"Blindflug" nach Trier

Unfälle sind auf der B 51 leider keine Seltenheit. Eine Frau aus Rittersdorf fuhr die Strecke nach Trier aus gesundheitlichen Gründen nun fast im Blindflug.

Rittersdorf/Trier. Knapp 35 Kilometer sind es von Rittersdorf zum Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier. Ein Großteil der Strecke führt über die viel befahrene B 51, wo sich fast täglich Autos gefährlich nahe kommen. Unfälle sind leider keine Seltenheit, und dass es Brigitte Erdel (Name von der Redaktion geändert) Anfang Januar nicht erwischte, grenzt an ein Wunder. Sowohl Brigitte als auch ihr Mann Willi (57) litten beide über die Feiertage an einer höchst ansteckenden Augenentzündung. Während Willi, gar nichts sieht, ist bei Brigitte ein Auge komplett zu, das andere lässt sich kaum öffnen. "Alles war geschwollen und vereitert, ich habe fast nichts gesehen", sagt die 56-Jährige.

Einen Tag nach Neujahr werden die Schmerzen zu stark. Der Hausarzt überweist nach Trier. "Das Brüder-Krankenhaus sagte uns am Telefon, dass man uns dort einen Taxi-Schein ausstellen könne. An eine Fahrt mit dem Bus war wegen der hohen Ansteckungsgefahr nicht zu denken", schildert Brigitte Erdel. Sie hatte sich zuvor auch bei ihrer Krankenkasse, der AOK, über eine mögliche Kostener-stattung informiert. "Dort erklärte uns ein Mitarbeiter, dass die Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen werden können." Da das Krankenhaus jedoch einen Taxi-Schein zugesichert hatte, bestellten die Erdels einen Wagen. Doch die Fahrt war nach 50 Metern beendet. "Die Fahrerin fragte uns, ob wir eine Bescheinigung der Krankenkasse dabei hätten - was ja aber nicht der Fall war", sagt Brigitte Erdel. In einem zehnminütigen Telefonat mit der AOK erhielt auch die Taxi-Fahrerin die gleiche Antwort wie Brigitte Erdel zuvor: "Wir zahlen nicht." "Das Ehepaar war froh, dass ich diese Information im Vorfeld eingeholt habe, und ist aus freien Stücken wieder ausgestiegen. Mit diesem Schein des Krankenhauses hätte ich nichts anfangen können und wäre auf meinen Kosten sitzen geblieben", sagt Taxi-Unternehmerin Monika Maas. Brigitte Erdel fasste dann den Entschluss, selber zu fahren. "Hin habe ich dank Schmerzmitteln noch irgendwie überstanden, die Rückfahrt war der Horror. Ich habe im Dunklen die entgegenkommenden Autos wie glitzernde Weihnachtsbäume wahrgenommen. Gesehen habe ich kaum noch etwas", sagt sie. Irgendwann sei sie panisch auf Feldwege ausgewichen.

Im Falle eines Unfalls hätte sich Erdel strafrechtlich wegen Straßenverkehrsgefährdung und schlimmstenfalls fahrlässiger Körperverletzung bzw. Tötung verantworten müssen. Bei der Auto-Versicherung hätte es wohl einen Leistungsausschluss und Regress in der Haftpflicht gegeben. Hans-Peter Loch, Sprecher des Brüder-Krankenhauses, sieht die Schuld beim Taxi-Unternehmen. "Das hätte die beiden transportieren müssen. Das Geld hätte es sehr wohl zurück gegeben."

Die AOK räumt ein, dass "dies sicherlich für alle eine unbefriedigende Geschichte" war. "Aber so sind eben die Gesetze, da können wir leider nichts dran ändern."

Meinung

Von Manuel Kölker

Probleme werden sich häufen

Sicherlich war sich die Augen-Patientin der Gefahr bewusst, in die sie sich und andere gebracht hat. Doch für sie erschien dies als einziger Ausweg, um nach Trier zu kommen. Denn als Folge der Gesundheitsreformen blieb ihr eine kostenlose Fahrt zum Arzt verwährt. Und nicht jeder hat das Geld, um ein Taxi für lange Distanzen zu bezahlen. Die Probleme werden sich häufen. Zahlen müssen die Bürger immer mehr für ihre Krankenversicherung - die Leistungen werden hingegen weniger. Traurig ist, dass es oft die trifft, die tatsächlich Hilfe benötigen. Traurig ist aber auch, dass in solchen Fällen jeder verständnisvoll nickt. Die Schuld wird jedoch jemand anderem zugeschoben, ohne Hilfe anzubieten.
m.koelker@volksfreund.de

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