Integration Ämter-Hick-Hack um ein autistisches Kind im Eifelkreis

Rittersdorf/Bitburg · Ein verschwundenes Schreiben, ungeklärte Zuständigkeiten und eine verzweifelte Mutter: Die Kreisverwaltung Bitburg-Prüm hat sich mit einem Antrag auf Eingliederungshilfe für ein autistisches Kind so viel Zeit gelassen, dass das Verfahren für die Familie zum Nervenkrieg wurde. 

 Autistsiche Kinder brauchen spezielle Betreuung, wenn sie Regelschulen besuchen.

Autistsiche Kinder brauchen spezielle Betreuung, wenn sie Regelschulen besuchen.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Tabea ist ein besonderes Kind. Das weiß ihre Mutter schon lange. Als Tabea drei Jahre alt ist, stellen Gutachter fest: Tabea ist Autistin. Sie besucht zunächst eine integrative Kindertagesstätte in Bitburg und seit zwei Wochen die Grundschule Rittersdorf. Dort lernt sie zusammen mit den anderen Kindern. Tabea ist froh an der Schule.  Doch sie kann nicht lernen wie andere Kinder. Sie braucht  — anders als in einer Förderschule —  jemanden, der sie in die Regelschule begleitet. „Das Problem bei autistischen Kindern ist die Reizüberflutung,  weshalb sie dem Unterricht alleine nur schwer folgen können“, sagt eine Expertin. Daher brauche das Kind eine Begleitung, eine Integrationshilfe, die dabei hilft, den Unterrichtsalltag zu organisieren, Arbeitsaufgaben wiederholt, das Kind immer wieder auf den Unterricht fokussiert. Im Fall von Tabea ist das eine Integrationshelferin. Sie kümmert sich halbtags — während des Schulbesuchs — um Tabea und ein weiteres Kind in der Klasse.

Doch bis es soweit war, dass diese Frau als Begleiterin von Tabea feststand und das Kind überhaupt die Grundschule   besuchen konnte, war es ein langer, steiniger Weg für Tabeas Mutter Natalie Löwe. Und er ist noch nicht ganz zu Ende. Denn für die Beantragung der  Integrationshilfe ist die Kreisverwaltung des Eifelkreises in Bitburg zuständig, deren Vorgehen Natalie Löwe mehr als verärgert.

Die Fakten: Die Entscheidung, Tabea in eine Regel- und nicht in eine Förderschule  gehen zu lassen, fällt zu Beginn des Jahres. Ein Gutachten besagt, dass Tabea geeignet ist, eine Regelschule zu besuchen. Doch ehe Natalie Löwe  eine solche findet, vergeht viel Zeit. Denn einige Regelschulen sind  mit dem Anspruch überfordert, ein autistisches Kind in der Klasse zu haben. Schließlich bekommt sie eine Zusage von der Grundschule Rittersdorf.

Noch im April stellt Natalie Löwe den Antrag auf Eingliederungshilfe im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe gemäß Sozialgesetzbuch XII.  Sie  fährt – so ihre Angaben – zur Kreisverwaltung. Beim Jugendamt sagt man ihr, das  Sozialamt sei zuständig. Da das Amt geschlossen ist, wirft  sie den Antrag laut eigenen Angaben in den Briefkasten. Niemand meldet sich. Zwei Wochen später ruft Tabeas Mutter beim Sozialamt an. Auskunft: „Es liegt nichts vor.“

Schließlich wird der Antrag doch gefunden: Er liegt beim Jugendamt. Eingangsdatum laut Auskunft der Kreisverwaltung an Natalie Löwe (gegenüber der Presse will man sich zum Verfahren Löwe aus Datenschutzgründen nicht konkret äußern) ist der 17. Mai. Also fast einen Monat, nachdem Natalie Löwe den Antrag in den Briefkasten geworfen haben will. Doch das Jugendamt erklärt sich für nicht zuständig. Am 28. Mai, das geht aus einem Schreiben der Kreisverwaltung an Natalie Löwe hervor, wird der Antrag erneut an das Sozialamt weitergeleitet. Sie ist genervt: „Dieses Ping-Pong-Spiel kostet Zeit und ist völlig unnötig. Man hat den Eindruck, dass es denen gar nicht um die Kinder geht.“

Unklar bleibt, warum die Kreisverwaltung so lange gebraucht hat, um einen Antrag zu finden und zuzuordnen. Denn bei Tabea steht schon seit dem Gutachten der Förderschule fest, dass sie ausreichend intelligent ist, um dem Unterricht in der Regelschule zu folgen.

