Bitburger Innenstadtring steht vor dem Aus

Bitburg · War es das jetzt doch mit dem Innenstadtring? Bürgermeister Joachim Kandels hat angekündigt, dem Stadtrat in der kommenden Sitzung vorzuschlagen, dass die Testphase beendet und der Ring zurückgebaut werden soll. Entscheidet der Rat nach dem Vorschlag des Bürgermeisters, käme man damit einem Bürgerentscheid zuvor. Mit diesem Entschluss gibt auch Ring-Befürworter Kandels dem Projekt keine Chance mehr.

 Wenn der Ring weg ist, hat das Navi wieder Recht und man kann in Bitburg links abbiegen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wenn der Ring weg ist, hat das Navi wieder Recht und man kann in Bitburg links abbiegen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Bitburg. Er als Bürgermeister könne der Situation nicht mehr länger zusehen, sagt Joachim Kandels. Er kennt die "vielen Fakten, die gegen den Innenstadtring sprechen". Aber was er vor allem meint, ist "die fehlende Akzeptanz in der Bürgerschaft: Die Menschen sagen es in Gesprächen, sie sagen es in Briefen." Die Situation spitze sich zu, der Ring überschatte alles: "Ich sehe den inneren Frieden in der Stadt gefährdet." Und nun sei die Erkenntnis in ihm gereift, "dass eine Entscheidung möglichst rasch getroffen werden muss".
Die Worte des Bürgermeisters: Sie dürften der Anfang vom Ende des Rings sein. Joachim Kandels hat gestern im Gespräch mit dem TV angekündigt: "Ich schlage dem Stadtrat vor, die Testphase zu beenden." Die Ratsmitglieder kommen am Donnerstag, 29. Januar, zusammen. Dann könnte der Rückbau des Rings zum endgültigen Beschluss werden - offenbar steht jetzt auch die CDU hinter dem Stadtchef (siehe Extra). Der Zeitpunkt, den Kandels dafür im Blick hat: die Osterferien. An der Richtigkeit des Versuchs lässt er keinen Zweifel: "Es war wichtig, dass wir das gemacht haben. Aber man kann es den Leuten nicht aufzwingen." Die Ablehnung bei den Bürgern - einer von vielen Gründen, die den Stadtchef zu dem Schritt bewogen haben.
Unfälle: Die haben sich seit der Einführung des Einbahnstraßenverkehrs von im Schnitt 60 auf 120 im Jahr verdoppelt - und die Ansage vom Landesbetrieb Mobilität (LBM) Gerolstein war deutlich: Entweder gelingt es, die Zahl der Unfälle zu reduzieren, oder es ist Schluss (der TV berichtete). "Und dieses Ziel wird kaum erreichbar sein", sagt Kandels.
Geschäfte: Bitburgs Geschäftsleute klagen über Umsatzeinbußen. Dass das nun allein am Ring liege, will Kandels nicht glauben: "Dafür kann es viele Gründe geben." Dennoch seien auch das Fakten, die er zur Kenntnis nehmen müsse. Vor allem wolle er nicht, dass es heiße, die Stadt drehe den Geschäften mit dem linksdrehenden Verkehr den Hahn zu.
Bürger: Seit ein paar Wochen liegen in den Läden der Innenstadt Unterschriftenlisten aus - Sigrid Steffen, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, teilt gestern mit: "Wir sind jetzt bei mehr als 1000." Nah dran also an den nötigen 1100 Unterschriften. Das Bürgerbegehren wertet Kandels als einen "Ausdruck der Unzufriedenheit". Er sagt: "Einen Bürgerentscheid will ich verhindern." Denn der würde die Stadt in weitere turbulente Diskussionen stürzen. Selbst wenn genug Unterschriften zusammenkämen: Auch die Aktion sei an Fristen gebunden, eine Entscheidung würde frühestens zum Mai hin fallen und "so lange will ich gar nicht mehr warten".
Wie geht es weiter? Sollte der Rat die Testphase beenden, müsse man darüber beraten, ob der Ring schrittweise oder gleich ganz zurückgebaut werden solle, sagt Kandels. Ein Rückbau kostet nach grober Kalkulation 40 000 Euro - in den Ring investiert wurden rund 80 000 Euro. Doch der Rückbau löse die Probleme auch nicht, und in Sachen Verkehrskonzept müsse etwas passieren: "Aber das ist eine Frage, auf die wir in Zukunft noch eine Antwort finden müssen." Und auch da zieht Kandels ein Fazit: "Dass der Sturm der Entrüstung so schlimm ist, hätte ich nicht erwartet. Vielleicht müssen wir bei größeren Entscheidungen künftig einfach anders rangehen."Meinung

