Archiv September 2018 Jetzt kann die Medicus eG starten

Bitburg/Koblenz · Die Eifeler Ärzte-Genossenschaft hat nach zähem Ringen die Zulassung. Jetzt darf die Medicus eG Mediziner einstellen, die in den Praxen der Mitglieder arbeiten. Und es ist noch mehr geplant.

 Auf dem Land hat es schon längst 5 vor 12 geschlagen: Schon heute gibt es zu wenige Mediziner. Und das Problem wächst von Jahr zu Jahr.

Auf dem Land hat es schon längst 5 vor 12 geschlagen: Schon heute gibt es zu wenige Mediziner. Und das Problem wächst von Jahr zu Jahr.

Foto: Klaus Kimmling

Ihm fällt ein Stein vom Herzen. Zwischendurch hat Michael Jager nicht mehr daran geglaubt, dieses Projekt noch zum Erfolg zu führen. „Aber die Sache“, sagt der Bitburger Allgemeinmediziner, „ist einfach zu wichtig“. Er ist Vorstand der Medicus eG, einer Genossenschaft Eifeler Ärzte. Sie wollen nicht einfach zusehen, dass eine Praxis mangels Nachfolger nach der nächsten schließt.

Die Idee: Als Genossenschaft wollen die Eifeler Ärzte junge Kollegen in ihren Praxen in Voll- oder Teilzeit anstellen. Der Hintergrund: „Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Jager, „viele Kollegen wollen nicht mehr als Landarzt im Rund-um-die-Uhr-Betrieb arbeiten.“ Er ist überzeugt, dass es einfacher wäre, Mediziner für ländliche Regionen zu gewinnen, wenn sie auch dort die Chance auf Teilzeitmodelle im Angestelltenverhältnis und verlässliche Arbeitszeiten hätten.

Genau das will die Medicus eG bieten. Doch bisher waren der Genossenschaft die Hände gebunden. Der Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hatte einen entsprechenden Antrag der Medicus eG im April abgelehnt (der TV berichtete).

Die Begründung: Regressrisiken – die etwa entstehen, wenn ein Arzt zu viele teure Heilmittel oder Massagen verschreibt – seien nicht ausreichend versichert. Dabei haben die Eifeler von Beginn an angekündigt, Regressrisiken über eine Versicherung bei der R+V abzudecken. Für die Kassenärztliche Vereinigung war das nicht genug. Sie bestand auf einer so genannten selbstschuldnerischen Bürgschaft, bei der man im Zweifelsfall mit seinem Privatvermögen haftet. Und auf diesem Standpunkt beharrte die KV. Nicht ohne Folgen.

Ein Aufschrei ging durch die Eifel. Hiesige Politiker setzten sich mit Landrat Joachim Streit an der Spitze für die Idee der Genossenschaft ein. Es wurden vom Bitburger Land bis nach Arzfeld Resolutionen verabschiedet. In Leserbriefen hagelte es Protest gegen die Haltung der KV. Keiner konnte diese Entscheidung angesichts der bereits heute spürbaren Engpässe bei der medizinischen Versorgung auf dem Land verstehen. Und auf einmal bekam die Geschichte Dynamik.

Die Landtagsabgeordneten Michael Billen (CDU) und Nico Steinbach (SPD) brachten das Thema in Mainz auf die Tagesordnung. Schließlich setzte sich die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Beate Bätzing-Lichtenthäler (SPD) für die Medicus eG ein und auf ihren Druck sowie einer Initiative des CDU-Ortsverbands Bitburg landetet das Thema am Ende bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf dem Schreibtisch. Der brachte dann schließlich die Wende, weil er die gleiche Rechtsauffassung wie die Medicus eG vertrat: Es geht auch ohne selbstschuldnerische Bürgschaft. Daraufhin ruderte die KV zurück. Doch eine Zulassung hatten die Eifeler immer noch nicht.

Und die schien diesen Mittwoch in den ersten Stunden vor dem Berufungsausschuss in Koblenz auch noch in weiter Ferne. „Das lief nicht gut“, sagt der Medicus-Vorstand. Der Vorsitzende des Ausschusses, in dem Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenkassen sitzen, habe gleich deutlich gemacht, dass ihn die Meinung von Ministern nicht interessiere, sondern er seine eigenen Entscheidungen treffe. Es müssen wohl deutliche Worte gefallen sein. Ein Ausschussmitglied habe zwischenzeitlich den Verhandlungsraum verlassen. „Mittendrin dachte ich, das hier wird nix“, sagt Jager, „ich hätte vor Ärger platzen können, habe aber die Faust in der Tasche gemacht“.

Erst nach drei Stunden zähen Ringens war klar: Die Medicus eG bekommt die Zulassung. Für den Bitburger Mediziner ist das nach Jahren des Kämpfens ein Meilenstein: „Da ist alle Anspannung von mir abgefallen.“ Nun kann die Genossenschaft endlich loslegen. Zunächst ist es Ziel, Ärzte in den Praxen der Mitglieder einzustellen. Bei entsprechender Resonanz könnte sich die Medicus eG auch vorstellen, eigene Zweigstellen zu gründen.

Und kommen denn die Mediziner? „Zwei Interessenten haben wir schon mal“, sagt Jager. Diese sollen spätestens im November eingestellt werden – einer Vollzeit, der andere Teilzeit. „Und dann müssen wir natürlich weitere Kollegen anwerben“, sagt Jager. Das Ganze werde nicht von Null auf Gleich laufen: „Wir können ja jetzt erst, wo wir die Zulassung haben, anfangen, Werbung zu machen.“ Im Internet (www.medicus-eg.de) ist eine Seite geschaltet, über die sich Mediziner melden können. „Und dann wollen wir in der Region noch mehr Kollegen für unsere Sache gewinnen“, sagt Jager. Auch Informationsschreiben, die an medizinischen Fakultäten verteilt werden, sind angedacht.

 Erleichtert: Michael Jager hat mehr als zwei Jahre für die Idee einer Ärztegenossenschaft gekämpft – und gewonnen.

Erleichtert: Michael Jager hat mehr als zwei Jahre für die Idee einer Ärztegenossenschaft gekämpft – und gewonnen.

Foto: TV/Dagmar Schommer

Dass sich damit nicht auf einen Schlag der Ärztemangel auf dem Land beheben lässt, weiß auch Jager: „Dieses Problem hat viele Ursachen. Aber ein Teil liegt sicher auch an den Arbeitsbedingungen. Und da wollen wir unseren Beitrag leisten, dass die flexibler und damit für junge Kollegen auch attraktiver werden.“ Und wo werden die ersten Medicus-Angestellten eingesetzt? „Immer da, wo die Not am größten ist. Wohl zunächst in Dudeldorf, da hat im August ein Kollegen aufgehört.“

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