Archäologen auf Schatzsuche in der Eifel

Nettersheim · Antike Scherben, Münzen und Schmuckstücke: Bei Nettersheim sind Wissenschaftler und Hobbyarchäologen in den Ruinen einer Römerstadt auf den Spuren der Vergangenheit. Ihre Fundstücke sollen ab 2014 in einem Landschaftspark ausgestellt werden.

 Viel Arbeit haben die Archäologen in Nettersheim: Das Team hat unter anderem einen Krug und eine Bronze-Nadel gefunden. Durch geoelektrische Messungen erhoffen sich die Forscher Hinweise auf weitere Funde. Foto: Manfred Hilgers

Viel Arbeit haben die Archäologen in Nettersheim: Das Team hat unter anderem einen Krug und eine Bronze-Nadel gefunden. Durch geoelektrische Messungen erhoffen sich die Forscher Hinweise auf weitere Funde. Foto: Manfred Hilgers

Nettersheim. Die Sonne brennt. Aber die Archäologen - Profis wie Amateure - buddeln mit Schaufeln und Spitzhacken emsig in der Erde. Auf den Wiesen am Steinrütsch bei Nettersheim (Kreis Euskrichen) wird eifrig gegraben.
Salvatore Ortisi ist wieder mit einem Team angerückt, um den im Erdreich versteckten und 2009 entdeckten Vicus - eine römische Kleinstadt - freizulegen und zu erforschen. Dieses Mal knöpfen sich Ortisi und Mariola Hepa, beide vom archäologischen Institut der Universität Köln, ein sogenanntes Streifenhaus vor. Es war 15 Meter lang und sechs Meter breit, auch Hinterhöfe gehörten einst dazu. Diese werden ebenso wie Teile der Römerstraße Via Agrippa, die von Trier nach Köln führte, unter die Lupe genommen und vermessen.
An einer zweiten Grabungsstelle wird nach einer Abzweigung zur Via Agrippa gesucht. Zudem wird das Gebiet geoelektrisch kartiert. Dabei wird die elektrische Leitfähigkeit im Boden gemessen. Die Archäologen hoffen nun auf Anomalien, die auf weitere Funde hinweisen könnten. Unterstützt werden Ortisi und Hepa nicht nur von Fachleuten und Studenten, sondern auch von Helfern, die am sommerlichen Grabungscamp teilnehmen. Während die Experten zwei Wochen in der Eifel arbeiten, stoßen die Helfer für jeweils drei Tage dazu und erhalten spannende Einblicke in die Arbeit der Archäologen.
2009 wurde durch Magnet-Messungen festgestellt, dass sich ein "Schatz" unter dem Gras befindet. Seitdem graben die Archäologen jeden Sommer. Schon mehrfach haben Laien an den Grabungscamps teilgenommen und die Profis unterstützt. Doch können Laien wirklich helfen? "Aber natürlich!", sagt Ortisi. Wichtig sei, dass die Helfer gut betreut werden und ihnen gerade am Anfang viel erklärt wird - dann könnten sie auch sehr intensiv mithelfen. Diese Helfer kommen Ortisi und Co. gerade recht: Die aktuelle Grabung sei nämlich eine "absolute Low-Budget-Produktion", wie der Grabungsleiter erklärt. Die diesjährigen Arbeiten kosten im Höchstfall 4000 Euro und seien ein Gemeinschaftsprojekt des Archäologischen Instituts der Uni Köln, der Gemeinde Nettersheim und des Landschaftsverbands Rheinland. Daher seien freiwillige Helfer immer willkommen, unterstreicht Hepa.
Gemeinde stellt Bagger



