Kochen Mögen Sie Ottolenghi(sch)?
Trier/London · Herrliches Gemüse, herrliche Gerichte: Eine Annäherung an die Küche des israelisch-britischen Kochstars und als Kostprobe ein Rezept aus seinem neuesten Buch „Flavour“
Wer den Namen Ottolenghi nur erwähnt, erntet oft schon ein schwärmendes „Aaah“. Der israelisch-britische Koch, Kolumnist und Autor hat einen besonderen Ruf. Er reicht weit und seine Rezepte erreichen viele Menschen. Er hat sieben Kochbuch-Besteller geschrieben, gibt der Verlag an. Sein letztes Buch „Flavour. Mehr Gemüse, mehr Geschmack“ ist im vergangenen Herbst erschienen und mein Ottolenghi-Einsteigerbuch. Ich habe es zu Weihnachten bekommen.
Yotam Ottolenghi hat es zusammen mit Ixta Belfrage verfasst.
Sie arbeitet seit einigen Jahren in seiner „Testküche“ und wirkt auf den Fotos ebenso freundlich und gut gelaunt wie ihr Chef. Schon beim Durchblättern von „Flavour“ wird klar – in dem Buch stecken viel Erfahrung und Liebe. Trotz des hohen Anspruchs scheint die Stimmung in dieser Küche gut zu sein. So wirken zumindest die einladenden Szenen der beiden am Herd und dem gemütlichen Essen zusammen mit dem Team in einer professionellen, aber nicht steril wirkenden Küche. „Ich habe von Leuten gehört, die ihre Küche wie seine eingerichtet haben“, erzählt mir eine Freundin. Ob dieselben Fans auch schon in den Restaurants Nopi und Rovi gegessen haben, in denen er Chefkoch ist oder in einem seiner vier Delis in London? Vermutlich.
„Aus meiner Vorliebe für Gemüse habe ich nie ein Geheimnis gemacht“, führt Yotam Ottolenghi, der übrigens Philosophie und Literatur studiert hat, ins Buch ein. Seit mehr als einem Jahrzehnt singe er schon seine Loblieder auf Blumenkohl, Tomaten und Zitronen und seine gute alte Freundin, die vielseitige Aubergine. „Gemüse auf immer neue raffinierte Weise zu präsentieren, ist meine Mission – und ich verfolge sie nach wie vor mit großer Begeisterung.“ In „Flavour“ geht es ihm darum, Gemüse über verschiedene Elemente (Prozesse, Partner und Produkte) in Szene zu setzen und ihre Qualitäten zu unterstreichen. Meine Zusammenfassung: Es wird im Baukasten-Prinzip das Beste aus den Gemüsen herausgekitzelt.
So viel zur Theorie hinter den
Rezepten. Aber wo bleibt die Praxis quasi auf meiner Seite des Herdes? Obwohl die Fotos von den tollen Gemüsekreationen allesamt
einladen, sofort loszulegen, wird das Projekt „Kochen wie Ottolenghi“ immer wieder aufgeschoben. Denn beim Einlesen in Zutatenlisten und Anleitungen wird schnell klar, dass es ohne Vorbereitung und Reinknien wohl nicht gehen wird. Es fehlen Gewürze und, so scheint es, fehlt es vor allem an der nötigen Zeit.
Der Test läuft an einem freien Tag mit „Auberginenklößchen alla
Parmigiana“, weil alle Zutaten vertraut sind und die Zubereitung
aufwendig, aber machbar erscheint. „Flavour“ liegt aufgeschlagen neben der Arbeitsfläche,
um schnell immer wieder einen Blick auf die Anleitungen werfen zu können. Bloß nichts vermasseln. Lesen, umdrehen und machen? Nein. Wie war das noch schnell? Umdrehen, wieder lesen, wieder umdrehen und dann machen. Das wiederholt sich sehr
oft – und am Ende gerät doch ein wenig geriebener Parmesan
in die Auberginen-Masse, dabei sollte der erst ganz zum Schluss obendrauf … Macht nichts. Die Aubergine, Ottolenghis vielseitige Freundin, schmeckt als Klößchen in Tomatensoße hervorragend. Der Aufwand hat sich gelohnt. Dieses Rezept ist am Ende des Buches
zurecht nicht unter den Alltagstauglichen aufgelistet, sondern unter denen, die sich gut vorbereiten lassen. Das kann ich bestätigen und frage mich, wieso ich das nicht vorher gelesen und mit einem der vermutlich einfacheren begonnen habe.
Die Begeisterung der Ottolenghi-Anhänger wird schon bei diesem ersten zarten Kontakt verständlich. Er macht Lust, diesen Koch und seine Philosophie weiter kennenzulernen. Aber nicht, ohne sich vorher bei Ottolenghi-erfahreneren Hobby-Köchen zu vergewissern, ob nur ich die Rezepte tendenziell als eher komplex empfinde.
