Damit keine Vergewaltigung unbewiesen bleibt

Bernkastel/Wittlich · Für Frauen aus der Region, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, gibt es ab sofort am Verbundkrankenhaus Bernkastel-Wittlich ein neues, landesweit nahezu einmaliges Hilfsangebot: Sie können vertraulich Spuren sichern lassen - auch wenn sie zunächst keine Anzeige gegen den Täter erstatten. Das Beweismaterial wird für den Fall, dass das Opfer später doch noch zur Polizei gehen möchte, fünf Jahre lang aufgehoben.

Bernkastel/Wittlich. Sie war 16 Jahre alt, als sie vergewaltigt wurde. Das war im Spätsommer 2012. Schon damals wusste die junge Frau aus der Nähe von Wittlich, dass sie ihren Peiniger anzeigen wird - allerdings erst, wenn sie 18 und damit volljährig ist. "Sie wollte und will auch heute nicht, dass ihre Eltern von der Vergewaltigung erfahren, und sie wusste damals, dass die Post, solange sie minderjährig ist, an ihre Eltern geht", berichtet Kriminalpolizeihauptkommissar Andreas Staib. Und so wandte sich die junge Frau erst vor wenigen Tagen an die Kriminalpolizei Wittlich. Schwierig für die Ermittler: Spuren, die den Täter belasten, können zweieinhalb Jahre nach der Tat natürlich nicht mehr gesichert werden. Der Fall der jungen Wittlicherin ist keineswegs einzigartig: Aus den unterschiedlichsten Motiven erstatten Opfer von Sexualdelikten zunächst keine Anzeige - oft auch deswegen, weil die Täter aus dem engen sozialen Umfeld kommen. Gehen die Frauen später doch zur Polizei, ist es oft zu spät. Genau das allerdings soll sich ändern mit dem neuen Hilfsangebot, das gestern von der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Bernkastel-Wittlich, Vertretern des Verbundkrankenhauses Bernkastel-Wittlich, der Polizei und des Weißen Rings in der Kreisverwaltung vorgestellt wurde: Ab sofort können sich Frauen, die Opfer sexueller Gewalt werden, vertraulich an das Verbundkrankenhaus in Wittlich wenden. Ein Angebot, das es so in Rheinland-Pfalz bislang nur in Mainz gab, nun aber auch in Wittlich etabliert wird. Im Verbundkrankenhaus werden Opfer sexueller Gewalt von einer Frauenärztin untersucht, die - wenn die betroffenen Frauen zustimmen - gleichzeitig Beweismaterial zusammenträgt: etwa Sperma, das nur innerhalb der ersten sechs Stunden nach der Tat gesichert werden kann, Fotos von Verletzungen, aber auch getrocknetes Blut auf Kleidungsstücken. "Wir werden die Spuren genauso sichern, als wäre die Polizei eingeschaltet", sagt Dr. Peter Georg Locher, Leiter der Gynäkologie am Verbundkrankenhaus. Anschließend werde das Material zur forensischen Ambulanz am Institut für Rechtsmedizin in Mainz gebracht und dort fünf Jahre lang verwahrt. Kosten für die Opfer entstehen nicht: Die Einlagerung des Beweismaterials wird vom Landesinnenministerium finanziert. Das Angebot richte sich an alle Frauen in der Region, sagt Dr. Locher: "Es wird niemand weggeschickt, der aus einem anderen Landkreis kommt."Ausgewertet werden die Spuren allerdings erst und nur dann, wenn die Frau doch noch die Polizei einschaltet. Und das, so betont Landrat Gregor Eibes, sei nach wie vor das Ziel: "Im Endeffekt ist der Schritt, Anzeige zu erstatten, meines Erachtens letztlich der richtige, damit solche Taten nicht ungesühnt bleiben." Und dabei sei es nach wie vor wichtig, dass möglichst rasch Anzeige erstattet werde, sagt Kriminalhauptkommissar Staib: "Nur dann können auch Spuren am Tatort gesichert werden." Für die junge Frau, die sich erst nach zweieinhalb Jahren an die Wittlicher Kripo wandte, besteht dennoch Hoffnung, dass ihr Peiniger bestraft wird: Weitere Frauen haben offenbar ähnliche Anschuldigungen gegen den Mann erhoben. Meinung

Der richtige Weg!Mehr als 20 Vergewaltigungen wurden zuletzt jährlich im Zuständigkeitsbereich der Kriminalpolizei Wittlich angezeigt. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, denn statistisch gesehen wird jede Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt. Viele Täter allerdings bleiben unbestraft - weil sie gar nicht erst angezeigt werden oder aber so spät, dass nicht genügend belastbares Beweismaterial gesammelt werden kann. Eine unerträgliche Situation, die so nicht hingenommen werden sollte: Das neue Angebot der vertraulichen Spurensicherung am Wittlicher Krankenhaus ist dabei der richtige Weg. Andere Kliniken sollten nachziehen, damit Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren haben, Hilfe in ihrer Nähe finden können. n.ebner@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort