Kriminalität Amokfahrt nach Umtrunk mit Kumpels

Trier · Zehnter Verhandlungstag im Prozess gegen 52-jährigen Tatverdächtigen: Es ging am Landgericht um viel Alkohol, den Großherzog und eine vermeintlich falsche Zeugin.

 Der Angeklagte wurde auch am Mittwoch mit Hand- und Fußschellen in den Gerichtssaal geführt. Vorne im Bild: seine Pflichtverteidigerin. 

Der Angeklagte wurde auch am Mittwoch mit Hand- und Fußschellen in den Gerichtssaal geführt. Vorne im Bild: seine Pflichtverteidigerin. 

Foto: Rolf Seydewitz

Im Prozess gegen den mutmaßlichen Amokfahrer von Trier kommen immer mehr schreckliche Details ans Licht. Laut mehreren Zeugen soll der 52-jährige Angeklagte mit vier Bekannten bis unmittelbar vor der Amokfahrt am 1. Dezember 2020 an einer Bushaltestelle im Trierer Stadtteil Zewen gezecht haben. Grund des feucht-fröhlichen Treffens war demnach der Geburtstag von einem der Männer.

Diesen habe man mit Bier und Schnaps begossen, erinnerte sich einer der Teilnehmer am Mittwoch im Prozess vor dem Trierer Landgericht. Auch der Angeklagte habe mitgefeiert, dem Jubilar sogar noch eine Palette Dosenbier geschenkt, die er kurz zuvor an einer Luxemburger Tankstelle gekauft hatte. „Er war ganz normal, an ihm war nichts anders als sonst“, meinte der Zeuge, der sich als „guter Freund“ des Tatverdächtigen beschrieb.

Der 52-Jährige habe sich bei der Gelegenheit nicht zum ersten Mal über einen Trierer Notar aufgeregt, der ihm mehrere Hunderttausend Euro vorenthalte. Das angeblich im Tresor des Notars aufbewahrte Geld habe er bekommen, weil er als Kind für eine Versuchsreihe mit radioaktiven Substanzen missbraucht worden sei. Am Tag vor dem Gewaltverbrechen soll der Angeklagte  deshalb noch einmal vergeblich bei dem Notar vorgesprochen haben.

Von dem vermeintlichen Reichtum hatten an den vorausgegangenen Verhandlungstagen unter Verweis auf den Angeklagten auch schon andere Bekannte des Verdächtigen berichtet. Beweise dafür gibt es bislang nicht. In der nächsten Woche ist unter anderem der Trierer Notar als Zeuge geladen, ihn hat der Angeklagte von der Schweigepflicht entbunden. Auf die Aussagen des Juristen darf man gespannt sein – vor allem wegen des Termins, den der Angeklagte am Vortag der Tat bei ihm gehabt haben will.

Bei dem Umtrunk an der Zewener Bushaltestelle soll sich der 52-Jährige abermals über das wenig kooperative Verhalten des Notars echauffiert haben; bevor er sich um kurz vor 13 Uhr in sein Fahrzeug gesetzt und weggefahren sei, wie ein Zeuge am Mittwoch berichtete.

Laut der Anklageschrift bog der 52-Jährige nur eine Dreiviertel Stunde später  mit seinem Geländewagen  aus Richtung Basilika in die Konstantinstraße ein und von dort aus in die Fußgängerzone. Dort erfasste er eine 73-jährige Seniorin, die mit ihrem Ehemann in der Stadt unterwegs war. Die Frau erlag später ihren schweren Verletzungen, der Mann starb erst vor wenigen Tagen. Ob auch an den Folgen der seinerzeit erlittenen Verletzungen, muss noch ein Gutachten klären.

Wegen der getöteten Passanten hat Oberstaatsanwalt Eric Samel den Tatverdächtigen wegen fünffachen Mordes angeklagt. Hinzu kommen 18 weitere Fälle des versuchten Mordes, teils mit gefährlicher und schwerer Körperverletzung.

Der Tatverdächtige wurde kurz nach der Amokfahrt nahe der Porta Nigra festgenommen. Er stand in der Christophstraße rauchend neben seinem Fahrzeug. Der Atemalkoholwert des Mannes habe nach der Festnahme bei 1,39 Promille gelegen, sagte ein Polizist an einem der ersten Verhandlungstage. 

Am Dienstag schilderte ein Bekannter, wie er den Tatverdächtigen in der Nacht vor der Amokfahrt aus seiner Wohnung geworfen habe, weil er im Suff die halbe Küche abgeräumt und ins Bett gepinkelt habe. Nach den Aussagen anderer Kumpels machte der Angeklagte offenbar nur eine kurze Trinkpause, griff schon am Folgetag ab 11 Uhr beim Geburtstagsumtrunk an der Zewener Bushaltestelle erneut zur Flasche. Einige Bekannte, die an den zurückliegenden Prozesstagen aussagten, schilderten den Angeklagten als Alkoholiker. „Ohne Alkohol ging bei dem gar nichts“, meinte ein Zeuge, sein Kumpel habe „viel getrunken, aber auch viel vertragen“. Eine ehemalige Lebensgefährtin des Mannes, mit der der Tatverdächtige vor über 25 Jahren liiert war, sagte, seinerzeit sei der Alkohol bei ihm kein Thema gewesen. „Damals war er normal, er ist auch nie gewalttätig geworden“, sagte die Ex-Freundin am Mittwoch.

Gegenüber Bekannten soll der Angeklagte später einmal erzählt haben, dass die ehemalige Freundin angeblich eine Adelige sei. „Sie sind nicht die Tochter des luxemburgischen Großherzogtums?“, wollte die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz am Mittwoch von der Zeugin wissen, die die Frage wenig überraschend verneinte. Zumindest indirekt griff der im Prozess bislang schweigsame Angeklagte am Mittwoch in das Hauptverfahren ein, indem er seine Pflichtverteidigerin Martha Schwiering erklären ließ, dass ihr Mandant die Identität der Zeugin bezweifele.

Daraufhin kontrollierte die Vorsitzende Richterin pflichtgemäß den Personalausweis der Ex-Freundin des Angeklagten, ließ sie auch noch die Maske abnehmen, um ganz sicher zu sein, und bescheinigte der Zeugin dann, dass sie tatsächlich die geladene Zeugin sei.

Der bis Ende Januar terminierte Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. In der kommenden Woche gibt es drei Verhandlungstage.

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