Justiz Bewährungsstrafe für Ladendieb

Bitburg · Ein Rucksack voller Diebesgut, zwei mutmaßliche Täter, die einiges getrunken hatten, und ein Ladendetektiv, der seine frühere Aussage relativiert: Richter May hat bei der Verhandlung im Amtsgericht Bitburg einiges zu tun, um die Fakten zu ordnen.

 War es nun Körperverletzung oder nicht? Um das herauszufinden, muss Richter Udo May die Zeugen in der Verhandlung im  Amtsgericht Bitburg intensiv befragen. Denn der Fall liegt gar nicht so einfach, wie es zunächst scheint:  Am 2. Juni 2017 soll einer von zwei mutmaßlichen Ladendieben, die in einem Supermarkt in Bitburg gefasst worden sind, den Ladendetektiv getreten und geschlagen haben.

So zumindest steht es in der Anklageschrift, die Staatsanwältin Beatrix Klingler verlesen hat. Der Vorwurf gegen den 27-jährigen Hauptangeklagten lautet: räuberischer Diebstahl und Körperverletzung. Doch war der Angeklagte gewalttätig und hat er den Detektiv verletzt?  Und waren beide gefasste Männer am Diebstahl beteiligt?

Wenig Erhellendes ergibt die Befragung der beiden: Der Hauptangeklagte, der mit Waren im Wert von rund 127 Euro im Rucksack gefasst wurde und  bei einem späteren Atem-Alkohol-Test auf einen Wert von 2,95 Promille kam, kann sich, so beteuert er, nur an wenig erinnern. Er habe mit seinem Freund, einem 23-Jährigen, der wie er aus dem Iran stammt und 2015 nach Deutschland kam, etwa vier Stunden lang „viel Alkohol“ getrunken. Dann seien beide zum Supermarkt gegangen. „Was wollten Sie da?“, fragt Richter May. Er zuckt mit den Schultern. Erinnern könne er sich erst wieder daran, dass der Detektiv ihn am Ausgang neben der Infotheke, den er nutzte, um den Laden unbemerkt zu verlassen, am Arm gepackt habe. „Er hat sich bedroht gefühlt“, erklärt der Dolmetscher, der die Antworten des 27-Jährigen aus dem Persischen ins Deutsche übersetzt.

Sein Freund, bei dem nach der Tat 0,89 Promille Alkohol im Blut gemessen wurden,  kann sich bei der Befragung anscheinend an noch weniger erinnern. Ja, sie beide hätten 30 Biere und vier Flaschen Wodka getrunken und seien danach in den Supermarkt gegangen. „Aber wir wollten keinen Diebstahl begehen“, beteuert er. Seinen Freund habe er im Laden aus den Augen verloren, an der Kasse  eine Flasche Cola bezahlt und den Markt verlassen. Erst später sei er zurückgekehrt und dann verhaftet worden.

Davon bestätigt der Ladendetektiv allerdings nur einiges im Zeugenstand. Er habe beide Männer beobachtet, wie sie in der Drogerie-Abteilung zusammen Waren begutachteten. Der Hauptangeklagte habe den Rucksack getragen, und der andere  Mann habe Waren, die später beim Diebesgut im Rucksack gefunden wurden, in der Hand gehabt.

Er gehe davon aus, dass sie den Diebstahl zusammen begangen hätten, „gesehen habe ich es allerdings nicht“, erklärt er. Später hätten sich die Angeklagten im Laden getrennt.

Er habe den 27-Jährigen an der Infotheke abgepasst. Mit Hilfe des Marktleiters, der das Geschehen ebenfalls in einer Befragung weitgehend bestätigt,  habe er ihn ins Büro bringen wollen. „Aber er wollte nicht, er hat den Rucksack festgehalten und sich gewehrt“, erklärt er. „Hat er Sie getreten und geschlagen?“, fragt May. Denn noch bei der Vernehmung Mitte Juni hatte der Detektiv angegeben, durch Schläge und Tritte in den Bauch und auf den Oberschenkel verletzt worden zu sein. „Nein, er wollte mich nicht schlagen, es gab nur ein Gerangel. Aber dabei hat er mich nicht getroffen. Verletzt hat er mich nicht“, sagt der Zeuge, bestätigt aber, dass der Täter ihn später im Büro beschimpft habe. „Aber ich habe ihm verziehen“, sagt er.  Deshalb und weil er unverletzt blieb, habe er keinen Strafantrag gestellt. Zudem habe der Hauptangeklagte ihm einen Entschuldigungsbrief geschrieben.

Der Vorwurf der Körperverletzung könne also nicht aufrechterhalten werden,  resümiert Richter May. Allerdings gehe  er davon aus, dass beide die Tat geplant hätten. Der Alkohol habe nicht dazu geführt, dass sie unzurechnungsfähig gewesen seien. „Sie hatten nicht genug Geld dabei, um Waren  im Wert von 127 Euro zu zahlen.“ Zudem hätten beide zielgerichtet  Dinge geklaut, unter anderem   After Shave,   Reis und  Deo sowie einige Flaschen Wodka und Doppelkorn.

Mit Alkohol will der Hauptangeklagte, dessen Asylverfahren im Gegensatz zu dem seines Freundes noch läuft, aber künftig nichts mehr zu tun haben. Er sei seit sechs Monaten abstinent, beteuert er, und wolle keine Straftat mehr begehen. Tatsächlich ist er, wie Verteidiger Michael Fingas mit einigen Schreiben belegt, seit Mitte 2017 wegen seiner Sucht in Behandlung. Zudem habe er eine posttraumatische Belastungsstörung mit schwerer Depression, die ebenfalls behandelt werde.

Das alles werten Staatsanwaltschaft, Verteidigung und schließlich auch das Schöffengericht  in seinem Urteil als Hinweis auf eine gute Sozialprognose. Der Hauptangeklagte, der ebenso wie sein Freund keine Vorstrafen hat und einer geregelten Arbeit nachgeht, wird zu einer Freiheitsstrafe von sechs  Monaten und zwei Wochen auf Bewährung (zwei Jahre) verurteilt - wegen versuchter Körperverletzung  und räuberischen Diebstahls in minder schwerem Fall. Allerdings mit der Auflage, seine Alkoholtherapie weiterzuführen.  Die Staatsanwaltschaft hatte acht Monate auf Bewährung beantragt, die Verteidigung sieben Monate auf Bewährung.

Der Mittäter erhält  wegen Diebstahls in minder schwerem Fall eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen  à 20 Euro. Die Urteile sind rechtskräftig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort