Aus dem Gesindebuch eines jungen Mädchens: Als vor gut 100 Jahren Mägde und Knechte noch wie Vieh gehandelt wurden

Steineberg · In sieben Jahren hat sich Christina Thönnes in Büdesheim, auf der Burg Lissingen, in Daun und bei einem Witwer als Magd verdingt: Das alles ist dokumentiert im Gesindebuch dieser Frau, die dem Werben eines Witwers standhielt.

Aus dem Gesindebuch eines jungen Mädchens: Als vor gut 100 Jahren Mägde und Knechte noch wie Vieh gehandelt wurden
Foto: (e_bit )

Steineberg. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag so wie heute, gab es früher kaum. Das gesprochene Wort und der Handschlag galten beim Viehhandel genauso wie bei Verträgen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Damit war der Handel geschlossen, der Vertrag gültig. Jeder Partner hielt sich daran. Nach erfolgreichem Abschluss gab es einen gemeinsamen Trunk in der nächsten Gaststätte, der so genannte Wingkoof (Weinkauf). Traten die Arbeitnehmer dann ihren Dienst an, kannten viele Arbeitgeber noch besondere Aufnahmebräuche.Dorf- geschichten


In Rengen wurde die neue Magd von den Burschen der Nachbarschaft dreimal um den Küchenherd geführt, während die Dorfmädchen den neuen Knecht dreimal um die Geißel (den Peitschenstiel) leiteten, schreibt der Volkskundler Wrede. Weiter führt er aus, dass das Gesinde in der Eifel im Allgemeinen mit zur Familie gehörte. Es aß gemeinsam mit am Tische, wo wohl jeder Hausgenosse seinen genau angewiesenen Platz hatte. Das hört sich familiär an, doch die Wirklichkeit sah oft ganz anders aus.Geplagt von Heimweh


Eine ältere Frau aus Steineberg erinnert sich noch: "Für mich war nicht das wenige Geld das Schlimmste, sondern das Heimweh. Ich war jung und durfte ein Jahr nicht nach Hause. Wenn der Vertrag uns nicht gebunden hätte, wären viele Dienstboten und Gedungene nicht mehr zu ihrer Arbeitsstelle zurückgekehrt. Unsere Arbeitskraft wurde oft ausgenutzt, und ich habe auch mehr als einen Fußtritt bekommen. Von wegen freie Kost. Ich bin nicht immer satt geworden. Und wehe, man wurde außerhalb der Tischzeiten beim Essen erwischt, das galt dann als Diebstahl."
Der Dienst des Gesindes war durch Verordnungen und Gesetze genau geregelt. Polizei, die örtlichen Bürgermeister und Beamte der Verwaltung achteten auf deren Einhaltung. Jeder Arbeitnehmer hatte stets ein eigenes "Gesindebuch" mit sich zu führen, in dem neben den Personalien jede Arbeitsstelle und alle Dienstzeiten genau festgehalten wurden. Christina Thönnes war noch keine 15 Jahre alt, als sie ein halbes Jahr nach ihrer Schulentlassung am 2. Februar 1907 "in Stellung" ging - und zwar als Magd bei dem Bauern Michel Meyer in Büdesheim.
Als Ende ihrer Arbeitszeit wurde im Gesindebuch der 26. Dezember 1909 angegeben. Als "Grund des Dienstaustrittes und ein Dienstabschiedszeugnis" schrieb ihr Dienstherr Meyer: "Inhaberin dieses Buches hat sich während der zwei Jahre, die sie bei mir war, sehr gut geführt."
Den Januar blieb Christina zu Hause und nahm dann wieder eine Arbeit im Februar 1910 an - als Magd bei dem Gutsbesitzer der Burg Lissingen bei Gerolstein. Doch bereits nach zwei Monaten quittierte sie ihre Tätigkeit, da "ihre Eltern sie zu deren Unterstützung nach Hause genommen" hatten.
Im Gegensatz zur ersten Stelle werden "Führung und Fleiß" mit "genügend" bezeichnet. Das war nicht das beste Zeugnis. Man könnte daraus schließen, dass sie wohl Probleme mit dem befehlsgewohnten und strengen Gutsbesitzer hatte.
In der Folge arbeitete sie als Magd vom Februar 1911 bis zum Februar 1913 in Daun bei Nikolaus Manderscheid. Er bescheinigte ihr, dass sie sich "gut ge- führt" habe. Das folgende Jahr war sie im Einsatz beim Witwer Saxler. Sein Zeugnis lautete: "Gehorsam, brav, gut. In den anderen Teilen ziemlich genügend geführt."
Unwillkürlich fragt man sich, in welchen Teilen kann sie denn nur ziemlich genügend gewesen sein? Die Nachkommen der Familie Thönnes nennen die Antwort schmunzelnd. Witwer Saxler hatte sich wohl in das junge Mädchen verliebt. Christina gab seinem Werben und Drängen nicht nach, kündigte ihr Arbeitsverhältnis - und musste sich im Zeugnis eben jene Bemerkung gefallen lassen.Extra

Im Gesindebuch von Christina Thönnes steht über die Magd: "Ihre Statur ist mittel, die Augen sind braun, Nase und Mund gewöhnlich, die Haare dunkelblond. Besondere Merkmale hat sie nicht." avi

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