Explosive Stoffe Das Pulverfass am Rande von Bitburg

Bitburg · Fast 20 Jahre lang hat ein Waffenhändler aus Kordel im Mötscher Wald explosive Stoffe gelagert. Weil ein Gericht ihn für einen Reichsbürger hält, ist damit nun Schluss. Hinweise auf seine Gesinnung gab es schon viel früher.

 Was der Reichsbürger aus Kordel so alles hinter dem Zaun gelagert hat, war lange nicht klar. Jetzt wurde dort Sprengstoff beschlagnahmt.

Was der Reichsbürger aus Kordel so alles hinter dem Zaun gelagert hat, war lange nicht klar. Jetzt wurde dort Sprengstoff beschlagnahmt.

Foto: TV/Christian Altmayer

Ein Hubschrauber kreist am 5. Juli 2006 über dem Mötscher Wald. Er landet nahe dem ehemaligen US-Munitionsdepot. Rettungskräfte tragen zwei schwer verletzte Männer in den Helikopter. Die Sanitäter wissen noch nicht, dass jede Hilfe zu spät kommt. Ein Behälter mit Magnesium ist in der Nähe der Arbeiter verpufft und hat sie in Flammen gehüllt. Die Verbrennungen sind so stark, dass sie am selben Tag sterben.

Der Unfall und die Folgen: Wie konnte das passieren? Diese Frage beschäftigt den Stadtrat von Bitburg nach dem Unglück noch Monate. Schnell wird klar, dass die Unfallopfer beim Umzug einer Luxemburger Firma auf das ehemalige Militärgelände geholfen hatten. Das Unternehmen will 2006 am Rande des Flugplatzes eine Produktionsstätte für Flugzeug-Schutzsysteme eröffnen. Doch dazu kommt es nicht. Denn der Druck aus der Öffentlichkeit wird zu groß. Vor allem SPD und Grüne setzen sich dafür ein, dass die Firma keinen Fuß mehr in den Mötscher Wald setzt. Eine Genehmigung der Anlage bei der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm hat der Betrieb nie beantragt.

 Die Grafik zeigt das Gelände aus der Vogelperspektive.

Die Grafik zeigt das Gelände aus der Vogelperspektive.

Foto: TV/Schramm, Johannes

Doch damit scheint den Kommunalpolitikern die Gefahr nicht gebannt. Die Befürchtung, hinter dem Zaun könnten weitere explosive Stoffe schlummern, kommt nicht von ungefähr. Denn der Besitzer der Bunkeranlagen, ein Waffenhändler aus Kordel (Kreis Trier-Saarburg), hat seit dem Jahr 2000 die Genehmigung, „pyrotechnische Gegenstände“ dort unterzubringen. In zwei Gebäuden erlaubt die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord ihm auch „Schwarzpulver“ zu lagern.

Mit der Begründung, „endgültig eine Gefahr für die Bevölkerung auszuschließen“, bringt die SPD-Fraktion im März 2007 daher einen Antrag in den Stadtrat ein. Die Forderung: Der Flächennutzungsplan für das Munitionsdepot soll geändert werden, um dort einen Gewerbebetrieb auszuschließen. Der Rat folgt dem Vorschlag. Allerdings hat der Kordeler Waffenhändler Bestandsschutz. Das Gebiet zu renaturieren „wird erst möglich sein, wenn die Firma, ihre Nutzung aufgibt und bereit wäre, das Gelände zu veräußern“, heißt es in der Vorlage. Bis heute war sie das nicht.

Der Reichsbürger:  Mit der Lagerung von Sprengstoff im Mötscher Wald ist nun aber trotzdem Schluss. Am Ende eines jahrelangen Rechtsstreits, den die Kreisverwaltung Trier-Saarburg mit dem Mann führte, steht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz. Der Inhalt: Der Waffenhändler aus Kordel ist ein sogenannter Reichsbürger (der TV berichtete). Solche Personen erkennen die Bundesrepublik und ihre Rechtsordnung nicht an. Nach Ansicht der Landesregierung sollen sie deshalb keine Waffen und keinen Sprengstoff besitzen dürfen.

