Interview Bauernpräsident-Kandidaten Marco Weber und Michael Horper im Doppel-Interview
Warum vergeht derzeit kein Tag, an dem nicht irgendwo die Bauern auf die Barrikaden gehen?
WEBER Die Bauern haben Angst um ihre Zukunft, werden von Teilen der Gesellschaft und Politik zu Unrecht als Sündenböcke für die Klimakrise beschimpft und fühlen sich aus der politischen Diskussion ausgeschlossen. Die Vielzahl der diskutierten Themen – die strengere Düngeverordnung, Tierwohl oder das Agrarpaket – haben bei den Landwirten das Fass zum Überlaufen gebracht und treiben sie in Existenznöte. Wir stehen an einem Scheideweg, an dem es eine kraftvolle Interessenvertretung braucht.
HORPER In den letzten Jahren ist viele zusammengekommen: Blauzungenkrankheit, Afrikanische Schweinepest, Düngeverordnung, die Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Gesellschaft, und von der Politik bekommen wir jeden Tag neue Dinge auferlegt. Irgendwann war das Fass dann einfach mal voll und ist übergelaufen. Und jetzt gehen die Bauern auf der Straße.
Das Image der Landwirtschaft gilt als schlecht. Wie wollen Sie das ändern?
WEBER Eine schlagkräftigere Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau ist dringend von Nöten, um die Interessen der Landwirte besser nach außen zu vertreten. Wir brauchen Influencer, die Spots ihrer täglichen Arbeit in den sozialen Netzwerken posten, durch die sich Verbraucher besser mit den Landwirten identifizieren können. Das schafft Vertrauen. Den Verband verstehe ich dabei als Dienstleister, der Schulungen anbietet und Landwirten bei solchen Angeboten unterstützt. Pressemitteilungen auf Facebook mit über 3000 Wörtern helfen uns in der heutigen Zeit nicht weiter.
HORPER Wir müssen noch mehr kommunizieren und den Verbrauchen deutlich machen, dass ohne gute Produkte aus den heimischen Märkten die Ernährung gefährdet ist. Wenn sie zu jeder Jahreszeit inzwischen jedes Produkt bekommen, haben viele Verbraucher gar kein Gespür mehr dafür, wie wertvoll und besonders Nahrungsmittel sind. Ohne Wertschätzung von Nahrungsmitteln werden wir es auch schwer haben, die Bedeutung der Landwirtschaft stärker ins Bewusstsein der Menschen zu rücken.
Die großen Bauernproteste sind aus einer Graswurzelbewegung entstanden. Welche Bedeutung hat der Bauern- und Winzerverband überhaupt noch?
WEBER Der Verband hat unter seiner jetzigen Führung in den vergangenen Jahren viel Entwicklungspotenzial nicht genutzt. Das will ich ändern. Das Versagen ist für mich eins der Motive, warum ich überhaupt als Präsident antrete. Ich nehme die Bewegung „Land schafft Verbindung“ sehr, sehr ernst und habe größten Respekt vor der Masse an Bauern, die sie deutschlandweit auf die Straßen bekommt. Es dürfen aber keine Parallelwelten entstehen. Wir müssen diese Landwirte schnellstmöglich in die Verbandsarbeit einbinden, weil wir alle gemeinsame Interessen haben. Der Bauern- und Winzerverband hat nur dann eine Zukunft, wenn er alle Generation einbezieht und vertritt.
HORPER Wir haben als Verband alle wichtigen Themen bearbeitet. Zuletzt haben auch viele junge Landwirte gemerkt, dass sie sich engagieren müssen, um Einfluss auf politische Entscheidungen zu haben. Die junge Generation kommuniziert halt viele über soziale Medien und kann so auch etwas in Bewegung bringen. Der Bauernverband hat das begleitet und unterstützt, es sind ja überwiegend Mitglieder von uns. Wir uns nur nicht in der Sache nicht auseinanderdividieren lassen. Dann bin ich sicher, dass es auch etwas bewirken wird.
Bauern protestieren gegen Auflagen beim Schutz von Insekten und Gewässern: Was haben Sie gegen Umwelt- und Klimaschutz?
WEBER Gar nichts. Die Landwirte machen schon sehr viel für Umwelt- und Klimaschutz, was in der Öffentlichkeit leider nicht wahrgenommen wird. Die bürokratische Auflagenflut darf so aber nicht mehr weitergehen. Sie bedroht die Existenz vieler Bauern.
HORPER Gar nichts. Im Gegenteil. Gerade wir Bauern treten doch für die Bewahrung der Schöpfung ein. Wir produzieren, was die Gesellschaft von uns erwartet - und das im Wettbewerb mit Südamerika, China oder Nordafrika und zu Preisen, die fast schon unmoralisch sind. Aber natürlich ist auch uns Bauern klar, dass mehr für Umwelt- und Naturschutz gemacht werden muss. Aber man muss uns mit auf die Reise nehmen.
