Binsfelderin untersucht die Wirkung der Base

BINSFELD. Wenn es um die Base geht, blenden die Binsfelder das Militärische regelrecht aus. Dies ist ein Ergebnis der Doktorarbeit mit dem Titel "Binsfeld und die Base" von Martina Schommer.

Bereits im Kindergartenalter interessierte sich Martina Schommer für die Amerikaner vor der Haustür. Sie hatte eine amerikanische Freundin und war neugierig auf deren anderes Leben mit anderer Sprache und anderem Spielzeug. In der Schule erstellte die heute 29-Jährige eine Feldstudie zu der Frage "Was bekommen die Amerikaner von Deutschland mit?" Die Antwort lautete "wenig", doch das schreckte die Binsfelderin nicht ab. In ihrem Studium der Kulturanthropologie in Mainz fragte sie sich immer, warum das Bild von der armen Eifel nicht zu Binsfeld passte. Schließlich entschied sie sich zur Doktorarbeit "Binsfeld und die Base - Eine Gemeindestudie über den Alltag mit Amerikanern".Binsfeld-Studie: Neuland in der Wissenschaft

Mit diesem Ansatz betrat Martina Schommer Neuland. "Es gab Wirtschaftsstudien, geografische und ethnologische Untersuchungen zu den amerikanischen Militärstützpunkten, aber es gab noch nichts zum Zusammenleben von Deutschen und Amerikanern", sagt sie. Bewusst wählte sie 20 Binsfelder aus, die sie rund um Base und Amerikaner befragte. Diese Menschen gehörten ganz verschiedenen Kategorien an: Die einen arbeiteten auf der Base, die anderen hatten nichts mit Amerikanern zu tun, die einen sahen die Base-Erweiterung positiv, die anderen negativ. Die Interviews ergänzte Schommer durch eigene Beobachtungen, außerdem wertete sie Archive und statistische Daten aus. Heraus kam ein 372 Seiten starkes Werk. Einige der Ergebnisse erstaunten die Wissenschaftlerin, beispielsweise die Antworten auf die Frage, wie die Menschen die Base sehen. Schommer: "Ich fand es interessant, wie wenig das Militärische von den Leuten wahrgenommen wird, es wird fast ausgeblendet." Selbst ein Amerikaner in Uniform sei nicht in erster Linie Soldat, sondern "Ami". Die Base sei für die meisten der Befragten, obwohl ständig Kampfjets über sie hinwegdonnerten, zuallererst eine andere Welt und nur in zweiter Linie Stützpunkt. Zu Begegnungen zwischen Deutschen und Amerikanern kommt es laut Schommer vor allem durch Mietverhältnisse oder durch Nachbarschaft, zwischengeschlechtliche Kontakte bahnten sich häufig in der Disco Kajüte an. Was deutsch-amerikanische Ehen angeht, hat sich einiges geändert. Zwar gibt es sie um die Base herum immer noch häufiger als anderswo, doch, so stellte Schommer fest, in den 1950ern waren diese Verbindungen häufiger. Schommers Erklärung: "Viele Männer waren im Krieg gefallen, und die Amerikaner waren finanziell gut ausgestattet. Zudem wurde die Amerikanisierung damals sehr positiv bewertet." Worüber sich Martina Schommer auch wunderte, war die Tatsache, dass für die Befragten die eigene nationale Identifikation, trotz der Konfrontation mit der amerikanischen Lebensweise, in den Interviews keine so große Rolle spielte. Als eine erstaunliche Leistung sieht sie es an, dass die lokale Identifikation sich zwar änderte, aber bestehen blieb. Schommer: "Die Menschen identifizieren sich alle mit Binsfeld, aber weniger mit den Leuten dort, als vielmehr mit dem Ort an sich, der eine gute Infrastruktur hat." Durch die Amerikaner sei Binsfeld wohlhabender als andere Orte gewesen. Modernisierung, Individualisierung und Amerikanisierung seien dadurch beschleunigt worden. Dies habe dazu geführt, dass Vereine weniger Mitglieder hätten und Feste weniger besucht würden. Schommer: "Doch das hat das ‚Wir' der Binsfelder nicht zerbrechen lassen." Wer die Doktorarbeit, die mit "cum laude" beurteilt wurde, selbst lesen will, muss voraussichtlich bis Ende des Jahres warten. Dann soll sie gedruckt sein. Martina Schommer versichert: "Ich habe versucht, einfach zu schreiben. Auch wenn es eine wissenschaftliche Arbeit ist, so habe ich in erster Linie für die Leute vor Ort geschrieben." Schommer hat auch nicht promoviert, um in der Wissenschaft zu bleiben. Zurzeit arbeitet sie bei ZDF-online in Mainz - und regelmäßig kommt sie nach Binsfeld zurück, dorthin, wo die Amerikaner so selbstverständlich zum Alltag gehören.

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