Weil der Kordeler sich weigerte, diese freiwillig abzugeben, wurden vergangene Woche seine Räume von Mitarbeitern der Kreisverwaltung Trier-Saarburg, der SGD Nord und der Polizei durchsucht. Beschlagnahmt wurden dabei Hunderte Waffen und Sprengstoff. Auch in den Bunkern am Rande des Bitburger Flugplatzes haben Beamte Pyrotechnik sichergestellt, schreibt eine Pressesprecherin der SGD Nord auf TV-Anfrage.

Doch hätte man dem Mann nicht zwölf Jahre früher die Waffen abnehmen müssen? Hinweise darauf, dass der Kordeler sich von der Staatsmacht verfolgt fühlt, gab es jedenfalls schon früher.

Im März 2007 schreibt der Waffenhändler einen Brief an den Stadtrat. In diesem Schreiben, das dem TV vorliegt, will er sich gegen „Torturen und Nazimethoden“ wehren. Was er damit meint? Den damals anstehenden Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans für das Munitionsdepot.

Obwohl diese Entscheidung ihn letztlich gar ncht betroffen hat, sieht er darin trotzdem „eine ungesetzlich belastende Fälschungsattacke zur politischen Verfolgung meiner Person“. Auf 25 Seiten fordert er nicht nur, die Änderung des Flächennutzungsplans zu stoppen, sondern behauptet auch, dass zwei SPD-Kommunalpolitiker in Wirklichkeit Russische Agenten seien.

Stadtratsmitglied Stephan Garçon beunruhigt dieser Brief 2007 so sehr, dass er sich für die Sitzung Polizeischutz wünscht. In einer E-Mail, die der Politiker seinerzeit an die Staatsanwaltschaft Trier schickt, stellt er die Frage: „Können Sie ausschließen, dass ein Mensch, der so voll von Hass ist und nur noch wirre Gedanken hat, nicht zur Waffe greift, wenn er sich von den „Verschwörern“ umzingelt sieht?“ Und weiter: „Ist jemand, der solche Hasstiraden von sich gibt, in der Lage, verantwortungsvoll mit Waffen umzugehen?“

Das Verfahren: Die Antwort der Behörden lautet heute: nein. Und man hätte ihm wohl auch gerne schon früher die Waffen abgenommen. Der Kordeler sei schon lange aktenkundig, auch bei Kontrollen habe es Beanstandungen gegeben, sagt ein Sprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg.

Doch jemandem seine Waffen abzunehmen ist schwieriger, als man meinen könnte – vor allem, wenn der Betroffene sich wehrt. Zweimal scheiterte die Kreisverwaltung am Versuch, ihm die Erlaubnis zu entziehen – einmal 2003 und einmal 2011. Die SGD Nord hat laut einer Sprecherin seit über 10 Jahren  unterschiedliche Verfahren zum Entzug der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis angestrengt –  war jedoch ebenfalls auf dem Rechtsweg unterlegen. Letztlich hatten beide Behörden erst eine Handhabe, als das Gericht bestätigte, dass der Mann ein Reichsbürger ist.

So geht es weiter: Das Gelände im Mötscher Wald gehört dem Reichsbürger aber nach wie vor. Das heißt: Er kann damit erst einmal machen, was er will. Alles, außer dort Waffen und Sprengstoff zu lagern, versteht sich. Denn das ist ihm nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts verboten. Auch der Stadtrat Bitburg wird sich im nicht-öffentlichen Teil der nächsten Sitzung womöglich mit dem Thema beschäftigen.

Denn nachdem die Durchsuchung des Geländes bekannt wurde, hat die SPD-Fraktion einen Antrag gestellt. Darin fragen die Sozialdemokraten die Stadtverwaltung unter anderem, wie oft das Depot kontrolliert wurde und ob es für das Gelände einen Alarm- und Einsatzplan für den Brandfall gibt.

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