Damit die Erinnerung nicht verblasst

Körperich-Obersgegen · Mehrere Fotografen haben sich zur Initiative Dein Sternenkind zusammengeschlossen, um ehrenamtlich Erinnerungen an fehl- oder tot geborene Babys zu schaffen. Bianca Rosenberger aus Körperich (Eifelkreis Bitburg-Prüm) ist eine von ihnen.

Körperich-Obersgegen. Kinderfotos hängen an den Wänden, stehen auf dem Sideboard. Bilder, die neun Jahre eines Lebens erzählen. "Ich muss meine Tochter in allen Lebenslagen fotografieren", erzählt Bianca Rosenberger. Enya ist nicht die Einzige, deren Lächeln ihre Mutter mit der Kamera einfängt.

Rosenberger ist Fotografin; sie hat sich auf Neugeborene und Kinder spezialisiert. Zuerst nur für Freunde, seit 2012 nebenberuflich. Dafür hat sie ein Fernstudium absolviert. "Ich fahre mit meinem mobilen Studio zu den Eltern und fotografiere die Kinder dort. Viele haben bei mir schon einen Termin vor der Geburt." Oft fotografiere sie schon die Babybäuche.

Für ihre Kinderfotos benötigt sie oft drei, vier Stunden. "Ich bringe alles mit, auch Spielsachen." Und die Zauberfee. "Ich setze sie auf die Kamera", sagt Rosenberger und lacht, "weil ich die Augen der Kinder einfangen will. Kinder sind alle so echt, da ist nichts Gespieltes." Ihr Geheimnis für lebendige Bilder: "Viel reden, viel lachen, viel spielen."

Das wird ihr bei ihrem neuen Ehrenamt nicht weiterhelfen. Denn bislang hat Rosenberger nur lebende Kinder abgelichtet. Künftig will sie auch tote oder sterbende Kinder fotografieren. Anfang März ist die 41-Jährige auf Dein Sternenkind gestoßen. Die Initiative vermittelt Fotografen an Eltern, deren Kinder tot geboren wurden oder nur wenige Minuten zu leben haben. "Man weiß ja nicht, was einen erwartet, auch wenn man vorbereitet ist. Jede Situation ist ja anders."

Rosenberger ist die einzige Fotografin für die Region Trier und für Luxemburg. "Wir suchen händeringend Freiwillige, die fotografieren können, Menschen, die das Gefühl haben, damit das Richtige zu tun." Auch wenn sie bislang noch keinen Einsatz hatte, Rosenberger macht sich viele Gedanken, versucht, die Situation nachzuempfinden. "Ich war in meiner Schwangerschaft immer ängstlich", sagt sie. Es sei ein sehr intimer Moment, weil die Eltern in Trauer seien. "Es sei wichtig, dass man diese Momente nicht stört, sondern sich einreiht." Ein Kind sei ein Teil ihres Lebens, ein Familienmitglied. "Egal, ob es lange gelebt hat oder nur kurz."

Die Idee zu Dein Sternenkind stammt von Kai Gebel aus Seeheim-Jugenheim (Hessen). "Ich habe 2010 Fotos von einer Mutter mit einem toten Kind im Internet gesehen", sagt der 55-Jährige. "Das hat mich beeindruckt." Deshalb habe er sich an die amerikanische Organisation "Now I Lay Me Down To Sleep" (zu Deutsch: "Jetzt lege ich mich zum Schlafen hin") gewendet. 2012 habe er eine Familie kennengelernt, die Zwillinge erwartete. Bereits während der Schwangerschaft sei klar gewesen, dass einer der Jungen die Geburt nicht lange überleben wird. "Ich habe Fotos von der Familie gemacht und vom Kaiserschnitt bis zur Beerdigung alles miterlebt." Daraufhin habe er Fotografen gesucht. Ein großes Medieninteresse habe ihn zu Dein Sternenkind bewegt. Wie viele Einsätze die Freiwilligen haben, weiß Gebel nicht. Doch gerade in Ballungsgebieten seien manche bis zu dreimal im Monat auf Tour. "Ich glaube, jeder Fotograf hat wahnsinnig Angst vor der ersten Aufnahme."

Rosenberger schaut ernst. Ihr steht diese Erfahrung noch bevor. "Ich weiß, wenn mir so etwas passiert wäre, hätte ich das Angebot angenommen, damit die Erinnerung nicht verblasst", sagt sie. Und wenn sie das erste Mal eine Familie mit einem toten oder sterbenden Baby fotografieren soll? "Ich denke, ich stehe davor und werde weinen. Aber ich weiß auch, dass ich damit zurechtkommen kann."Extra

Der Fotograf Kai Gebel gründet am 29. Dezember 2013 die Initiative Dein Sternenkind. Einen Tag später melden sich bereits 20 freiwillige Fotografen; inzwischen sind es mehr als 300. Die Initiative bietet Erinnerungsfotos von fehl-, tot geborenen und sterbenden Babys an. Die Fotografen arbeiten ehrenamtlich und kommen in Krankenhäuser, Hospize oder nach Hause zu den Eltern. Um Bilder von ihren Kindern aufnehmen zu lassen, nehmen die Eltern Kontakt mit den Fotografen auf. Dein Sternenkind hat vor wenigen Tagen den Pulsus Award in der Kategorie "Initiative des Jahres" gewonnen. mehi Weitere Informationen für Eltern und interessierte Fotografen unter www.dein-sternenkind.eu

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