Bürgerbefragung in der Vulkaneifel: Obere Kyll kritisiert beeinflussende Formulierungen und Fälschungsanfälligkeit

Jünkerath/Daun · Die Bürgerbefragung im Landkreis Vulkaneifel zum Thema Fusion hat an der Oberen Kyll eine deutliche Reaktion hervorgerufen: Bürgermeisterin Diane Schmitz und die Chefs der drei Ratsfraktionen kritisieren die Aktion.

 Fälschung? Ob diese angeblichen Unterzeichner tatsächlich so votieren würden, darf bezweifelt werden. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Fälschung? Ob diese angeblichen Unterzeichner tatsächlich so votieren würden, darf bezweifelt werden. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Foto: (e_pruem )

Der Gesetzentwurf zu den vorgesehenen Fusionen zwischen Hillesheim, Gerolstein und drei Dörfern der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll sowie zum angestrebten Zusammenschluss der übrigen elf Orte mit Prüm ist auch im Dezember nicht in den Landtag gelangt.
Während also die Sache in Mainz still und starr vor sich hinruht, rappelt es in der kommunalen Kiste: Bis zum 20. Februar haben Landrat Heinz-Peter Thiel und die Kreistagsfraktionen von CDU, FWG, FDP und Bündnis 90/Die Grünen die Bürger im Vulkaneifelkreis dazu aufgerufen, mit "Nein" zu stimmen bei der Frage, ob man das abtrünnige Beinah-Dutzend an der Oberen Kyll mit Prüm zusammengehen lassen soll.Man darf das so schreiben, denn der Landrat und seine Mitstreiter lassen auf den Stimmzetteln nichts offen. Zitat aus dem Blatt, in dem man sehr spendabel mit Ausrufezeichen umgeht: "Ohne Wenn und Aber: Meine Stimme für die Einheit des Kreises Vulkaneifel!" Und einleitend heißt es unter anderem: Bei einer kreisübergreifenden Fusion drohten "ein Chaos an Zuständigkeiten, ein größerer Verwaltungsaufwand und unabsehbare Mehrkosten für alle. Das sollten Sie verhindern!"

Das Thema "neutrale Fragestellung" hat sich damit erledigt. Was dazu führte, dass man an der Oberen Kyll ähnlich klar zurückruft, auf einer ganzen Seite im Amtsblatt: Drei Jahre, nachdem so viele in Bürgerentscheiden ihren Willen - Fusion mit Prüm - deutlich gemacht hätten, heißt es da, komme jetzt der Kreis auf die Idee, diesen Willen und die Beschlüsse von Verbands- und Ortsgemeinden in Frage zu stellen.

Deswegen sei ein Nein in der kreisweiten Befragung "die einzig richtige Antwort". Unterzeichnet ist der Aufruf von Bürgermeisterin Diane Schmitz und den drei Fraktionsvorsitzenden Ewald Hansen (SPD, zugleich Ortsbürgermeister in Reuth), Walter Schmidt (CDU und OB in Gönnersdorf) und Georg Lentz (FWG).

Die Befragung, sagt Ewald Hansen, sei abgesehen vom Tonfall "vollkommen überflüssig. Weil wir ja einen Bürgerentscheid haben." Und an den sehe er sich gebunden, auch wenn er bereits mehr als drei Jahre zurückliege.
Ja. so lange ist das schon her. Hansen hat das Dokument übrigens an den Landesdatenschutzbeauftragten geschickt: Weil es zulasse, dass man mit dem Namen eines anderen unterschreibe und damit eine Fälschung begehe: "Wenn das einer machen wollte - wie wollen die das denn in Daun kontrollieren?"

Andererseits gebe jeder, der bei "Nein" sein Häkchen mache, seinen Namen preis und zögere genau deshalb vielleicht, bei der Befragung mitzumachen. "Um so etwas zu verhindern", sagt Hansen, "hätten sie es geheim machen müssen". Wenn er auch dem Kreis dafür kein Wahllokal zur Verfügung gestellt hätte.

Dass die Befragung nicht geheim ist, sieht auch Diane Schmitz als Problem: Sie hoffe sehr, dass ein "Nein" den Unterzeichnern "nicht negativ ausgelegt wird". Erst recht angesichts des einleitenden Texts: Dort stehe immerhin, dass man beim Kreis die Fusion als "verfassungswidrig" betrachte. Diese und andere Passagen (siehe Extra) hinterließen den Eindruck, "dass der Bürger beeinflusst werden soll".

