Prozess Alkohol, Emotionen und ein toter Hund

Bitburg · Beschluss des Amtsgerichts: Die Angeklagten, die einen Motorradfahrer nach einem Unfall verletzt haben, müssen 5000 Euro zahlen.

Amtsgericht Bitburg verhängt Geldstrafe
Foto: Friedemann Vetter

Es war eine besondere Situation, die am Vatertag, dem 25. Mai 2017, in der Edinger Straße in Minden eskalierte. Ein kleiner Hund läuft über die Straße, wird von einem Motorrad erfasst und verendet. Ein Gruppe teils alkoholisierte Ausflügler, die vor einem Hotel an der Sauer saß, muss das mitansehen. Einige in der Gruppe attackieren den Motorradfahrer und verletzen den 17-Jährigen schließlich im Lauf des Gerangels.

Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung und gemeinschaftlicher Beihilfe müssen sich die vier Männer und zwei Frauen nun vor dem Amtsgericht Bitburg für ihre Taten verantworten.

Drei der Angeklagten sollen den Motorradfahrer, der auch als Nebenkläger und Zeuge auftritt, mit einem Stock geschlagen und auch drei Mal mit dem Kopf gegen den Rahmen eines Autos gestoßen haben. Der Angeklagte P. , der angibt, während und nach einer Wanderung an diesem Tag Bier und Underberg in großer Menge getrunken zu haben, spricht von Erinnerungslücken. Der Angeklagte S. räumt zumindest ein, nach dem Unfall den Motorradfahrer verfolgt zu haben, ansonsten könne er sich nicht erinnern.

Einzig der Angeklagte M. scheint sein Verhalten zu bedauern. Er räumt ein, den am Boden liegenden Motorradfahrer geschlagen zu haben. Er sei selbst auch ziemlich betrunken gewesen. Als der Unfall mit dem Hund passierte, sei etwas in ihm hochgekommen. Er habe den Hund wiederbeleben wollen, aber vergebens. „Ich bin dann an die Sauer gegangen und in Tränen ausgebrochen“, sagt M. Er entschuldigt sich bei dem mittlerweile 19-Jährigen Motorradfahrer und sagt: „Das war nicht richtig, was wir getan haben.“

Die zur Beihilfe angeklagten Frauen wollen nur hysterisch geschrien haben. Dass sie gerufen hätten: „ Macht ihn fertig!“, bestreiten sie. Die Angeklagte M. habe nach eigener Darstellung dem Motorradfahrer aufgeholfen und vielmehr versucht, die Wogen zu glätten. Das sagt auch der wegen Beihilfe angeklagte L. Er habe dem Motorradfahrer aufgeholfen, nach dem dieser in ein Haus flüchten wollte. Die Besitzerin des Hauses habe dem jungen Mann die Tür vor der Nase zugeschlagen. Der Motorradfahrer stürzte, und L. half ihm auf. Auch will  L.  versucht haben, zu deeskalieren. Er sei selbst nüchtern gewesen und habe gewollt, dass der Motorradfahrer sich bei der Hundebesitzerin entschuldigt. Der Angeklagte kritisiert zudem die anderen Gäste wegen unterlassener Hilfeleistung. Sie hätten vor dem Hotel gesessen und nicht eingegriffen. „Warum haben Sie nicht eingegriffen)“, fragen ihn Staatsanwältin Laura Lorenz und der Rechtsanwalt des Nebenklägers. L. entgegnet: „Ich habe gesagt:  Leute, jetzt ist es gut.“

Richter Christian Scholz schlägt schließlich vor, zur Klärung das Video anzuschauen, das von einer Kamera des Hotels aufgenommen wurde und das den Unfall und einen Teil der Auseinandersetzung zeigt. Dann befragt Scholz den 19-jährigen Nebenkläger nach seiner Sicht der Dinge. Nach dem Unfall sei er selbst geschockt gewesen und habe eine retrograde Amnesie erlitten (das ist eine Gedächtnisstörung nach einem traumatischen Erlebnis, Anm. der Redaktion). Es seien zwei bis drei Leute auf ihn zugekommen und hätten ihn aggressiv angefasst. Als er zu einem Haus geflüchtet und  gestürzt sei, habe man ihn mit einem Stock in den Bauch geschlagen, und auch gegen den Rahmen eines Autos habe man ihn mit dem Kopf gestoßen. Er könne nicht genau sagen, wer ihn geschlagen habe.

An den Zeugen S. könne er sich noch gut  erinnern, der habe eingegriffen und ihm geholfen. Der Zeuge S. wird jedoch nicht mehr in den Zeugenstand gerufen, denn Richter Scholz möchte eine andere Lösung. „Was hatten sie für Verletzungen, wie lange waren Sie im Krankenhaus und wie lange waren sie krankgeschrieben?“, will Scholz noch von dem 19-Jährigen wissen. „Ich hatte eine Gehirnerschütterung, Prellungen, eine Verletzung am Schlüsselbein, und habe psychische Probleme. Ein Freund habe ihn damals ins Krankenhaus gebracht. Er habe aber nicht stationär dort bleiben wollen. Bis zum 10. Juni 2017 war er krankgeschrieben. Noch heute sei er in psychologischer Behandlung.

Der Richter schlägt schließlich vor, den Paragraphen 153 a anzuwenden. „Wir sind hier immer für pragmatische Lösungen“, sagt Scholz. Staatsanwältin Lorenz stimmt dem zu. Sie sieht das als sachgerechte Entscheidung an in dieser besonderen Situation, bei der Emotionen wegen des Hundes und Alkohol im Spiel gewesen seien.

So ergeht schließlich der Beschluss, dass das Verfahren eingestellt wird nach Paragraph 153 a mit der Auflage, dass die Angeklagten einen gemeinschaftlichen Betrag von 5000 Euro an den Nebenkläger zahlen müssen.

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