Danke. Mir geht's gut!

In unserer Nachbarschaft wohnte eine bemerkenswerte alte Frau. Sie saß oft auf der Bank vor ihrem Haus, las ein Heftchen oder sonnte sich einfach.

Wenn ich vorbeiging, blieb ich oft bei ihr stehen und fragte sie nach ihrem Ergehen. Ihre Standardantwort war: "Danke. Mir geht's gut!"

Später saß sie nach mehreren Krankenhausaufenthalten warm eingepackt in ihrem Rollstuhl in der Sonne. Immer wieder hörte ich von ihr: "Danke. Mir geht's gut!" und das, obwohl es ihr gar nicht gutging. Nach einem kurzen "Schwätzchen" mit ihr ging ich weiter und wurde sehr nachdenklich. Wenn mich jemand nach meinem Ergehen fragt, habe ich allzu oft eine einschränkende Antwort: "Mir geht es den Umständen / dem Alter entsprechend gut." Hatte die alte Frau in unserer Nachbarschaft etwa mehr Gottvertrauen als ich?

Der morgige Sonntag in der Passionszeit (Leidenszeit Jesu Christi) trägt den Namen "Lätare! Freut euch!" Leiden und sich freuen? Wie soll das gehen? In den Evangelien dieses Tages geht es darum, dass die entscheidende Wende im Leben Jesu bevorsteht: der Karfreitag (und Ostern)! Jesus Christus ist das "Brot des Lebens". Sein Tod schenkt uns Leben, geborgen in Gottes Liebe. Allein darum haben wir Grund zur Freude und Dankbarkeit auch in Leidenszeiten.

Sie finden das paradox? Unsere alte Nachbarin sah das wohl anders!

Hans-Martin Stüber,

Pfarrer i. R.

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