Das Jahr ohne Sommer: Klimaveränderung in der Eifel durch Vulkanausbruch

Bitburg · Der Ausbruch des Vulkans Tambora, der im April 1815 das Inselreich um Java erschütterte, hatte katastrophale Folgen. Die Kuppe des Vulkans wurde mehr als 70 Kilometer in die Höhe geschleudert.

Über 150 Millionen Tonnen Gestein und Asche gelangten so in die Atmosphäre und verdunkelten im Umkreis von 500 Kilometern die Sonne drei Tage lang. Schätzungsweise über 10 000 Menschen starben bei dem Ausbruch, dessen Druckwellen noch in 15 000 Kilometern Entfernung messbar waren. Nach den letzten Eruptionen im Juli 1815 hatte der Vulkan mehr als 1200 Meter an Höhe verloren. Durch die Luftströmungen wurden die Staubteilchen wie ein Schleier um die ganze Erde verteilt. Sie verursachten eine Klimaveränderung, die vor 190 Jahren in Mitteleuropa und Amerika einen „Vulkanischen Winter“ hervorriefen und das Jahr 1816 zum kältesten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen machte.

Die Bevölkerung im königlich-preußischen Regierungsbezirk Trier wurde von dieser Klimakatastrophe in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit getroffen. Mit dem Zweiten Pariser Frieden am 20. November 1815 war nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo zwar das Ende der napoleonischen Kriege besiegelt. Doch viele der eingezogenen Soldaten waren entweder umgekommen oder galten noch als vermisst, so dass es vor allem der arbeitsintensiven Landwirtschaft an Arbeitskräften mangelte. Dazu hatten die immerwährenden Kriege ungeheuere Summen an Geld gekostet.

Verkauf gemeindeeigener Güter zur Deckung der Kriegsschulden

Allein für 1813 waren von der französischen Regierung 325 Millionen Francs für den Krieg und 260 Millionen Francs für die Kriegsadministration ausgegeben worden. Ein Teil dieser Ausgaben sollte per Gesetz vom 20. März 1813 durch den Verkauf von gemeindeeigenen Gütern gedeckt werden. So wechselten zwischen Mai und Oktober 1813 zahlreiche Objekte den Besitzer wie beispielsweise das Gemeindeland von Kürenz, das Peter Marx von Zurlauben für 10 000 Francs kaufte und die große städtische Brauerei zu Trier ging für 30 100 Francs an Ludwig Mohr. Die Gemeinde Klüsserath erzielte gut 58 000 Francs beim Verkauf ihrer Großwiese und Salmwiese an Nicolaus Valdenaire, und für 13 359 Francs konnte Johann Herrmann ein Gut der Gemeinde Euren erwerben.

Doch nicht nur der Verkauf der Güter und die damit verminderten Nutzungs- und Einkunftsmöglichkeiten trafen die Gemeinden schwer, auch die Gemeindewaldungen, besonders in der Eifel und im Hunsrück, hatten unter der französischen Forstverwaltung stark gelitten, und viele ehemalige Eichenwälder bestanden am Ende nur noch aus Niederwald.

Als die preußische Regierung am 22. April 1816 ihren Dienst in Trier aufnahm, kamen zu diesen Belastungen durch die ehemals französische Herrschaft die des plötzlichen Klimawandels hinzu. Im März 1816 hatte es begonnen, spürbar kälter zu werden und das ganze Frühjahr hindurch regnete es. Im Frühsommer sank die Schneefallgrenze auf 800 Meter und Unwetter mit Graupel und Hagel ließen viele Flüsse über die Ufer treten. Der im August einsetzende Frost vernichtete fast die gesamte Ernte. Als Folge setzte eine außergewöhnliche Teuerung für alle Bodenerzeugnisse ein. Der Preis für Weizen und Gerste stieg um mehr als das Doppelte, und für Roggen und Erbsen musste dreimal soviel bezahlt werden. Ein Scheffel Hafer wurde sechsmal so teuer. Die Schafe, die sich sonst auf den kargen Böden der Eifel von wildem Thymian ernährten, fanden kein ausreichendes Futter mehr, und ihre Zahl ging innerhalb eines Jahres um 12 000 Tiere zurück. Beim Schweinebestand war ein Verlust von über 5000 Tieren zu verzeichnen.

Im darauffolgenden Jahr 1817 verteuerte sich das Getreide nochmals, und für den Scheffel Erbsen musste jetzt über vier Thaler mehr bezahlt werden. Der Preis für Kartoffeln, der seit 1816 erstmals notiert wurde, erfuhr eine Steigerung von über 500 Prozent. Die Weinernte fiel vollständig aus. Die preußische Regierung reagierte auf diese Notlage der Bevölkerung, indem sie zwei Millionen Thaler für die Beschaffung von Roggen und anderen Lebensmitteln zur Verfügung stellte. Erst 1819 normalisierten sich die klimatischen Verhältnisse in der Region und entsprachen wieder dem Jahresmittel, die der Apotheker Löhr aus Trier in seinen späteren Wetteraufzeichnungen so beschrieb: „103 heitere Tage, 89 gemischte Tage, 173 trübe Tage, davon 132 mal Regen.“

TV-Archiv 08.07.2006

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