Das Ende einer lebhaften Geschichte

STADTKYLL. Die Geburtsstätte vieler Stadtkyller Bürger, das ehemalige Franziskanerinnen-Kloster in der Wirftstraße, soll im Frühjahr abgerissen werden. Der marode Bau ist nicht mehr zu retten.

"Ich bin der Zweitletzte, der hier geboren wurde", sagt Uwe Juchems. "Die Krankenhäuser in Prüm und Gerolstein wollten mich damals irgendwie nicht haben." Fast sei er im Auto seiner Eltern zur Welt gekommen - aber dann erbarmten sich an diesem 2. Februar vor 40 Jahren doch die Schwestern im "Klösterchen". Bis zum Jahr 1961 sind nahezu alle Stadtkyller dort geboren, danach erblickten eine Zeit lang nur noch "Ausnahmekinder" in der Wirftstraße das Licht der Welt. Bausubstanz ist "total im Eimer"

Uwe Juchems hat Grundstück und Klostergebäude zusammen mit seinem Bruder Stefan gekauft. Die beiden Fleischermeister brauchen Platz für Fahrzeuge und einen Anbau an ihre benachbarte Metzgerei. Jetzt werden sie "zu 99 Prozent" das Gebäude und Uwes Geburtszimmer im Erdgeschoss abreißen. "Die Bausubstanz ist total im Eimer", sagt er. "Es sieht zwar von außen noch gut aus. Aber wir bieten jedem an, einmal reinzugehen, damit er sieht, wie schlecht der Zustand ist." Was zu retten war, haben sie in Sicherheit gebracht: Der Altar aus der Klosterkapelle soll ausgebessert und an Fronleichnam in Uwe Juchems' Wohnort Ormont aufgestellt werden. Die Antonius-Figur aus der Grotte oberhalb des Klosters wird derzeit restauriert. Danach soll sie wieder an ihren alten Platz zurück. Was an Mobiliar und sonstigen brauchbaren Gegenständen nicht im Container landete, hat sich die Russlandhilfe reserviert. Nach dem Abriss wollen die Brüder das mehr als 2000 Quadratmeter große Areal einsäen. Vor allem der Patron der Pfarrei soll vorher noch gerettet werden: Pfarrer Joachim Waldorf verhandelt derzeit über die Zukunft der Josefsstatue aus einer Nische in der Gebäudefront. Auch einige Bänke aus der Kapelle will er erhalten und vielleicht in der Kerschenbacher Kirche aufstellen lassen. "Ungeheuerlich" findet auch Waldorf den Zustand des Klosters nach einem Rundgang durch die insgesamt sechs Stockwerke. Er habe auf jeder Etage Angst gehabt, nach unten durchzubrechen. "Das kann man nicht erhalten - das geht nicht. Wenn man da anfängt, dann hört man nicht mehr auf." Das Haus sei schlicht kaputt, sagt der Pfarrer. "Es ist leider Gottes verloren." "Das ist natürlich traurig", sagt auch Ortsbürgermeister Nikolaus Simon, dessen Bruder Helmut am 21. April 1963 als letzter Stadtkyller im Kloster geboren wurde. "Aber dann ist mir ein Schlussstrich lieber, als Jahzehnte lang eine Bauruine in der Ortsmitte stehen zu haben." Nur eine Handvoll Häuser in Stadtkyll verdient das Attribut "historisch". Die meisten wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Das ehemalige Franziskanerinnen-Kloster ist eines der verbliebenen Gebäude mit viel und vor allem wechselhafter Geschichte. Im Jahr 1884 gründeten die Franziskanerinnen aus Waldbreitbach im Ursprungsgebäude eine Niederlassung. Sie leisteten ambulante Krankenpflege und betreuten die Kinder aus dem Dorf. 1894 wurde angebaut, im Jahr 1910 ließ der Orden ein Krankenhaus errichten. 1913 wurde zusätzlich ein Genesungsheim für Nervenkranke eröffnet. In den zwei Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts pflegten die Schwestern kranke Soldaten. Am 1. Januar 1945 fiel das Krankenhaus in Schutt und Asche. Das stark beschädigte Kloster brachten die Bürger zwar wieder in Schuss, trotzdem war das Ende nicht zu verhindern: 1970 wurde der Kindergarten in einem kleinen Nebengebäude dicht gemacht, 1972 musste der Orden seine Stadtkyller Niederlassung mangels Schwestern-Nachwuchs schließen. Das "Haus der guten Taten", wie der vor kurzem verstorbene Grundschulleiter Ernst Hartel in der Jubiläumschronik 2000 geschrieben hatte, wurde verkauft. Eine Zeit lang ließ der neue Besitzer, der Stadtkyller Arzt und Kunsthistoriker Otto Baur, den damaligen Jugendclub im Haus gewähren, bevor auch er Gebäude und Grundstück wieder verkaufte. In den Folgejahren brachte der neue Hausherr Paul Willms mit seinem "Rentner-Aktiv-Club" und einer Wurmfarm zur Humusproduktion "Klösterchen" und Dorf immer wieder in die Schlagzeilen - sogar bundesweit. Auch diese Zeiten sind vorbei: Die Würmer haben sich schon lange verkrochen. Die letzten Bewohner sind inzwischen aus dem Klostergebäude ausgezogen. Und die Geschichte eines Stadtkyller Wahrzeichens wird demnächst zu Ende sein.

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