"Da gingen bei mir die Lichter aus"

BITBURG/SPEICHER. Das Amtsgericht Bitburg versucht herauszufinden, ob ein damals 40-jähriger Mann eine 20-jährige Frau in Speicher sexuell missbraucht hat. Das Problem: Beide können sich ihren Aussagen zufolge an nichts erinnern.

Freitagabend, 26. November 2004 in Speicher. Manuel W. (40, Name von der Redaktion geändert) trifft sich in seiner Speicherer Wohnung mit ein paar Freunden. Beim "Vorglühen" fließt Alkohol in Strömen, ebenso beim gemeinsamen Besuch einer Gaststätte. Gegen 2 Uhr morgens zieht W. noch allein in eine andere Kneipe weiter. Dort unterhält er sich unter anderem mit einer 20-jährigen Bekannten und deren gleichaltriger Freundin Vanessa O. (Name geändert). Gegen 4.30 Uhr fahren die drei gemeinsam in Manuel W.s Wohnung. Weil die betrunkene Vanessa voll bekleidet auf der Couch einschläft, fährt ihre Freundin gegen 5 Uhr ohne sie nach Hause und legt sich ebenfalls schlafen. Knapp eine Stunde später wachen Manuel und Vanessa im Schlafzimmer auf - beide nackt im Bett. Die geschockte 20-Jährige lässt sich sofort von ihrer Freundin abholen. Weil sie vermutet, der 40-Jährige habe gegen ihren Willen mit ihr geschlafen, schaltet sie noch am selben Tag die Polizei ein.Beischlaf im Zustand der Widerstandslosigkeit?

"Sexuelle Handlungen an einer Person im Zustand der Widerstandsunfähigkeit", wirft die Anklageschrift Manuel W. vor. Der ist sich keiner Schuld bewusst. In der Kneipe habe ein Glas mit einer unbekannten Flüssigkeit die Runde gemacht. "Da gingen bei mir die Lichter aus", sagt der Angeklagte vor dem Schöffengericht. Seine Erinnerung setze erst wieder beim Aufwachen zu Hause ein. Die Freundin berichtet von vergeblichen Versuchen, Vanessa O. auf der Couch wach zu bekommen: "Als ich sie dann später abgeholt habe, hat sie gezittert und geheult", beschreibt die Freundin die Szene. Über einen möglichen Missbrauch hätten beide aber nicht direkt geredet. Das Reden fällt Vanessa auch im Zeugenstand schwer. Zurückhaltend, einsilbig und mit leiser Stimme antwortet sie auf die Fragen von Richter Werner von Schichau. 15 bis 20 Wodka-Mixgetränke habe sie an dem Abend getrunken, dazu ein paar Gläser Likör. Zwischen dem Einschlafen auf der Couch und dem Aufwachen im fremden Bett klafft auch bei ihr eine große Lücke: "Ich wusste zuerst nicht, wo ich war. Ich schlafe nie nackt, sondern habe immer mindestens ein T-Shirt an." Laut ihrer Aussage bei der Polizei fiel ihr ein paar Stunden später auf, "dass offenbar Sperma aus der Scheide lief". Vor Gericht bestätigt sie das trotz mehrfacher Nachfragen von Schichaus ("Das ist ganz wichtig") jedoch nicht. Sie habe auch keine Schmerzen oder Druckstellen am Körper gehabt. Sie erinnere sich lediglich an einen Satz Manuel W.s am besagten Morgen: "Erzähle bloß nicht, ich hätte dich vergewaltigt." Dass will W. allerdings nie gesagt haben. Eine Blutprobe am Abend des besagten Tages bei Vanessa ergab 0,00 Promille. 16 Stunden nach Trink-Ende war der Alkohol in ihrem Körper also vollständig abgebaut. Auch Drogenspuren wurden nicht festgestellt. Die Frage der untersuchenden Ärztin, ob sie in der Nacht Geschlechtsverkehr gehabt habe, bejahte Vanessa. "Aus heutiger Sicht hätten Sie damals wohl eher die Antwort ,fraglich' ankreuzen müssen", hält Verteidiger Günter Blesius Vanessa vor - sie nickt.Freund und Gutachterin sollen noch aussagen

Die dreistündige Verhandlung ist an einem toten Punkt angekommen. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger verständigen sich darauf, die Beweisaufnahme noch nicht zu schließen. Als weiteren Zeugen will das Gericht einen Freund Vanessas laden, mit dem sie am besagten Tag Zeit verbracht hat. Als Sachverständige wird die Ärztin geladen, um ihr Gutachten mündlich zu erläutern. Die Verhandlung wird kommende Woche fortgesetzt.

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