Landtagswahl 2021 Klimaschutz: Grüne Spitzenkandidatin Anne Spiegel vermisst „klare Linie“ von Christian Baldauf

Trier/Mainz · Grünen-Politikerin äußert Kritik am CDU-Spitzenkandidaten, setzt auf mehr erneuerbare Energien, ein 365-Euro-Ticket für junge Menschen und auf Elektro-Dorfmobile in jeder Verbandsgemeinde von Rheinland-Pfalz.

 Kämpft für Klimaschutz und Mobilitätswende: Anne Spiegel ist Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz.

Kämpft für Klimaschutz und Mobilitätswende: Anne Spiegel ist Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz.

Foto: dpa/Andreas Arnold

In Umfragen stehen sie vor der Landtagswahl am 14. März bei 13 Prozent. Bleibt es dabei, haben sie gute Chancen, auch künftig Teil der Regierung im Land zu sein. Was sie planen, welche Koalition sie vorziehen? Die 40-jährige Spitzenkandidatin Anne Spiegel sprach im digitalen Redaktionsgespräch mit dem Volksfreund über ...

... die Wunschkoalition? Wem geben die Grünen den Schlüssel für die Staatskanzlei in die Hand – SPD oder CDU? Die grüne Spitzenkandidatin gibt sich diplomatisch: „Wir beteiligen uns nicht an irgendwelchen Farbspielchen. Wir wollen in der künftigen Regierung eine starke Stimme für Klimaschutz, Mobilitätswende und soziale Gerechtigkeit sein, führen einen eigenständigen, selbstbewussten, grünen Wahlkampf.“

... den Streit zwischen Bernhard Braun und Christian Baldauf: Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun hatte im Mainzer Landtag gesagt: „Die schlimmste Notlösung für Rheinland-Pfalz wäre ein Ministerpräsident Christian Baldauf.“ Ist das eine grüne Koalitionsabsage an den CDU-Spitzenkandidaten? Anne Spiegel sagt, die Äußerungen seien im inhaltlichen Zusammenhang mit Klimaschutz entstanden. „Wir haben im grünen Wahlprogramm konkrete Konzepte, wie wir der Klimakrise begegnen wollen. Die Grünen wollen die Leistung aus Photovoltaik verdreifachen und aus Windkraft verdoppeln.“ Bei CDU-Mann Baldauf, so ergänzt sie, nehme sie in der Frage „keine klare Linie wahr“. 

... zur Kritik des CDU-Mannes an grüner Verbotspolitik: Im Interview mit unserer Zeitung kritisierte Baldauf wiederum „grüne Verbotspolitik“. Er verwies auf einen Bezirk im Hamburger Norden, wo die Grünen den Bau von Einfamilienhäusern untersagen und monierte die von rheinland-pfälzischen Grünen geforderte Solarpflicht auf Dächern von Neubauten.

Was sagt Anne Spiegel zu der Kritik? Neue Einfamilienhäuser zu verbieten, stehe in Rheinland-Pfalz „überhaupt nicht zur Debatte“, betont sie. Erfolgsversprechender seien Förderanreize, um klimafreundlich und mit Holz zu bauen. Die Solarpflicht auf Dächern von Neubauten verteidigt sie. „Wir haben immer weniger Zeit, die Klimakrise aufzuhalten. Dafür brauchen wir ambitionierte Schritte zum Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Wo es schattig sei, solle natürlich von dem Gebot abgewichen werden. Spiegel stellt klar: „Wir orientieren uns nicht daran, was Herr Baldauf für sinnvoll oder weniger sinnvoll hält“, sagt Spiegel und rät dem CDU-Spitzenkandidaten, sich mal mit Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder zu unterhalten. Der fordere die Solarpflicht auf Dächern von Neubauten nämlich auch. 

... die Mobilitätswende: Koalitionspartner FDP lästert gerne, die Grünen denken Verkehrspolitik aus der Mainzer Neustadt heraus – also aus urbanen, hippen Räumen. Spiegel widerspricht den Liberalen. Mit Jutta Blatzheim-Roegler komme die verkehrspolitische Sprecherin aus dem ländlichen Raum an der Mosel – aus Bernkastel-Kues. „Unsere Konzepte passen für Städte, Umland und die ländlichen Räume.“ Wo die Grünen Busse, Bahnen ausbauen, Schienen reaktivieren, Radwegeausbau – etwa für E-Bike-Fahrer – verdoppeln und das 365-Euro-Ticket für junge Menschen schaffen wollten, profitierten auch Bewohner auf dem Land.