Ohne den Bürger läuft es nicht rund
Bis heute lief der Innenstadtring offiziell stets unter "Testphase" - und so, wie die Dinge stehen, wird er das wohl auch bleiben: ein Versuch, und zwar ein gescheiterter. Ob das Konzept an sich nun etwas taugte oder nicht, sei einmal dahingestellt. Die Bitburger konnten damit jedenfalls nichts anfangen. Und nach etlichen emotionsbeladenen Diskussionen, die auf ein Bürgerbegehren zusteuerten, hat jetzt der Bürgermeister eingegriffen: Spät kommt die Einsicht, dass eine neue Verkehrsregelung nur mit den Menschen funktioniert, die sich tagtäglich auf den Straßen der Stadt bewegen müssen. Und das muss auch die Konsequenz für alle künftigen Versuche sein. e.blaedel@volksfreund.deExtra

Stephan Garçon (SPD): "Wir begrüßen das. Ärgerlich bleibt: Wir hätten gern gewusst, was dieser Schildbürgerstreich tatsächlich gekostet hat, dazu gehört nicht nur der Um- und Rückbau, sondern auch die Blech-, Umsatz- und Imageschäden - darüber ist noch zu diskutieren, auch dafür muss Verantwortung übernommen werden. Die vielen Unterschriften zeigen: Das ist gegen das Interesse der Bürger gelaufen. Aber die Rückkehr zum alten Zustand ist auch nicht die optimale Lösung. Wir müssen weiter an einem Verkehrskonzept für die Innenstadt arbeiten." Peter Berger (Grüne): "Wir waren von Anfang an sehr skeptisch, das war alles unausgegoren. Aber der wichtigste Punkt: Die Bürgerschaft ist nicht mitgenommen worden. Ohne Bürgerbeteiligung geht das nicht. Bei künftigen Projekten müssen wir die großschreiben. Wir wollen den Rückbau, dann sehen wir weiter. Der Ärger in der Stadt ist rießengroß, da muss jetzt einfach erstmal Ruhe einkehren." Edgar Bujara, Vorsitzender des Gewerbevereins: "Fakt ist: Der Ring war, mit dem Verkehrsaufkommen in der Stadt, die nötige Konsequenz. Aber die Bürger haben ihn nicht akzeptiert - insofern halte ich die Entscheidung des Bürgermeisters für richtig. Ich hoffe, dass die, die sich so sehr gegen den Ring gewehrt haben, sich jetzt auch mit derselben Kraft dafür einsetzen, Alternativen zu finden. Das Thema ist noch lange nicht mit dem Rückbau erledigt." Michael Ludwig (CDU): "Ich bedaure, dass eine zukunftsträchtige Lösung keine Akzeptanz gefunden hat. Ich bedaure, dass sich die Unfallzahlen nicht so reduziert haben, wie es zu erwarten gewesen wäre. Das Konzept hat funktioniert: Verkehrs- und die Umweltbelastung haben sich verbessert. Aber die Aussage vom LBM in Verbindung mit der Ablehnung bei den Bürgern führt dazu, dass man schauen muss, was man jetzt macht. Ich gehe davon aus, dass der Vorschlag angenommen wird. Ich hoffe, dass wir das nicht in zehn Jahren bereuen werden."eib

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