An verschluckten Fischgräten sterben mehr Menschen als an Rinderwahn

Prüm · 80 Gäste haben an der Jahreshauptversammlung des Geschichtsvereins Prümer Land im Casino der Sparkasse in Prüm teilgenommen. In seinem anschließenden Vortrag hat Gastredner Prof. Dr. Walter Krämer die Übersteigerung von Gefahren zum Thema gemacht, die von Medien und Forschern geschürt wird.

 Walter Krämer.TV-Foto: StephanBrunker

Walter Krämer.TV-Foto: StephanBrunker

Prüm. Die Menschen seien wegen der falschen Gefahren besorgt. Davon ist Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund, überzeugt. Zu diesem Thema sprach er im Rahmen der Hauptversammlung des Geschichtsvereins Prümer Land, stets interessant, mit guten Beispielen und witzig.
Die von Medien geschürte Angst stehe oft in keinem Verhältnis zu der Häufigkeit der entsprechenden Vorkommnisse. So stehe die Berichterstattung in den Medien über 500 an verschluckten Fischgräten verstorbene Menschen in keinem Verhältnis zu der über die durch BSE ausgelöste Creutzfeld-Jakob-Krankheit mit 100 Opfern.
Panik, Angst und Risiko - das waren die Themen des aus Ormont stammenden Statistikprofessors. Das Problem ist die verzerrte Wahrnehmung, sagt Krämer.
Der Referent klärt die Umstände um die angeblich stark gestiegene Krebsrate auf: Je höher der Anteil der Krebstoten, desto höher ist die Lebenserwartung. Denn Krebs sei die "letzte Hoffnung des Sensenmannes" bei Erreichen eines hohen Alters.
Entscheidend für das Angstgefühl seien Fragen nach dem Ursprung der Gefahr - natürlich oder künstlich - oder die persönliche Beeinflussbarkeit. Außerdem erhöht zeitliche Ungewissheit die gefühlte Angst um ein Vielfaches.
Krämer sprach vom "russischen Roulette mit Zeitzünder". 99,99 Prozent der Gifte in Lebensmitteln seien natürlichen Ursprungs. Untersuchungsergebnisse beispielsweise von künstlich hergestellten Himbeeren würden sämtliche Grenzwerte sprengen. Krämer: "Medien brauchen Opfer und Sündenböcke. Und die Natur ist ein ganz schlechter Sündenbock."
Im Endeffekt führe die Angst zu schlimmeren Folgen als die ursprüngliche Gefahr. Es gebe in den USA in Bundesstaaten mit Motorradhelmpflicht mehr Tote als in denen ohne.
Ein anderes Beispiel: Es würden aufgrund der veränderten Schulwege bei Asbestsanierungen deutlich mehr Schüler sterben, als jemals wegen des Asbests gestorben wären. Das gleiche gelte für Malariafälle nach dem DDT-Verbot oder Selbstmorde von Bauern im Zuge des BSE-Skandals. Viele Erkenntnisse seien fehlerhaft. Immer bessere Messmethoden würden zudem immer kleinere Spuren von Substanzen nachweisen.
Der Ormonter ging auf bestimmte Inhaltsstoffe in manchen Kinderjacken ein. Krämer: "Damit ein Kind einen Schaden erleidet, müsste es die Jacke essen." Das Problem sei, dass die Menschen heutzutage keine existenziellen Sorgen mehr hätten und sich deshalb allen Ernstes fragen würden, ob man BSE bekommen kann, wenn man lange genug auf seinem Rindsledersofa sitze.
Mit diesem Fazit schloss der Fachmann aus Ormont seinen Vortrag, nicht ohne auf die Gefahren des Imbisses hinzuweisen, der für die Gäste bereitstand.
stbr
Extra

Volker Blindert, der Vorsitzende des Geschichtsvereins Prümer Land, blickte ins vergangene Jahr zurück. Es gab 23 Veranstaltungen mit 2000 Besuchern. Darunter waren historische Dinner mit Vorträgen, Wanderungen, Reisen nach Ostfriesland, ins rheinische Braunkohlenrevier und den Schwarzwald, ein Mundartabend. Viermal erschien der Prümer Landbote. Der Verein hält die Zahl von 2200 Mitgliedern recht konstant. Der Werner-Blindert-Preises 2012 wurde an Jean-Claude Juncker verliehen. Innerhalb der Vereinsbilanz von knapp 60 000 Euro bildet der Landbote den größten Posten mit etwa 35 000 Euro. Die Rechnungsprüfer Herbert Grewenig und Hans Hoff wurden verabschiedet. stbr

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