17 Anschuldigungen, ein Prozess: 62-Jähriger aus dem Islek gesteht in letzter Minute

Prüm · Ein 62-Jähriger ist vom Amtsgericht Prüm zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Kurz vor dem Ende der Beweisaufnahme räumte der Angeklagte eine weitere Tat ein.

Der 62-jährige Mann aus dem Islek, der sich vor dem Amtsgericht Prüm wegen insgesamt 17 Anschuldigungen verantworten muss (der TV berichtete), hat am zweiten Verhandlungstag für Überraschungen gesorgt. Zur Verwunderung des Gerichts räumt er kurz vor dem Abschluss der Beweisaufnahme ein: "Dann gebe ich die Tat halt zu." Sein Anwalt Matthias Kimmlingen blickt erstaunt "Wie? Welche Tat?", fragt er und bekommt zur Antwort: "Na, den Diebstahl, wobei das ganz anders war, als es dargestellt wird." Kimmlingen ist die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. Richter Oliver Emmer lehnt sich - eine gewisse Irritation ist auch ihm anzusehen - zurück und bittet den Angeklagten, konkreter zu werden.

Beweisaufnahme und Geständnis Eine ganze halbe Stunde lang dreht sich zuvor die Beweisaufnahme um "den Diebstahl". Von einer Baustelle in Arzfeld soll der Mann einen modernen Radlader entwendet haben, mit dem Gerät auf seinen Hof gefahren sein und es in seiner Scheune untergestellt haben. Bis zum Geständnis behauptet er vehement, den Radlader mit laufendem Motor auf einer Weggabelung nahe einem Feld gefunden zu haben. Warum er dies nicht bei der Polizei oder beim Baufahrzeugverleiher meldete, erklärt er nicht.
Erst nachdem die Staatsanwaltschaft darauf hinweist, dass der Lader doch mit einem GPS-Sender ausgestattet war und die verleihende Firma ihn so überhaupt auf seinem Hof finden konnte, kommt das Geständnis. Allerdings betont er, das Gerät nur ausprobiert zu haben. "Ich wollte es testen und wieder hinstellen - nicht behalten", sagt er.

Weitere Zeugen Das Geständnis kommt sehr spät - 3,5 Stunden befragte das Gericht bereits weitere Zeugen. Besonders die Befragung einer Nachbarsfamilie zeigt, dass sich manche Anwohner tatsächlich vor dem Mann fürchten. Mehrfach hat er, auch das räumt er später ein, Nachbarn mit seinem Wagen verfolgt. Dass er aber, um zu drohen, die Gabel eines Baufahrzeugs mit Wucht vor der Nachbarin auf den Boden habe knallen lassen, sei sehr übertrieben.
"Ich weiß nicht, wann das alles so eskaliert ist. Ich verstand mich eigentlich immer gut mit ihm, wir waren befreundet", sagt die Wirtin der Dorfgaststätte. Ihr schickte er eines Abends die Polizei und Feuerwehr vorbei: "Ich hatte mich über sie geärgert und wollte ihr eins auswischen." Übel nehme sie ihm das nicht, auch wenn sie sich Frieden im Ort wünsche und er auch zeitweilig Hausverbot im Lokal hatte. "Einvernehmliches Hausverbot - wir einigten uns drauf, dass es besser ist, wenn er eine Zeit nicht zu uns kommt", sagt sie.

Psychologisches Gutachten Laut Ingo Baltes, psychologischer Gutachter aus Wiesbaden, leidet der Beschuldigte unter keinen krankhaften Störungen. Er nehme wegen depressiver Verstimmungen - sie traten nach dem unverschuldeten Verlust seines Arbeitsplatzes auf - Medikamente, die ihn wiederum aber nicht im Urteil und Handeln einschränkten: "Nein, das alles ist nicht krankhaft. Er ist ein Eigenbrötler, ein Einzelgänger und Querkopf." Sicherlich sei er - das Leben habe ihm nicht besonders gut mitgespielt - ein schwieriger Charakter. Er sei intellektuell auf der Höhe, aber eben auch explosiv, mit Ecken und Kanten. "Das alles ist aber eine Spielart des menschlichen Seins, keine Krankheit."

Das Urteil Richter Emmer folgt im Urteil der Staatsanwaltschaft: "Ich sehe den Angeklagten in allen Anklagepunkten schuldig." Emmer schließt sich mit seinem Urteil nicht einer geforderten Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung an, sondern verurteilt den Mann zu einem Jahr und sechs Monaten bei einer Bewährungslaufzeit von drei Jahren. "Der Verurteilte hat keine Einträge im Strafregister, er darf sich nichts, auch wirklich gar nichts mehr zuschulden kommen lassen, sonst muss er in Haft." Ebenfalls verhängt Emmer eine Geldstrafe von 1800 Euro zugunsten der Lebenshilfe Prüm. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.Extra: EIN HINTERTÜRCHEN FÜR EINEN LETZTEN VERSUCH


Das Strafrecht hält die Möglichkeit offen, eine Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Ein Verurteilter bleibt verurteilt, bekommt einen Eintrag im Strafregister, hat aber die Chance zu beweisen, dass eine gute Sozialprognose berechtigt gestellt wurde. Wird er nicht durch eine Straftat auffällig, verfällt die Freiheitsstrafe, allerdings kann auch das kleinste in einer Bewährung begangene Delikt dazu führen, dass der Verurteilte seine Haft doch absitzen muss. Bewährung ist nur bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren möglich.

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