Der Bürger wiederum hat sich auch schon bei ihr gemeldet: "Ich bin von einigen bereits angerufen worden. Die finden, dass die Befragung viel zu spät kommt." Die Befürchtung: dass sie das Verfahren hinauszögere "und die Hängepartie damit weitergeht".

Die Formulierungen auf dem Befragungsbogen findet Walter Schmidt schlicht "anmaßend", damit mache man "mehr kaputt als sonstwas." Er weist auf einen weiteren Punkt hin, der ihn massiv störe: Die Befragung sei "eine Irreführung der Bevölkerung", sagt er. Denn es gehe bei der Fusion ja eben nicht darum, den Kreis zu verlassen und zu gefährden. "Verquer" findet auch Georg Lentz die Fragestellung: "Weil ja eine Fusion mit Prüm nichts mit dem Landkreis zu tun hat." Diese Verquickung sei nicht gut, und außerdem: "Es ist blauäugig zu glauben, man könne den Landkreis so erhalten, wie er jetzt ist. Egal, ob mit oder ohne die Obere Kyll." Der Weg, den man dort jetzt gewählt habe, unterstreicht noch einmal Walter Schmidt, "den haben uns die anderen Kommunen ja aufgezwungen". Weil Hillesheim und Gerolstein eben die Fusion mit der Oberen Kyll abgelehnt hätten.

Landrat Thiel sagt: "Die Rahmenbedingungen haben sich im Lauf der Reform so verändert, dass alle 109 Gemeinden des Kreises von den Auswirkungen betroffen sein könnten. Deshalb halte ich es nach wie vor für richtig, dass sich auch alle Bürger sich zur Zukunft des Kreises äußern können. "Meinung

Nö, nicht so

Von Fritz-Peter Linden

Diane Schmitz hofft darauf, dass den Bürgern, die dem Kreis ein "Nein" schicken, diese Antwort nicht negativ ausgelegt wird. Hoffen kann man immer, Frau Schmitz. Fällt aber schwer, weil ja dem Neinsager suggeriert wird, er wolle den Landkreis kaputtmachen. Als würde die Vulkaneifel bei einer Fusion der Oberen Kyll mit Prüm einer tektonischen Katastrophe zum Opfer fallen und für immer in einem riesigen Kratersee verschwinden. Nein: Die "Befragung" ist, genau: ein seltsames Konstrukt und von vorne bis hinten ein manipulatives Machwerk samt vorgegebener, "richtiger" Antwort. Von verantwortungsbewussten Kommunalpolitikern erwartet man mehr Verständnis dafür, dass sich die abtrünnigen Kommunen für stabile finanzielle Verhältnisse entschieden haben. Und keine Panikmache, sondern mehr Souveränität. f.linden@volksfreund.de

So und nicht anders

Von Stephan Sartoris

Panikmache? Geht's nicht auch eine Nummer kleiner? Machen wir uns doch nichts vor: Auf jeden Fall geht es ums Eingemachte für den Landkreis Vulkaneifel, wenn elf Orte in eine neue Verbandsgemeinde wandern. Da hilft es auch nichts, dass sie formal im Landkreis bleiben. Denn dieses seltsame Konstrukt ist doch nicht mehr als ein Feigenblatt, hinter dem sich das Land notdürftig versteckt, nachdem es Eckpfeiler, die zu Beginn der Reform als unverrückbar deklariert worden waren, kalt lächelnd über Bord geworfen hat. Aber der Kreis Vulkaneifel soll schön die Spielregeln einhalten, alles politisch korrekt, versteht sich. Nix da! Was gibt es denn noch zu verlieren? Das Tischtuch zwischen Kreis und abwanderungswilligen Gemeinden ist doch längst zerschnitten. s.sartoris@volksfreund.deExtra

...aus dem Befragungsbogen: "200 Jahre Landkreis Vulkaneifel - das bedeutet auch eine gewachsene Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Heimat Vulkaneifel und eine Region mit bundesweitem Wiedererkennungswert", heißt es auf der Vorderseite der Unterschriftenliste für die Bürgerbefragung. "Mit aller Kraft arbeiten wir geschlossen in unterschiedlichen Themenbereichen an einer zukunftsfähigen Entwicklung. Das sollten wir nicht aufs Spiel setzen!" Und weiter: "Wir sind Vulkaneifel! Wir müssen bereits heute für die Geschlossenheit unseres Landkreises Vulkaneifel kämpfen." fpl

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