15 Minuten Glanz und Gloria

Kyllburg · Vor 100 Jahren, Ende Oktober 1911, war Kaiser Wilhelm II. auf Stippvisite in der Stadt Kyllburg. So weit im Westen der preußischen Rheinprovinz war der letzte deutsche Monarch zuvor noch nie gewesen - dementsprechend enthusiastisch und für damalige Eifeler Verhältnisse geradezu pompös wurde der Monarch empfangen.

 Mit großem Jubel empfangen die Menschen den letzten deutschen Monarchen bei seinem Abstecher in Kyllburg. Zahlreiche Menschen haben sich vor dem Hotel Eifeler Hof in Kyllburg versammelt. Foto: Archiv/Christian Schmidt

Mit großem Jubel empfangen die Menschen den letzten deutschen Monarchen bei seinem Abstecher in Kyllburg. Zahlreiche Menschen haben sich vor dem Hotel Eifeler Hof in Kyllburg versammelt. Foto: Archiv/Christian Schmidt

Kyllburg. Die Überraschung war perfekt: Gerade einmal zehn Tage vor dem hohen Besuch erfahren die Kyllburger Bürger, dass Kaiser Wilhelm II. sich in die Kurstadt begeben möchte. Seine Majestät hat sich beim Bitburger Landrat von Kessler angemeldet, der nun mit fliegenden Rockschößen in das kleine Städtchen eilt, um Bürgermeister Dietz zu informieren. Die Nachricht löst umgehend hektische Betriebsamkeit aus - um nicht zu sagen: Panik.
Denn die Zeit ist knapp. Die vorgesehene kaiserliche Fahrstrecke muss gebührend dekoriert sein, um seiner Majestät den Anblick der ärmlichen Bauernhäuser, die den Weg von Malberg nach Kyllburg säumen, zu ersparen. Ebenso akribisch wie der Hinweg wird die geplante Strecke aus der Stadt hinaus , die über die Hochstraße, Bahnhofstraße, die Brücke und Oberkailerstraße führt, mit Girlanden, Tonnen von Tannengrün, Wappen und Fahnen verkleidet. "Es wurden ausnahmslos die preußischen Farben ,Schwarz-Weiß\' verwendet, was einen ruhigen, äußerst vornehmen Eindruck machte", schreibt am 28. Oktober 1911 der Augenzeuge Heinrich Gueth, "eine Reihe prachtvoller Ehrenpforten waren errichtet. Aber auch die Straßen, die Seine Majestät nicht berührte, entbehrten des Fahnenschmuckes nicht; war es doch ein Ehrentag, ein Kaisertag, für den ganzen Ort. Auch die Kirchtürme, der Burgturm, und die Mariensäule prangten im reichen Flaggenschmuck."
Wilhelm II. kennt den preußischen Westen ein wenig: Zwischen 1877 bis 1879 hat er vier Semester Rechtswissenschaften in Bonn studiert. Doch so weit in die Eifel ist er bislang noch nie vorgestoßen. Doch offensichtlich ist er angenehm überrascht: Er äußert sich mehrmals wohlwollend über das schöne Blumenarrangement im und vor dem Hotel Eifeler Hof - vier Eisenbahnwaggons mit Palmen und Blumen sind durch die Firma Lambert und Söhne aus Trier herangeschafft worden - und das schöne Panorama, das ihn an den Schwarzwald erinnert.
Vielleicht hat er vor der Reise einen Blick in den Brockhaus von 1911 geworfen, in dem es heißt: "Die Eifel ist der nordwestliche Teil des Rheinischen Schiefergebirges, ein raues, unfruchtbares Hochland, reich an tiefen Tälern, erloschenen Vulkanen und Kraterseen." Vielleicht weiß er auch, dass die Hungersnöte der vergangenen Jahrzehnte die Menschen immer wieder heimsuchten - sei es, weil sich Söldnerheere an den Kornkammern der Bauern bedienten, sei es, weil das schlechte Wetter den Bauern die Ernte verdarb - und Tausende zwangen, aus dem "Sibirien des Westens" auszuwandern. Jedenfalls erkundigt er sich beim Landrat fürsorglich, wie die Ernte war und wie viel die Kartoffeln kosten. Draußen jubelt das Volk, drinnen im Hotel nehmen der Kaiser und sein Gefolge den Tee. Fünfzehn Minuten dauert es, dann steigen Wilhelm II., seine Adjutanten, Generäle, der Leibarzt und sämtliche Exzellenzen unter lautem Hurra-Geschrei der Bevölkerung in die Automobile und verschwinden wieder - zurück dorthin, woher sie gekommen sind: nach Bonn, wo der Kaiser Verwandte hat. In Kyllburg herrscht dagegen noch bis tief in die Nacht der Ausnahmezustand - der hohe Besuch wird gebührend gefeiert.
Die Gründe für die Eifelreise des Monarchen, die ihn so nah an die Grenze zum damaligen "Erbfeind" Frankreich führt, bleiben im Dunkeln. Das Nächste, was die Eifeler von "Ihrem Wilhelm" hören, ist der Befehl zur Generalmobilmachung vom 1. August 1914. Der letzte deutsche Kaiser stirbt vor 70 Jahren, angeklagt als Kriegsverbrecher, im niederländischen Exil. Anhänger hat er bis heute - sogar im Internet, im sozialen Netzwerk Facebook, ist er präsent.

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