Arbeitszeit Bis der letzte Gast die Bar verlässt

Trier · Zwei Hoteliers in der Region erklären, warum sie dafür sind, dass ihre Mitarbeiter länger arbeiten sollen.

 ARCHIV - Eine Bedienung trägt am 29.10.2013 in Erfurt (Thüringen) in einem Lokal ein Tablett mit Bier.  In Hessen nimmt die Zahl der Gasthäuser, Dorfgaststätten und Kneipen laut Deutschem Hotel- und Gaststättenverband immer weiter ab. (zu dpa «Aderlass auf dem Land: Gaststätten-Sterben nicht aufzuhalten« vom 27.01.2018) Foto: Marc Tirl/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - Eine Bedienung trägt am 29.10.2013 in Erfurt (Thüringen) in einem Lokal ein Tablett mit Bier. In Hessen nimmt die Zahl der Gasthäuser, Dorfgaststätten und Kneipen laut Deutschem Hotel- und Gaststättenverband immer weiter ab. (zu dpa «Aderlass auf dem Land: Gaststätten-Sterben nicht aufzuhalten« vom 27.01.2018) Foto: Marc Tirl/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Marc Tirl

In der Weinbar des Burgblickhotels in Bernkastel-Kues sitzen 20 feierfreudige Rheinländer, die nicht ins Bett gehen wollen. Der Chef des Hotels findet die Truppe sympathisch, er sorgt für Stimmung mit Partymusik. Der Wirt überzeugt den Mitarbeiter hinter der Theke trotz seines Feierabends noch zu bleiben und mitzuhelfen. Es wird eine lange Nacht. Bis zur Morgendämmerung wird in der Weinbar lautstark gefeiert. Möglicherweise habe er damit gleich gegen mehrere behördlichen Auflagen verstoßen, schildert der Betreiber des Burgblickhotels, Ralf Horstmann, kürzlich während der Sitzung der Enquete-Kommission Tourismus im rheinland-pfälzischen Landtag anhand seines Beispiels die Problematik, vor der viele Gastronomen stünden. Indem er den rheinischen Frohnaturen erlaubt habe, bis in die Puppen zu feiern habe er womöglich gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, sich vielleicht der Ruhestörung schuldig gemacht und vielleicht auch gegen die Anforderungen einer ordentlichen Kassenführung verstoßen, weil angesichts der späten Stunde keine Kassenabschluss mehr gemacht worden sei.

Vermutlich hätte ein Behördenvertreter ihm geraten: „Tun Sie sich das nicht an, schicken Sie Ihre Gäste einfach um 22 Uhr ins Bett“, sagte Horstmann bei der Expertenanhörung vor den Parlamentariern. Die Servicebereitschaft und Gastfreundschaft könne unter den Bedingungen einer sich „zuziehenden Schlinge öffentlicher Auflagen nur schwerlich gelingen“, sagte der Hotelier in Mainz. Es sei klar, dass es Situationen gebe, in denen auch ein Mitarbeiter mehr als zehn Stunden arbeiten müsse, „was er nicht darf“, etwa wegen einer Feier.

Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gastronomie (NGG) warnt davor, die derzeit gültige Arbeitszeitregelung von maximal zehn Stunden pro Tag zu kippen. Das Gastgewerbe brauche faire, familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Zwölf-Stunden-Tage, wie sie die Gastwirte und Hoteliers und auch die FDP für die Beschäftigen des Gastgewerbes forderten, seien auch aus gesundheitlicher Sicht nicht machbar, sagt Klaus Schu, Geschäftsführer der NGG in Trier. Auch Robert Lippmann von der Industrie- und Handelskammer Koblenz warnte in der Sitzung der Expertenkommission im Landtag davor die Mitarbeiter der Gastronomie auszubeuten: Wer seine Beschäftigten „fünf Tage die Woche zwölf Stunden schuften“ lasse, werde ihn nicht halten können, sagte der Experte für Standortpolitik. Das Gastgewerbe in Rheinland-Pfalz befinde sich in einer schwierigen Situation, begründet der Tourismusexperte der FDP-Landtagsfraktion Steven Wink die Forderung seiner Fraktion, die Arbeitszeitregelungen für die rund 150 000 Beschäftigten im heinland-pfälzischen Gastgewerbe zu lockern. Indem die Branche als Saisongewerbe anerkannt würde, dürften die Beschäftigten in der Saison längr als zehn Stunden arbeiten und die Überstunden dann später, etwa im Winter, am Stück abbauen Es sei wichtig, Wege zu finden, „die diese wichtige Branche zukunftsfähig machen“, sagt Wink.

NGG-Funktionär Schu sieht dafür gar keine Notwendigkeit. Es gebe bereits jetzt Möglichkeiten, die Mitarbeiter flexibel einzusetzen und die angehäuften Überstunden später abzufeiern. Was ihn am meisten ärgert, ist dass die Arbeitgeber in Form des Hotel- und Gaststättenverbandes ihre Forderung nach einer neuen Arbeitszeitregelung mit den derzeit laufenden Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des Gastgewerbes verknüpften.

Er sei dafür, dass das Gastgewerbe als Saisonbranche eingestuft und die Mitarbeiter dann auch mal zwölf Stunden am Tag arbeiten dürften, sagt ein Hotelier aus dem Kreis Trier-Saarburg. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, weil er, wie er sagt, schon mehrmals gegen das bestehende Arbeitszeitgesetz verstoßen habe – „weil es gar nicht anders geht“. Es sei sehr schwierig, sich an die Arbeitszeiten zu halten, sagt er, Vor allem wenn er Aushilfen beschäftige, die neben ihrem Job sich noch ein paar Euro bei ihm als Bedienung verdienen wollten, stoße er mit den erlaubten zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag schnell an die Grenzen. Im Sommer müsse eben schon mal länger gearbeitet werden, dann könne nicht einfach um 21 Uhr der Biergarten geschlossen werden. „Dann wird das Geld für den Winter verdient“, sagt der Hotelbetreiber, der den Betrieb von seinen Eltern übernommen hat. Auch er beschwert sich, dass den Gastronomen immer mehr Steine in den Weg gelegt werden, nicht nur was die Arbeitszeit betreffe. Die immer strenger werdenden Auflagen und die zunehmende Bürokratie nähmen einen Großteil seiner Arbeitszeit in Anspruch. „Ich sitze von acht Uhr morgens bis 23 Uhr in meinem Büro und bin nur mit Schriftkram beschäftigt“, beschwert er sich.

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