Manchen gefällt die Arbeit so gut, dass sie mehrfach an den Grabungen teilnehmen. Einige sind seit 2009 dabei. So die Archäologiestudentin Marie Heitfeld (24): "Ich war schon bei der Prospektion 2009 dabei und wollte wissen, wie es weitergeht." Zum ersten Mal ist Linda Stein dabei. Die 21-Jährige aus dem Raum Nettersheim studiert ebenfalls Archäologie: "Das ist meine allererste Grabung. Ich wollte auf jeden Fall mal mitmachen. Da ich in der Nähe wohne, bot es sich an." Beide sind begeistert, das im Studium Erlernte nun in der Praxis anwenden zu können. Richtig froh sind sie, dass die Gemeinde auch einen Bagger zur Verfügung stellt. "Der hat echt viel Arbeit abgenommen", so Heitfeld. Während mit dem Bagger die groben Arbeiten erledigt werden, ist für die Menschen dennoch reichlich zu tun. Denn an den eigentlichen Funden wird natürlich nicht mit Baggern gearbeitet, sondern mit Maurerkellen und dem Lieblingswerkzeug der Archäologen: der Spitzkelle.
Auch Karl Reuter, Ortsvorsteher von Nettersheim, hat das "Grabungsfieber" gepackt. Er ist zum ersten Mal dabei und spielt bereits mit dem Gedanken, sich im nächsten Jahr wieder zum Camp anzumelden. Reuter hat auch schon einen Erfolg zu verzeichnen: Er hat eine römische Münze gefunden. Sie zeigt vermutlich Kaiser Konstantin, muss aber noch genau untersucht werden. Leider sind solche Fundstücke eher selten - und behalten darf Reuter seinen Fund auch nicht.
Seine Kollegen haben eine Gewandnadel aus Bronze, eine weitere Münze und einen Krug gefunden. Derartige Entdeckungen motivieren und entschädigen. "Ich hatte zwar nicht mit so viel Piddelskram gerechnet", erklärt Reuter: "Aber wenn man was findet, packt einen das Fieber. Und wann hat man schon einmal die Möglichkeit, bei so etwas mitzumachen?" Die Fundstücke sollen im für 2014 geplanten Archäologischen Landschaftspark ausgestellt werden. In diesem Park sollen, so Ortisi, interessante Stellen sichtbar gemacht werden. Dazu werden durchsichtige Scheiben über der alten Römerstraße oder den Fundamenten des Streifenhauses verlegt, über die die Besucher spazieren können. Die Häuser links und rechts des Streifenhauses sollen teilweise durch große, aufgeschüttete Erdhügel dargestellt werden. Der Aufbau des Landschaftsparks wird zeitgleich mit weiteren Grabungen stattfinden, so dass der Besucher nicht nur Ergebnisse bestaunen kann, sondern auch die Arbeiten.Extra

Die römische Siedlung bei Nettersheim wurde 2009 von Wissenschaftlern der Uni Köln entdeckt. Das Matronenheiligtum (Muttergottheitenkult) war schon lange bekannt. Forscher vermuten, dass der Ort ein kleiner Pilgerort an der Via Agrippa, der Römerstraße von Trier nach Köln, war. Die Gemeinde Nettersheim kaufte das Grundstück und vergab den Forschungsauftrag an die Uni Köln. Die Archäologen machten zunächst Messungen und Probegrabungen - und machten einen "kleinen sensationellen Fund", wie Ortisi berichtet: Man stieß nicht nur auf einen kleinen Pilgerort, sondern eine größere Siedlung aus der Römerzeit, bestehend aus ungefähr 50 Häusern. Noch im selben Jahr wurde ein Suchschnitt angelegt und das Gebiet in den Folgejahren immer weiter erforscht. Es zeigte sich, dass sich der Ort über eine Fläche von zwei bis drei Hektar erstreckte. Die Häuser waren in der Regel alle aus Fachwerk, lang, rechteckig und mit einem Ziegeldach versehen. Die Giebel der Häuser zeigten zur Straße hin. Der Aufbau erinnerte ein wenig an ein typisches schwäbisches Straßendorf. Aufgrund vieler Werkzeugfunde geht man davon aus, dass der Ort vom Handwerk geprägt war. Handwerker versorgten die Bauern in der Umgebung mit Gerätschaften. Weiterhin stellte der Ort die Infrastruktur für die Reisenden auf der Via Agrippa bereit. Neben Restaurants und Gaststätten fanden sich dort viele Herbergen. Doch die Archäologen fanden auch verkohlte Keramikstücke und Münzen mit Brandspuren, die zusammen mit diversen Schriftquellen darauf hinweisen, dass die Siedlung beim Einfall der Germanen im späten dritten Jahrhundert abgebrannt wurde. her

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