahlt. Von den 93 Millionen Euro, die 2017 investiert worden seien, seien 29 Millionen an Unternehmen aus der Region rund um das Kraftwerk gegangen, betont Rosso. Und es werde weiter investiert. Um die Anlage (noch) sicherer zu machen. Und sie zu modernisieren. Damit sie eben noch möglichst lange am Netz bleiben könne.

Ein Ende der Laufzeit sieht der Direktor jedenfalls nicht. Solange die Atomaufsicht bei der alle zehn Jahre stattfindenden Überprüfung einer der vier Blöcke die Unbedenklichkeit bescheinige, könnte die Anlage weiter laufen. Wie lange? Jedenfalls länger als die vom Betreiber, dem französischen Energiekonzern EDF, ins Auge gefassten 40 Jahre. Die wären in acht Jahren vorbei. In diesem Jahr will die Atomaufsicht den Weiterbetrieb des ersten Reaktorblocks für die nächsten zehn Jahre genehmigen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort