Auf den Spuren der Flut

Normalerweise geschehen Katastrophen woanders. Anderen Menschen, weit weg. Normalerweise leben die, die Opfer von Überschwemmungen werden, auch nicht auf der rund 350 Meter über Normalnull gelegenen Hochfläche der Eifel. Doch als es vor einem Jahr Mitte Juli über einigen Orten in der Südeifel zu regnen begann, sollte nichts an diesem Tag normal bleiben.

Dahlem/Sülm/Trimport/Idenheim/Idesheim/Auw/Kordel. "Ich will so etwas nicht noch einmal erleben", sagt Theo Hacken aus Dahlem, einem der Orte, die das Unwetter am 13. Juli 2006 am härtesten traf. Er trägt grüne Gummistiefel und schiebt eine Schubkarre mit frisch geschnittenem Gras die Hauptstraße hinunter. Nichts erinnert auf den ersten Blick daran, was hier vor einem Jahr geschehen ist. Die Straße und der gepflasterte Bürgersteig sind neu. Sanft geschwungen führen sie an gepflegten Häusern vorbei. Doch ein Blick in Theo Hackens ernstes Gesicht verrät, dass das Geschehene seine Spuren hinterlassen hat - nicht nur in Gärten, Kellern und Wohnhäusern, sondern auch in den Menschen.Die Hauptstraße war unüberquerbar

Rund 180 Liter Regen pro Quadratmeter sind damals in wenigen Stunden gefallen - etwas, das statistisch gesehen nur alle 100 Jahre geschieht. An Stellen, wo sonst kein Wasser ist, waren plötzlich Wasserfälle, Bäche, Seen. Kleine Bäche schwollen auf ein Zigfaches ihrer normalen Größe an und rissen alles mit sich, was nicht fest genug verankert war: Bäume, ganze Gärten und in Dahlem auch eine Scheune. Bis zu 1,2 Meter hoch stand das Wasser in einigen Straßen. In Dahlem, Sülm, Trimport, Auw, Idenheim und Idesheim liefen laut Einsatzstatistik der Feuerwehr 63 Keller voll, tatsächlich dürften es weit mehr gewesen sein. Ein großer Teil des Wassers bahnte sich seinen Weg Richtung Kyll, sodass - obwohl vom Regen verschont - auch die Ortsmitte Kordels gegen Mittag einem See glich. Ein Wunder, dass an diesem Tag niemand verletzt wurde.Auch damals trug Theo Hacken Gummistiefel. Als er die abschüssige Straße vor seinem Haus überquerte, lief ihm das Wasser oben hinein. Die Hauptstraße war gar nicht zu überqueren: "Das hätte einem die Beine weggerissen." Immer wieder nimmt Hacken beide Arme zur Hilfe, um zu zeigen, wie hoch das Wasser stand. An der Brücke braucht er das nicht: dort, wo er seine Hände auf das Geländer stützt, um rund zwei Meter tiefer das Bächlein fließen zu sehen, war damals die Wasseroberfläche. Neuer Verkaufsschlager in Bitburg-Land: Sandsäcke

Mit den Nachwehen sind, so die Auskunft der Ortsbürgermeister, auch heute noch viele Menschen beschäftigt - und nicht nur da, wo noch renoviert wird. Ein Sülmer hat Orts- und Verbandsgemeinde vor einigen Wochen auf Schadensersatz verklagt. Trotz eines - aus seiner Sicht mangelhaften - Hochwasserschutzes für das Neubaugebiet, hatte das Wasser seinen Keller geflutet und den Heizöltank zerstört. Die Verhandlung steht noch aus. Sülm hat zudem ein Ingenieurbüro damit beauftragt, herauszufinden, was getan werden könnte, um das Risiko zu mindern. Während die Schäden in Idenheim und Trimport längst beseitigt sind, wartet der Aubach in Idesheim seit einem Jahr darauf, von Holz, Reifen, Teppichen oder umgestürzten Betonpfeilern befreit zu werden. In Kordel soll noch Ende Juli die neue, rund 30 Zentimeter höhere Brücke über den Altbach fertig werden. Die alte Brücke war abgerissen worden, weil sie damals den Abfluss des Wassers behindert hatte. Die Verbandsgemeinde Bitburg-Land erfreut sich unterdessen eines für die Eifel ungewöhnlichen Verkaufsschlagers: Rund 1000 Sandsäcke hat der Bürgerservice seit Juli 2006 verkauft. Dass es am 13. Juli überhaupt so weit kommen konnte, dass sich über einigen Dörfern gewaltige Gewitterwolken entluden, während nur wenige Kilometer weiter die Sonne schien, lag laut Wetterexperten daran, dass es keinen Wind gab. Starr hingen die Wolken, schnurgerade fielen in unendlichen Reihen die schweren Tropfen. "Das war wie eine schwarze Wand", erinnert sich Theo Hacken. Dieses Unwetter hat sich in den Köpfen der Betroffenen festgesetzt. "Und da geht das auch nicht mehr raus", sagt der Dahlemer Zeitzeuge, "und wenn ich hundert Jahre alt werde."

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