Umwelt Nach dem Sturm ist vor dem Sturm

Bitburg-Stahl · Bei den vergangen Unwettern sind die Stahler glimpflich davon gekommen. Die Einwohner des Bitburger Stadtteils beschäftigen sich jetzt trotzdem mit dem Schutz vor Hochwassern. Die könnten in Zukunft nämlich immer häufiger auftreten, warnen Experten.

 Ein Ort versinkt im Fluss: Die kleine Nims ist auf diesem Foto des Ortsvorstehers breit wie der Rhein.

Ein Ort versinkt im Fluss: Die kleine Nims ist auf diesem Foto des Ortsvorstehers breit wie der Rhein.

Foto: Willi Heyen

Meterhoch spült braune Brühe durch Stahl. Die Nims ist übers Ufer getreten. Beide Brücken sind von den Fluten bedeckt. Die Keller laufen voll, bald auch die Häuser und Scheunen. Schweine schwimmen im Stall, auch den Kühen steht das Wasser bis zum Hals.

So erinnert sich Willi Heyen an das wohl schlimmste Hochwasser, das die Stahler je erlebt haben. Das sei am ersten Mai 1959 durch den Bitburger Stadtteil gespült, sagt der Ortsvorsteher. Es liegt also fast 60 Jahre zurück. Doch auch danach kommt es immer wieder zu Überschwemmungen. Zwischen 1993 und 2003 werden die Messwerte für ein sogenanntes zehn-jähriges-Hochwasser viermal überschritten. Das heißt: Ein Ereignis, das durchschnittlich nur einmal in zehn Jahren vorkommt, ist in zehn Jahren viermal vorgekommen. Und auch im Sommer 2016 hat die Feuerwehr Sandsäcke verteilt.

Ein Grund dafür ist die Lage des Ortsteils. Denn die Häuser sind im wahrsten Sinne des Wortes zu nah am Wasser gebaut. Dass der Pegel der Nims bei Unwettern so stark ansteigt, liegt aber auch am ehemaligen US-Stützpunkt im Bedhard. Noch immer sind Flächen im Wald westlich von Stahl mit Beton versiegelt. Bei einem Wolkenbruch kann das Wasser dort also nicht versickern. Stattdessen läuft es talabwärts, Richtung Nims. Wenn der Fluss dann sein Bett verlässt, sind etwa 80 Stahler betroffen. Einer von ihnen  ist Guido Prinz.

Er lebt mit seiner Familie in der Nähe der Heyensmühle, direkt am Ufer. Nach Stürmen stand bei ihm das Wasser im Hof, erzählt er. Deshalb hat Prinz sein Grundstück mit einer Mauer gesichert. Bisher habe das gereicht. Prinz hat vorgesorgt, denn wie viele Stahler ist er mit der Situation groß geworden.

Das Problem im Bitburger Ortsteil ist seit Jahren bekannt. 2015 hat der Gemeinderat die Erarbeitung eines Hochwasserschutzkonzeptes beschlossen (der TV berichtete). Jetzt wurden die Einwohner zu einer Auftaktveranstaltung ins Dorfgemeinschaftshaus eingeladen. Warum drei Jahre lang nichts passiert ist? „Wir wollten erst mal das Dorfentwicklungskonzept abwarten“, sagt Heyen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Hochwasser immer nur dann ins Bewusstsein rückt, wenn es eine akute Gefahr darstellt? Das sei wissenschaftlich belegt, sagt Chrisoph Kinsinger. Er sagt aber auch: „Überschwemmungen können uns jederzeit treffen.“  Also sei es besser dafür gerüstet zu sein.

Etwa 30 Stahler sehen das genauso. Deshalb sind sie an diesem Abend ins Dorfgemeinschaftshaus gekommen statt die trügerische Ruhe nach den Stürmen „Burglind“ und „Friederike“ zu genießen. Zu hören gibt es Vorträge von Experten und Rettungskräften. Das Fazit der Fachleute ist ernüchternd. Kein noch so großes Auffangbecken, keine noch so hohe Mauer bieten einen hundertprozentigen Schutz vor den Fluten. Wegen des Klimawandels sei außerdem damit zu rechnen, dass Starkregen und damit auch Hochwasser in Zukunft häufiger auftreten. „Die Schäden können nicht verhindert werden, nur abgemildert“, erklärt  Kinsinger. Aber Abmildern ist ja auch schon mal was.

Im Frühjahr soll es deshalb zwei Werkstätten geben bei denen sich die Bürger ein Konzept überlegen sollen, das die Nims von den Häusern  fernhält. Helfen wird ihnen dabei ein Bitburger Ingenieurbüro. Die Lösungen, die bei den Gesprächsrunden herauskommen, werden keine Millionen kosten, prognostiziert Willi Heyen. Deiche und große Mauern sind nicht in Planung. Es gehe eher darum Schwachstellen zu finden und die Bürger zu sensibilisieren. „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen“, sagt Heyen. Das sei auch die Voraussetzung für Fördermittel von der oberen Wasserbehörde SGD-Nord.

Den gleichen Weg ist der Bitburger Ortsteil Erdorf gegangen (der TV berichtete). Bald wollen ihm auch Gemeinden im Bitburger Land folgen. Das teilt ein Mitarbeiter der Verbandsgemeinde auf TV-Anfrage mit. Alle 72 Orte wollen sich nach und nach auf Hochwasser vorbereiten. Das werde zwischen drei und vier Jahren dauern und pro Gemeinde zwischen 10 000 und 12 000 Euro kosten.  Zunächst sind die Dörfer an der Reihe, die in den vergangenen Jahren Schäden zu verzeichnen hatten, also: Wettlingen, Bettingen, Oberweis, Brecht, Wißmannsdorf, Wiersdorf, Biersdorf am See, Hamm und Echtershausen.

Wer bei den Workshops zum  „Hochwasserschutz in Stahl“ mitwirken will, kann sich unter E-Mail: willi.heyen@t-online.de beim Ortsvorsteher anmelden.

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