Was macht denn die aus Rheinland-Pfalz stammende Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner falsch?
WEBER Ich schätze Frau Klöckner als Person. Als Ministerin hat sie es aber versäumt, die Landwirte im Vorfeld ihrer politischen Entscheidungen mit einzubeziehen. Sie hat sich in eine Situation manövriert, in der sie die ganze Landwirtschaft gegen sich aufgebracht hat. Die Politik halte ich für fatal. Ich sehe auch die Bauernmilliarde kritisch: Landwirte wollen kein Schweigegeld, mit dem sie sich abspeisen lassen. Sie fordern verlässliche Rahmenbedingungen und faire Preise, um ihre Familienbetriebe zu führen.
HORPER Auch die Politiker sind augenblicklich sehr verunsichert. Vielerorts gibt es Streit zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsexperten. Das ist der falsche Weg. Sie sollten sich zusammensetzen und schauen, dass sie die Landwirte mit auf die Reise nehmen. Was im Moment in Sachen Düngeverordnung geschieht, wird den Strukturwandel noch beschleunigen.
Wie ist das Höfesterben in Rheinland-Pfalz zu stoppen?
WEBER Wir haben eine kleinteiligere landwirtschaftliche Struktur als andere Bundesländer, die wir bewahren wollen. Das Höfesterben können wir stoppen, indem wir die Einkommen der Bauern sichern und Bedingungen so gestalten, dass junge Betriebsnachfolger eine echte Perspektive haben. Es ist auch die Aufgabe eines Bauernpräsidenten, für jeden einzelnen Bauernhof und Winzerbetrieb zu kämpfen.
HORPER Strukturwandel wird es auch in der Landwirtschaft immer geben. Wir können ihn nur verlangsamen, wenn die Bauern für ihre Produkte bessere Preise bekommen und die Wertschätzung steigt. Und wenn der Verbraucher bei steigenden Umweltauflagen weiter Nahrungsmittel aus heimischer Produktion haben möchte, muss auch die finanzielle Unterstützung der Bauern steigen.
Warum wollen Sie jungen Leuten unter den Umständen noch raten, Landwirt zu werden?
WEBER Weil es ein geiler Beruf für Naturburschen und Naturmädels ist. Ich bin auf einem Familienhof in Lissendorf aufgewachsen und hatte schon als Kind Lust auf Landwirtschaft. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, die Arbeit in der Natur, mit Tieren und modernen Maschinen zu verbinden. Auch wenn die Zeiten für die Bauern hart sind: Wenn ich mit meinem Bruder den Hof bewirtschafte, macht mir die Arbeit große Freude.
HORPER Die jungen Leute auf den Höfen tragen in der Regel die landwirtschaftlichen Gene in sich. Die wollen oft den Betrieb übernehmen. Mir tut es weh, wenn Eltern heute aufgrund der äußerst schwierigen Rahmenbedingungen darüber nachdenken, ob es überhaupt noch Sinn macht, dass die nächste Generation den Hof übernimmt. Aber wir wissen, dass ringsherum händeringend Arbeitskräfte von Industrie und Handwerk gesucht und gelockt werden.
Warum sind Sie der bessere Bauernpräsident?
WEBER Weil ich Themen zugespitzter ansprechen kann, das nötige Durchsetzungsvermögen mitbringe und auf ein breites Netzwerk zurückgreifen kann. Ich bin nicht träge.
HORPER Ob ich gut oder besser als andere bin, müssen andere bewerten. Auch mein Großvater und mein Vater waren Landwirte und haben sich für ihren Berufsstand engagiert. Das Engagement wurde mir also sozusagen in den Genen mitgegeben. Ich habe als Präsident immer versucht, den Menschen, unserer Region und dem Berufsstand auch in schwierigen Zeiten weiterzuhelfen.
Was sind denn die größten Unterschiede zwischen Ihnen und Ihrem Mitbewerber?
WEBER Ich denke und handele im Team, habe eine andere Auffassung von Verbandsführung, arbeite schnell und modern. Zwischen Faxgerät und WhatsApp sehe ich einen himmelweiten Unterschied. Ich bin auch offen für neue Wege und möchte Führungsstrukturen entstauben.
HORPER Auch das können andere besser beurteilen. Meine Intention ist es, unseren Berufsstand in die Zukunft zu begleiten und ihn nach vorne zu bringen. Ich werde über meinen Mitbewerber kein kritisches Wort sagen. Das mache ich nicht. Was ich sagen kann: Ich bin fit, habe ein sehr gutes Netzwerk, bin thematisch breit aufgestellt und – wie der gesamte Verband – politisch unabhängig, obwohl ich in der CDU bin. Früher war ich übrigens mal bei den Grünen. Und ich bin kein Poltergeist, sondern sachorientiert.
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