Ich bin nicht alleine. Mir wird sein Buch „Simple“ als Ergänzung zu „Flavour“ empfohlen. „Diese beiden Bücher liegen immer zusammen auf dem Tisch und werden schon mal kombiniert eingesetzt“, höre ich. Jetzt wundert es mich nicht, dass ich kürzlich „Simple“ als Wiedereinsteger auf der Sachbuch-Bestsellerliste des „Stern“ gefunden habe, kaufe es und bin gespannt, ob sein Titel hält, was er verspricht. Ja, einiges ist schon getestet. Das Ottolenghi-Fieber hat mich erfasst: Leckere Kartoffeln oder Bohnengemüse als Beilagen schmecken köstlich, die Nudelgerichte sind toll. Ich halte ausnahmsweise genau an die Vorgaben, weil alles trotz oder gerade wegen seiner großen Bandbreite an internationalen Gewürzen und Zutaten alles fein abgerundet schmeckt. Wer eine Mission hat, überlässt eben nichts dem Zufall. Ich liebäugele schon mit den Sellerie-Rezepten aus dem „Flavour“-Kapitel „Prozesse“, weil Ottolenghi besondere Aromen durch das Garen der ganzen Knolle im Backofen erzeugt. Ich bin sehr gespannt und mag vor allem: Bei ihm muss Gemüse nicht fast roh serviert werden, um gutes Gemüse zu sein. Danke!
Und plötzlich scheint der geschätzte Ottolenghi überall zu sein.
Ich entdecke, dass er zusammen mit dem italienischen Künstler und Architekten Ivo Bisignano die Geschirrserie „Feast“ herausbringt. Die schönen Teile in verschiedenen Farben und Mustern, manche
mit stilisierten Gesichtern
(erinnern an Picasso), passen zu seiner feingeistigen, aber trotzdem einfachen Küche. Für den Oktober
ist ein neues Buch angekündigt – seine Testköche sollen darin zeigen, wie einfach es ist, aus Zutaten aus der Speisekammer Gerichte zu
zaubern, die den „Ottolenghi-Twist“ haben.
Als Kostprobe für Sie haben wir hier ein ein Rezept mit Beeren aus seinem neuen Buch „Flavour“ – passend zum Sommer. Steht auch auf meiner Liste, aber alles der Reihe nach. Ich übe nämlich nicht nur Ottolenghi(sch), selbst wenn es den Anschein haben könnte.
FRISCHE BEEREN MIT
SCHAFSMILCH LABNEH UND
ORANGENÖL
Dieses Arrangement aus dem Besten, was die Saison zu bieten hat, kann als leichtes Dessert oder als Hauptattraktion bei einem Brunch dienen. Labneh kann man gut selbst machen, der Joghurt dafür muss nur 24 Stunden abtropfen; wer nicht so lange warten
will, nimmt einfach gekauftes Labneh oder mit ein wenig Crème double verrührten griechischen Joghurt. Welche Beeren Sie verwenden, ist voll und ganz Ihnen überlassen und hängt davon ab, was
gerade Saison hat und nicht zu teuer ist. Sie können weniger verschiedene Sorten nehmen, nach Belieben auch tiefgekühlte Beeren, insbesondere zum Pürieren. Das Rezept ergibt mehr Orangenöl, als Sie hier brauchen; bewahren Sie den Rest in einem gut verschlossenen Glas auf, um ihn auf Salate oder kurz gegartes Gemüse zu träufeln.
Für 6 Personen
900 g Schafsmilchjoghurt (oder Joghurt aus Kuhmilch)
½ TL Salz
100 ml Olivenöl
10 Zweige Zitronenthymian, plus mehr zum Servieren
1 Bio-Orange, die Schale in sechs Streifen dünn abgeschnitten
200 g Brombeeren
250 g Himbeeren
300 g Erdbeeren, geputzt und längs halbiert (oder geviertelt, wenn die Beeren größer sind)
50 g Zucker
1 Bio-Limette, 1 TL Schale abgerieben, dann 1 EL Saft ausgepresst
200 g Heidelbeeren
150 g Kirschen, entsteint
1. Den Joghurt mit dem Salz in eine Schüssel geben und gut verrühren. Ein Sieb mit einem Passiertuch auslegen; es sollte so groß sein, dass es am Rand überhängt. Das Sieb auf eine Schüssel setzen. Den Joghurt in das Tuch geben und das Tuch so über den Joghurt schlagen, dass er ganz umhüllt ist. Ein schweres Gewicht auf das Tuch geben (gut geeignet sind ein paar Konservendosen oder -gläser) und das Ganze für mindestens 24 Stunden (nicht länger als 48) zum Abtropfen in den Kühlschrank stellen.
2. Inzwischen das Öl in einen kleinen Topf mit passendem Deckel
gießen. Bei mittlerer Hitze etwa
7 Minuten erwärmen, bis winzige
Bläschen aufsteigen. Vom Herd
nehmen, Thymian und Orangenschale hineingeben und zugedeckt ziehen lassen – mindestens 30
Minuten, idealerweise über Nacht.
3. Am nächsten Tag 50 g Brombeeren, 100 g Himbeeren und 100 g Erdbeeren mit dem Zucker und dem
Limettensaft in den Mixer geben und glatt pürieren. Die übrigen Früchte mit dem Beerenpüree in eine
große Schüssel füllen und alles behutsam mischen. Sie können die Beeren gleich servieren oder für einige Stunden in den Kühlschrank
stellen; vor dem Servieren dann wieder Raumtemperatur annehmen lassen.
4. Zum Servieren das Labneh auf einer großen Platte verstreichen. Die Beeren darauf verteilen und mit der Limettenschale bestreuen. Das Ganze mit 2 EL Orangenöl beträufeln und mit Orangenschale und Thymian garnieren.