Bürger-Bahnhof auf dem Warte-Gleis

JÜNKERATH. Entscheidung verschoben: Der Rat der Ortsgemeinde Jünkerath hat die Zukunft des Bahnhofs-Gebäudes von einer Stellungnahme der Kreisverwaltung abhängig gemacht.

Selten hat eine Sitzung des Jünkerather Ortsgemeinderats so viel Publikum gelockt wie am Donnerstag - aber es ging auch um ein Thema, das viele Bürger in Wallung bringt. Nämlich um den denkmalgeschützten Bahnhof. Genauer: um die Idee von Ex-Ratsmitglied Dieter Klaus (SPD), aus dem Gebäude ein Bürgerhaus zu machen (der TV berichtete). Damit rannte Klaus zunächst gegen die kommunale Wand - und dann von Haus zu Haus: Rund 300 Unterschriften wahlberechtigter Bürger brachte er zusammen. Sie alle unterstützen seinen Antrag, die Möglichkeit des Bahnhofs-Kaufs und -Umbaus "sorgfältig zu prüfen", bevor die Gemeinde ein ähnliches Projekt an einem anderen Standort - nämlich am Postplatz - in Angriff nimmt.Der Bahnhof ist ein Stück Identität des Ortes

"Unserem Bahnhof verdanken wir die Gründung der Gemeinde", untermauerte Klaus seine Forderung. Der Bahnhof habe Geschäfte entstehen lassen, Wohlstand gebracht, kurz: "Er ist ein Stück unserer Identität." Heute aber verfalle der Bau, die Läden stünden leer, den Reisenden biete er ein erschreckendes Entrée - aber als neues Gemeindezentrum könnte er die Wieder-Belebung des Ortskerns in Gang setzen. Klaus: "Die Ortsgemeinde wird nicht an der Frage vorbeikommen: Was geschieht mit dem Bahnhof?" Er erinnerte erneut an den verstorbenen Heinz Klinkhammer, der sein Vermögen der Gemeinde für ein Bürgerhaus vermacht hatte (Rücklage derzeit: 332 000 Euro). Zudem besitze die Kommune rund um den Bahnhof bereits Grundstücke, die in das Projekt einbezogen werden könnten.Erforderliche Baupläne kosten rund 90 000 Euro

Dann setzte Ortsbürgermeister Rainer Helfen (CDU) zur Gegenrede an, und bald wurde klar: Den Anpfiff zum Brasilien-Spiel um 21 Uhr würden alle verpassen. Denn Helfen hatte sich vorbereitet. Knapp eine Stunde lang referierte der Gemeindechef, warf beeindruckend unlesbare Diagramme an die Wand, schickte niederschmetternde Ingenieurs-Gutachten hinterher, konterte aber vor allem mit erschreckenden Zahlen: Allein die Erstellung von Bauplänen und der Statik (beides gibt es nämlich nicht) würde bereits mit rund 90 000 Euro ins Kontor schlagen. Kauf des Gebäudes von der Bahn: mindestens 100 000 Euro. Weitere Probleme: ein nicht druckwasserdichtes Gemäuer, eine marode Wohnung, ein zu erneuerndes Dach und Risse in der Außenwand. Von einer teuren Entkernung und dem aufwändigen Umbau gar nicht erst zu reden. Zuletzt würde das Klaus-Projekt nicht den Anforderungen für ein Bürgerhaus entsprechen: Zu wenig Platz, keine Barrierefreiheit, kein Betreiber. Helfens Fazit: "Ich wünsche mir auch, dass der Bahnhof bleibt. Aber nur auf Kosten eines Investors, der nicht die Gemeinde ist. Wenn wir das Gebäude so angehen, wie das jetzt dargelegt wurde, dann müssen wir 2,5 Millionen Euro in die Hand nehmen. Und die haben wir nicht." Dieter Klaus' Antwort: "Ich zweifle die Zahlen grundsätzlich an." Helfens Reaktion: "Klar." Weitere Nickeligkeiten folgten - und dann die Überraschung. Denn Hilmar Klein ergriff das Wort für die CDU-Mehrheitsfraktion: "Wir möchten heute weder pro noch kontra votieren." Bevor man "mit sehr viel Emotion" diskutiere, brauche es vielmehr den neutralen Blick und ein umfassendes Konzept, das nicht zuletzt die bereits vorliegenden Pläne des Büros "Stadt-Land+Bahn" für das Bahnhofsumfeld (der TV berichtete) berücksichtige. Drum: Die Kommunalaufsicht solle sich alle möglichen Projekte in der Gemeinde genau anschauen, deren Machbarkeit beurteilen und einen Finanzrahmen vorgeben. Ein echter Vorschlag zur Güte - Hilmar Kleins Antrag ging einstimmig durch. Schlussergebnis: Zeitgewinn für alle - und 4:1 für Brasilien.

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