Alles dreht sich um Kunst aus Schrott

Eisenbach/Luxemburg · Im luxemburgischen Untereisenbach, direkt an der deutschen Grenze, wird am 30. Juni von 10 bis 18 Uhr erstmals ein Open-Air-Kunstfestival veranstaltet. Weil Inhaber Michel Helftrich Recycling-Künstler ist, dreht sich auch bei dem Festival, zu dem 38 internationale Künstler kommen, alles um die Wiederverwertung von Materialien wie Stoff, Metall oder Plastik.

 Recycling-Künstler Michel Helftrich organisiert am Sonntag in seinem Kultour Deppen in Untereisenbach in Luxemburg das Recup' Art&Nature Art, ein kreatives Open-Air-Fest. TV-Foto: Mandy Radics

Recycling-Künstler Michel Helftrich organisiert am Sonntag in seinem Kultour Deppen in Untereisenbach in Luxemburg das Recup' Art&Nature Art, ein kreatives Open-Air-Fest. TV-Foto: Mandy Radics

Eisenbach/Luxemburg. Der Hof rund um den Holzbau mit den leuchtend türkisblauen Fenstern sieht aus wie ein buntes Abenteuerland. Blumen wachsen in vielen verschiedenen Blech kübeln. Aus einer breiten Baumkrone blitzt ein stattliches Baumhaus hervor. An einem grünen Teich, in dem Goldfische schwimmen, steht ein kunstvoll gefertigter Blechmann, der reglos vor sich hinangelt. Ein Metallfrosch sitzt am Teichrand. Überhaupt fallen die vielen rostig-bunten Metallskulpturen auf, die im Garten verstreut aufgestellt sind.
"Die sind alle aus Schrott gefertigt", erklärt der Besitzer des Anwesens, Michel Helftrich. Der Luxemburger hat die Kunst vor rund 15 Jahren für sich entdeckt und sich alles selbst beigebracht. An sein erstes Kunstwerk erinnert er sich noch genau: "Das war ein Sessel, den ich aus einer Schubkarre gefertigt habe."

Recup\' Art ist: Mit der Kunstform des Recyclings (französisch: Recup\' Art) beschäftigen sich zahlreiche Künstler, die damit oft ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft setzen wollen. Dass daraus Skulpturen, Schmuck oder auch Taschen enstehen können, zeigen 38 Recyclingkünstler beim ersten Open-Air-Kunstfestival "Recup\' Art&Nature Art" (siehe Extra).
Die Idee zum Kultour Deppen: Im normalen Leben ist Helftrich Arbeitserzieher. Er wohnt seit 1986 im 200-Einwohner-Ort Untereisenbach, der zwischen Körperich und Dasburg direkt an der deutschen Grenze liegt. Er stammt aus einer kinderreichen Arbeiterfamilie mit fünf Geschwistern. "Bei uns war immer was los, die Tür war immer offen." Genau das brachte den Künstler auf die Idee eines soziokulturellen Zentrums für jedermann, der Treffpunkt für Gruppen, Vereine und Anwohner sein sollte. Und so kaufte er das Anwesen Um Häregaart 5 in Untereisenbach, auf dem ein 250 Jahre altes Bauernhaus steht, in dem Helftrich wohnt.
1998 entstand dann die Idee für den großen hölzernen Anbau. Kultour Deppen, was übersetzt so viel wie Kulturtopf heißt, sollte das Projekt heißen. "Darin steckt das Wort Kultur, der Fluss Our, an dem der Ort liegt, und Topf, weil hier früher ein Topfmacher gelebt hat", erklärt Helftrich den Begriff.
Mittlerweile ist im Erdgeschoss des Kultour Deppen ein Restaurant entstanden, in dem auch Geburtstage und Hochzeiten gefeiert werden können. Das Kochen übernimmt er selbst; nur eine Halbtagskraft hilft ihm dabei. Im Gewölbekeller sind Mehrzweckräume. Im Zwischengeschoss sind die Kinderspiel ecke, eine Multimediaecke und eine Bibliothek untergebracht. "Dort kann jeder Bücher kostenfrei ausleihen", sagt Helftrich. Im Obergeschoss sollen künftig auch Kunstkurse gehalten werden, doch die Räume sind noch nicht fertig. "Ich habe kein Geld mehr. Das muss nach und nach entstehen." Auf Anfrage veranstaltet Helftrich in seinem kleinen Kunstzentrum Kurse für Recyclingkunst, Pinselmänner bauen oder Brot- und Pizzabacken im alten Holzofen. Alles zu kleinen Selbstkostenpreisen. Gewinn macht er damit keinen.

Die Finanzierung des Projekts:
Ohne seinen Job könnte der nach eigenen Worten idealistische Künstler das alles nicht stemmen. Bis jetzt hat er 450 000 Euro investiert. "Ich habe zehn Jahre daran gearbeitet, ganz viel in Eigenleistung gemacht", sagt Helftrich. 110 000 Euro Zuschuss gab es vom luxemburgischen Ministerium des ländlichen Raums. Den Rest hat er nach und nach selbst und mit Krediten finanziert. "Vielleicht bin ich ein bisschen verrückt. Aber man kann nicht nur von der Gesellschaft nehmen, man muss auch etwas zurückgeben."Extra

Das Open-Air-Kunstfestival "Recup\\' Art&Nature Art" wird am Samstag, 30. Juni, von 10 bis 18 Uhr auf dem Hof des Kultour Deppens, in der Straße und auf dem nahe gelegenenen Parkplatz veranstaltet. Der Eintritt ist frei. Das Besondere: Alle Künstler stellen ihre Werke aus wiederverwertbaren Materialien wie Schrott, Stoffresten, alten Schallplatten, Porzellanscherben oder Plastik und Dosen her. Dabei sind 38 Künstler aus Luxemburg, Frankreich, Belgien und Deutschland. Viele Künstler bieten Workshops an, bei denen Besucher ihrer eigenen Kunstwerke kreieren können. Musik gibt es aus unkonventionellen Instrumenten, die ebenfalls aus Gebrauchsgegenständen gebaut wurden. Das Veranstaltungsbudget von 10 000 Euro wird mit 3500 Euro vom Naturpark Our, 1000 Euro vom Europäischen Informationsnetzwerk Europe direkt und 500 Euro vom Verein Freunde des Ourtals bezuschusst. Den Rest trägt Michel Helftrich selbst.

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