... kostenlosen ÖPNV: Die linke Forderung nach kostenlosem Fahren mit Bus und Bahn teilt Spiegel nicht. „Unser Konzept ist nicht, irgendwas zu fordern, wohlwissend, dass es nicht finanzierbar und umsetzbar ist.“ Bezahlbar sei dagegen ein 365-Euro-Ticket, das die Grünen unter anderem für Schüler, Azubis und Freiwilligendienstleistende vorsehen. Ein von der Grünen-Fraktion in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt: Dieses würde das Land pro Jahr zwischen fünf und 15 Millionen Euro kosten. Das sei ein großer Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit. Immer mehr Parteien – wie SPD und CDU – denken in ihren Programmen inzwischen auch an ein Ticket, mit dem junge Menschen für einen Euro am Tag Bus und Bahn fahren können. Dann brauche man bei etwaigen Koalitionsverhandlungen ja nicht lange darüber sprechen, meint Spiegel und sagt: „Gute Ideen dürfen gerne kopiert werden.“

... mehr Car-Sharing: Jede der 170 Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz soll ein E-Car-Sharing-Angebot haben, nennt Spiegel als Ziel. Das wollten die Grünen gemeinsam mit Kommunen und Anbietern unterstützen. Sie regt an, ein solches Angebot in den ersten drei Jahren mit insgesamt 3,6 Millionen Euro zu fördern. „Wir wissen, dass Menschen in ländlichen Räumen oftmals auf das Auto angewiesen sind und wollen eine Lücke schließen.“ E-Autos, die sich Menschen in Dörfern teilten, könnten Erst- oder Zweitwagen ersetzen und Familien Geld sparen. Die Grüne verweist auf gute Erfahrungen im Rhein-Hunsrück-Kreis und Nutzen für den Klimaschutz: Dort seien im ersten Jahr etwa 200 000 Kilometer emissionsfrei gefahren worden.

... Schule in der Corona-Krise: „Wir muten Kindern in der Pandemie viel zu“, sagt Spiegel. Ihre Erwartungen an die Bildungspolitik: An Kitas und Schulen erwarte sie mehr und regelmäßige Schnelltests. Dafür solle es an Schulen bei der Rückkehr in Präsenzunterricht weniger Leistungsüberprüfungen geben. Es sei sinnvoll, die Zahl von Klassenarbeiten und schriftlichen Tests deutlich zurückzufahren, sagt Spiegel. Der Fokus müsse darauf liegen, die in der Corona-Krise versäumten Lern­inhalte nachzuholen. Das heiße nicht, dass es keine Noten bis zum Ende des Schuljahres geben solle. Es brauche aber deutliche Abstriche bei Leistungsnachweisen und eher bei der Breite des zu behandelnden Lernstoffs als bei der Vermittlung zentraler Kompetenzen, sagte Spiegel. „Es geht darum, Kindern, Eltern und Lehrern den Druck zu nehmen.“

... den Beförderungsskandal in der Landesregierung: Der Beförderungsskandal trifft auch andere Häuser - wie das Wirtschaftsministerium. Hätte Ulrike Höfken als Umweltministerin also zurücktreten müssen? „Das war eine persönliche Entscheidung von Ulrike Höfken“, sagt Anne Spiegel, die das Umweltministerium seit dem 1. Januar führt und mit Ulrich Kleemann einen neuen Staatssekretär hat. Für ihr Haus sagt sie: „Wir haben intensiv Gespräche geführt, Schritte eingeleitet, um die Praxis auf neue Füße zu stellen. Der richtige Weg ist eingeschlagen.“ Jetzt gehe es darum, Krisen bei Corona und Klima anzugehen. Zwei Ministerien, so sagt Spiegel, wolle sie nach dem 18. Mai aber nicht mehr parallel weiterführen. „Das ist eine enorme Arbeitsbelastung.“

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