Bi(t)- und Tri(tt)polarität

Erinnern Sie sich noch? Es war im Mai vergangenen Jahres. Damals wurde Bitburg in Mainz ausgezeichnet für das Projekt "Bi(t)polarität: Zwei Pole ein Zentrum". Nebenbei gab's dafür 200 000 Euro Preisgeld beim Wettbewerb Werkstatt Innenstadt.

Für alle, die sich nicht erinnern: Kern des ausgezeichneten Konzepts ist, dass man der Ausbreitung des Einzelhandels in Randlagen und einem Qualitätsverlust in der Innenstadt begegnen will, indem die Innenstadt durch Schlüsselprojekte wie Bitburger Erlebniswelt, Post- und Bedaplatz aufgewertet und mit dem Ansiedlungsgebiet für großflächigen Einzelhandel in der Saarstraße verknüpft werden. Die zwei Pole sollen kräftige Impulse setzen. Das klingt gut. Wenn man jedoch mit dem Auto im stockenden Verkehr durch die Trierer Straße kriecht, die die zentrale Achse zwischen den beiden "impulsreichen Polen" ist, dann zweifelt man schon daran, dass diese Verknüpfung gelingen wird, selbst wenn man den Zeitrahmen, den Bürgermeister Streit bis 2010 gesteckt hat, ausschöpft. Denn inzwischen ist die Trierer Straße stadteinwärts zu fast jeder Tageszeit eine Kriechspur. Pläne für eine Lösung dieses und weiterer innerstädtischer Verkehrsprobleme gibt es. Erinnern Sie sich noch? Die Nordumfahrung, auch Nord-Ost-Tangente genannt, wird seit 51 Jahren geplant. Sie ist wiederum die Voraussetzung für eine bereits konzipierte Neuordnung des Innenstadtverkehrs in einem linksdrehenden Cityring, der über Karenweg, Borenweg, Denkmalstraße, Glockenhäuschen, Dauner Straße, Römermauer und der Straße Am Markt führen soll. Da die drei Kilometer Tangente 6,5 Millionen Euro kosten wird und vom Land offenbar mit niedrigster Priorität behandelt wird, dürfte auch der Innenstadtring noch lange auf sich warten lassen - so sinnvoll er angesichts der prognostizierten Steigerung von zurzeit 55 000 auf 68 000 Fahrzeuge im Jahr 2015 auch wäre. Aber ganz abgesehen davon, dass die Verkehrssituation eher schlimmer werden dürfte und eine Verknüpfung der beiden Pole daher ein hehrer Wunsch bleiben könnte, bergen auch die anderen im Zusammenhang mit der Bi(t)polarität genannten Projekte so ihre Tücken. Gut sieht es für die Bitburger Erlebniswelt aus, die der Innenstadt mit Sicherheit einen kräftigen Impuls geben wird. Ein weiterer Impuls wird vom Rautenbergzentrum ausgehen, das ebenfalls schon recht weit gediehen ist. Dumm nur, dass dieses Projekt aus der Bi(t)polarität eine Tri(tt)polarität machen dürfte. Richtig schlimm sieht es auf dem Bedaplatz aus. Dort tut sich nichts: Die Baulücken gähnen vor sich hin und eine städtebauliche Überplanung des Areals - ja es gibt sie tatsächlich - wird bei der Stadt unter Verschluss gehalten, weil man Grundstückseigentümer rund um den Platz nicht unter Druck setzen will. Allerdings scheint kaum etwas dringlicher, als am Bedaplatz nachhaltig Druck zu machen. Denn, wo sollen die Potenziale für die Innenstadt denn liegen, wenn nicht dort und auf dem Postplatz? Ausgerechnet auf diesen beiden Plätzen dürfte jedoch der Tri(tt) aus der Tri(tt)polarität für alle zu spüren sein, die versuchen Investoren für eine Entwicklung der zentralen Areale zu finden. Denn so recht weiß niemand, ob sich neben dem Rautenbergzentrum noch zusätzliche größere Entwicklungsprojekte in der City realisieren lassen werden. Und was ist die Moral von all dieser Erinnerungsarbeit? Pole verknüpfen ist ein sinnvolles Ziel, man muss daher mit mehr Nachdruck an der Entwicklung der verkehrstechnischen Voraussetzungen arbeiten. Zugleich muss man allerdings die Menge der Pole in Grenzen halten, der dritte am Rautenberg entstehende muss der letzte sein, wenn überhaupt noch eine Verknüpfung machbar sein soll. Und schließlich muss die Stadt alles tun, um endlich Bewegung am Bedaplatz zu erzeugen: Auch wenn man dafür Grundstückseignern auf die Füße treten muss. Nur wenn dies geschieht, war der Preis beim Wettbewerb Werkstatt Innenstadt gerechtfertigt. S Das Nachrichtengeschäft ist schnelllebig, die Lage verändert sich täglich - weltweit und regional. Und doch gibt es manches, das einer Weitung des Blickfelds und einer Betrachtung über den Tag hinaus bedarf. Genau das will Reporterchef Lars Oliver Ross mit der neuen Kolumne "Klartext" ab sofort immer samstags liefern.

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