Fest steht: Erst einen Monat später folgt eine sozial-medizinische Begutachtung Tabeas, dann eine pädagogische Stellungnahme. Nadine Löwe wird ungeduldig. Noch immer weiß sie nicht, ob ihr Antrag positiv beschieden wurde. Eine Woche vor dem Einschulungstermin ruft  sie beim Sozialamt an.  „Ich bekam die telefonische Zusage, dass der Antrag bewilligt sei. Allerdings nur für drei Monate befristet, danach solle ich dann, so sagte die Mitarbeiterin, einen neuen Antrag stellen“, erzählt sie.

„Das empfinde ich als Frechheit, zumal ja auch noch gar nicht klar war, wer meine Tochter in die Schule begleitet.“ Immerhin: Die Kreisverwaltung räumt in einem Schreiben an die Rittersdorferin ein, „dass die Zuständigkeit in Ihrem Fall schneller hätte geklärt werden können“.

Was nützt es Familie Löwe? Denn eine Integrationshilfe  zu finden, ist gar nicht so leicht. Die Kreisverwaltung in Bitburg arbeitet – im Gegensatz zum Beispiel zu der in Wittlich – nur mit einem Träger zusammen, dem DRK.  Und ebenfalls im Gegensatz zu Wittlich müssen diese Menschen nicht über eine bestimmte  pädagogische Grundqualifikation verfügen. In Wittlich muss diese mindestens der Ausbildung zum Erzieher mit staatlicher Anerkennung entsprechen. Im Eifelkreis genügt neben polizeilichem Führungszeugnis und einem Lebenslauf  laut Auskunft der Pressestelle „der Nachweis von Qualifikationen“. Im Kreis Bernkastel-Wittlich hingegen müssen „Fachkräfte für Schulintegrationshilfen bei den leistungserbringenden Trägern über eine pädagogische Grundqualifikation verfügen, die mindestens der Ausbildung zum Erzieher mit staatlicher Anerkennung entspricht“.

Welche Auswirkungen auf die Bezahlung das hat, ist unklar. Denn sowohl die Kreisverwaltung in Bitburg, als auch die in Wittlich macht auf Anfrage hierzu keine konkreten Angaben, da zu Verträgen mit Trägern keine Auskünfte erteilt werden dürfen. Die Rittersdorferin aber sieht in dem geringen Qualifikationsanspruch und der Deckelung der Vergütung für eine Eingliederungshilfe, die laut Auskunft der Kreisverwaltung darin begründet liegt, dass man an Vorgaben gebunden sei, die vom Rechnungshof überprüft würden, ein weiteres Hindernis. Denn eine von ihr vorgeschlagene Frau, die den Job gerne gemacht hätte, lehnt ihn wegen der aus ihrer Sicht zu schlechten Bezahlung ab.

Immerhin: Noch rechtzeitig vor Schulbeginn hat eine weitere Mutter (dem widerspricht auch das DRK nicht) eine Integrationshelferin gefunden, die neben Tabea ein weiteres Kind in der Klasse betreut.

Ende gut, alles gut? Mitnichten. Zwar hat Natalie Löwe am 14. August (also am  Tag der Einschulung) eine schriftliche Bestätigung, dass ihr Antrag angenommen wurde, bekommen. Allerdings ist die Gewährung einer Integrationshilfe befristet. Bis 31. Oktober. Ein Unding, wie Natalie Löwe findet. Denn schon bald muss sie erneut einen Folgeantrag stellen. Laut Kreisverwaltung ist dieses Verfahren bei allen Erstbewilligungen üblich, „damit alle Beteiligten die Gelegenheit haben zu überprüfen, ob die Leistung die richtige und angemessene ist“. Damit nicht genug: Zugleich mit der Bewilligung der Eingliederungshilfe für die Regelschule bekommt Natalie Löwe am 14. August eine Therapie im Autismus-Zentrum in Trier bewilligt. Ebenfalls befristet auf drei Monate. „Das ist absolut unüblich bei solchen Therapien, denn es ist ja keine maßgebliche Verbesserung oder Verschlechterung oder ein Wegfall des Bedarfs zu erwarten“, sagt ein Experte. Zudem brauche man Vorlauf, um den Therapieablauf zu vereinbaren. „Das ist in so kurzer Zeit schwer möglich.“ Und Therapieabbrüche seien mehr als selten.

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