Tierhaltung und Traditionen Das grunzende Glück

RITTERSDORF · Neben Marienkäfern, Schornsteinfegern, Hufeisen und vierblättrigen Kleeblättern müssen gerade zum Jahreswechsel auch Schweine als Glückssymbol herhalten. Schweine selbst werden in der Regel vom Glück weniger verfolgt. Doch es gibt auch Ausnahmen.

 Landwirt Andreas Billen hält seine Schweine auf Stroh, lässt ihnen mehr Platz und geht deshalb auch davon aus, dass sie glücklich sind. Das gilt auch für diese hochtragenden Sauen, die zudem bis zum Abferkeln auch noch draußen an der frischen Luft sind.

Landwirt Andreas Billen hält seine Schweine auf Stroh, lässt ihnen mehr Platz und geht deshalb auch davon aus, dass sie glücklich sind. Das gilt auch für diese hochtragenden Sauen, die zudem bis zum Abferkeln auch noch draußen an der frischen Luft sind.

Foto: Uwe Hentschel

Man kann es nicht schönreden: In wahrscheinlich mehr als 99 Prozent der Fälle endet das Leben eines Schweins frühzeitig. Und bei den allermeisten dieser durchaus intelligenten und sehr sozialen Tiere ist das Leben nicht nur kurz, sondern alles andere als schön.

Wie kommt also die Assoziation von Schwein und Glück? Vierblättrige Kleeblätter haben immerhin das Glück, dass sie meistens erst gar nicht entdeckt werden, Marienkäfer werden weder gemästet noch gegrillt und einem Hufeisen ist es völlig egal, was man mit ihm anstellt. Warum also gerade das Schwein?

Die Antwort darauf ist vielleicht im Mittelalter zu finden und ist womöglich auch der Grund für die Redewendung „Schwein gehabt“.

Im Mittelalter soll es nämlich Sitte gewesen sein, bei volkstümlichen Wettbewerben dem Verlierer oder Schlechtesten als Trostpreis ein Schwein zu überreichen. Weil ein Schwein aber gleichzeitig auch Nahrung und damit auch gewissermaßen Wohlstand bedeutete, wurde das Trostschwein zum Glücksschwein. In Sachen Logik ist diese Erklärung allerdings recht holprig: Man verschenkt etwas als Trostpreis, das eigentlich recht wertvoll ist? Nun, vielleicht geht die Einstufung dieses Paarhufers als Glückssymbol auch auf einen Brauch aus alten Tagen zurück, den man als Ferkelfangen bezeichnen könnte. Dabei wurde das Tier in einem Kreis von Teilnehmern losgelassen. Wer das Schwein einfing, bekam einen Preis.

Letzteres taugt durchaus als Erklärung, setzt aber voraus, dass das Schwein überhaupt die Möglichkeit hat, davonzulaufen – was in den meisten Fällen heute nur noch schwer möglich ist. Zum einen, weil es den Tieren oft an Platz fehlt, um sich frei zu bewegen. um anderen, weil heute viele Tiere ihr Dasein auf Vollspaltenböden fristen, wo die Gefahr von Verletzungen und Gelenkerkrankungen deutlich höher ist als beispielsweise auf einer Wiese.

Insofern haben die Schweine der Familie Billen aus Rittersdorf wirklich Glück. Denn zum einen werden sie auf Stroh gehalten, zum anderen haben sie auch deutlich mehr Platz als die meisten ihrer Artgenossen in anderen Betrieben. Das allerdings war nicht immer so.

Bis vor sieben Jahren unterscheid sich der Hof von Alfred Billen und Sohn Andreas nicht wesentlich von anderen Höfen im Umfeld. „2013/2014 kam dann die Überlegung, wie es weitergehen soll: Bauen wir einen großen Stall, um Platz für noch mehr Tiere zu schaffen, oder setzen wir lieber auf die alternative Schiene?“, erinnert sich Andreas Billen. Und dann seien er und seine Eltern sich relativ schnell einig gewesen, dass die Abkehr von der konventionellen Schweinehaltung der bessere Weg sei.

Die Familie hat den Bestand an Tieren reduziert, die Haltungsbedingungen deutlich verbessert, der Aufwand pro Tier erhöht und inzwischen fünf Metzgereien aus der Region als verlässliche Partner an der Hand.

Die Metzgereien garantieren der Familie Billen einen Mindestpreis, der deutlich über dem liegt, was derzeit die Kollegen aus der konventionellen Schweinemast erhalten. Die original „Billenhof Strohschweine“, mit denen die Metzgereien im Gegenzug auch werben, werden ausschließlich auf Stroh gehalten – vom Aufzuchtferkel bis zum ausgewachsenen Mastschwein. Das Futter stammt fast ausschließlich aus eigener Produktion, auf Antibiotika wird in der Mast komplett verzichtet.

„Wenn wir diesen Schritt damals nicht gegangen wären, gäbe es hier heute keine Schweine mehr“, ist der Junior des Betriebs überzeugt.  So kenne er viele gute und saubere Betriebe, die in den letzten Jahren und Monaten aufgehört hätten, weil die Preise für Schweinefleisch im Keller seien. Das tue ihm schon sehr leid. Auch wenn einige seiner Kollegen ihn anfangs doch etwas belächelt hätten. Vor allem, als dann das erste Video über den Billenhof auf Facebook erschienen sei. „Du und deine glücklichen Schweine“, sagt er, „das habe ich damals öfters zu hören bekommen.“

Doch sind die Schweine auf dem Billenhof wirklich glücklich? Nun, was in den Schweinen vorgehe, könne natürlich auch er nicht sagen, räumt der Landwirt ein. „Aber wenn man im Stall steht, dann sieht man definitiv, dass es ihnen gut geht“, sagt er. „Die Tiere haben einen klaren Blick, sind neugierig, und es gibt auch keinen Schwanzbiss und auch kein aggressives Verhalten.“ Von daher gehe er davon aus, dass die Schweine glücklich seien.

Für die Familie Billen jedenfalls ist jedes der Tiere ein Glücksschwein. Weil für jedes Tier ein fairer Preis bezahlt wird. „Wir sind froh, dass wir uns  dazu entschieden haben“, sagt Billen. In der Tat: Schwein gehabt.

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