145 Tonnen Stahl schweben über die Kyll

St Thomas · Seit rund 70 Jahren nervt die alte Eisenbahnbrücke die Anwohner in St. Thomas gewaltig. Die stählerne Konstruktion verursachte zu viel Lärm, wenn ein Zug darüber ratterte. Damit ist jetzt Schluss. Seit Montagmorgen gibt es das 145 Tonnen schwere Bauwerk nicht mehr. Der TV war live dabei. Die aufwendige Demontage dauerte zehn Stunden.

St. Thomas. Die Radfahrer und Schaulustigen staunen am Montagmorgen nicht schlecht. Meterhoch über der Kyll, mitten im 300-Einwohner-Ort St. Thomas, schwebt eine Brücke. Der stählerne 145-Tonnen-Koloss hängt am Arm eines riesigen weißen Spezialkrans, der extra aus Düsseldorf nach St. Thomas gebracht wurde. Langsam schwebt die Brücke über den Fluss und wird schließlich auf dem ehemaligen Spielplatz abgelegt, der dafür weichen musste. Doch bis das Stahlkonstrukt sicher an den dicken Drahtseilen und Ketten hängt, vergeht viel Zeit. Erst einmal müssen nämlich die kompletten Gleise von der Brücke entfernt werden. Gegen Mitternacht sprühen in St. Thomas Funken, als die Bauarbeiter mit kreischenden Schleiftrennern die Gleise zerschneiden und sie schließlich mit Baggern und Baufahrzeugen abtransportieren.
Im Morgengrauen gegen halb fünf ist das erledigt. Innerhalb von zwei Stunden wird dann der wuchtige Spezialkran aufgebaut. Er kann bis zu 500 Tonnen Gewicht tragen. Der nächste Schritt ist die Befestigung der dicken Drahtseile und Ketten an der Brücke. Sie werden an vier Positionen in der Mitte der Brücke angebracht.
Bis 8.30 Uhr dauern die Vorbereitungen, dann kann der Kran den Stahlkoloss mit lautem Knacken und Knarren anheben. Doch die Brücke hängt an der Nordseite schief. Wieder runterlassen, heißt es von Seiten der Verantwortlichen. Die Lösung für das Problem: Ein Brückenteil von circa acht Tonnen Gewicht wird abgetrennt. Eine Stunde dauert das. Mit einem lauten Rums kracht es mehrere Meter tief auf den Boden. Der Rest der Brücke kann endlich wieder angehoben werden. Auf dem Spielplatz zerlegt ein Schweißtrupp von acht Leuten die Brücke für den Abtransport in Einzelteile.
Zwar müssen die Anwohner den Baulärm, der durch die neue Brücke entsteht, ertragen. Dafür sind sie das alte Stahlmonster aus den 1940er Jahren los, dass laut Ortsbürgermeister Bernd Heinicke einen Lärm verursacht hat, als würde ein Kampfjet unmittelbar über das Dorf fliegen. Er lebt nur 50 Meter von der Brücke entfernt und konnte jahrelang sein eigenes Wort nicht mehr verstehen, wenn ein Zug vorbeirauschte. Tagtäglich rattern nämlich 60 Züge über die Brücke. Das verursachte einen ohrenbetäubenden Lärm und raubte so manchem Anwohner den Schlaf.
Heinicke: "Da ertrage ich gerne den jetzigen Baulärm, dessen Ende ist wenigstens abzusehen." Tag und Nacht wird bis zum 11. August in St. Thomas gebaggert und gebaut. Dann soll die neue Konstruktion stehen.Extra

Schon im Jahr 2004 hatten sich die Anwohner bei der Bahn über die Eisenbahnbrücke beschwert. Daraufhin wurden zunächst die Schienen nachgeschliffen. 2011 kündigte die Bahn den Neubau für 1,9 Millionen Euro an (der TV berichtete). Die Bahnstrecke bleibt vom 20. Juli bis zum 11. August gesperrt. Während dieser Zeit steigen die Fahrgäste auf Ersatzbusse um. Nächste Schritte: Die alten Brückenköpfe werden abgebrochen, neue Pfeiler werden betoniert. Die neue Brücke kommt per LKW-Schwertransport in zwei Teilen aus Magdeburg. Der Spielplatz wird nach dem Abtransport der Brückenteile wieder begrünt und als Bolzplatz genutzt. Aus Kostengründen sollen die beiden Spielplätze des Dorfes zusammengelegt werden. Mit einer Zahlung der Bahn zur Beseitigung der Bauspuren (5000 Euro) werden neue Geräte angeschafft. MRA

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