Das Sterben beginnt im Ortskern

Jünkerath · Die Zahlen sind erschreckend, die Lage wird zusehends dramatisch: Zur Eröffnung der Ausstellung unter dem Titel "Tatort_Leere" in Jünkerath kamen am Freitag rund 60 interessierte Bürger und Kommunalpolitiker.

 Ein Beispiel für einen Leerstand in der Eifel: ein ehemaliges Ladengeschäft in Reuth. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Ein Beispiel für einen Leerstand in der Eifel: ein ehemaliges Ladengeschäft in Reuth. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Jünkerath. Der Schauplatz der Informationsveranstaltung und Wanderausstellung "Tatort_Leere" zum Thema Immobilienleerstand in Rheinland-Pfalz passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge: Der stillgelegte Bahnhof Jünkerath bereitet der Gemeinde seit langem Sorgen, doch immerhin flackert hier ein Licht am Ende des Tunnels: "Wir sind zuversichtlich, dass wir die Sanierung des Empfangsgebäudes 2014 abgeschlossen haben", sagt Bürgermeister Rainer Helfen. Die Ortsgemeinde verspricht sich durch die Maßnahme auch eine Wiederbelebung der anliegenden Bahnhofstraße. Gebäudeleerstände in der Region, zumeist in Ortskernen, werden zunehmend zu einem öffentlichen Problem: "Viele betrachten nicht genutzte Häuser und leerstehende Geschäfte als Privatsache des Eigentümers", sagt Robert Freisberg vom Vorstand der Entwicklungsagentur (EA) Rheinland-Pfalz. "Doch die allgemeine Infrastruktur leidet unter den Leerständen." Immer mehr Wohnhäuser in dörflichen Ortskernen ständen leer - woraus ein Domino-Effekt resultierte: "Da will keine junge Familie mehr ein neues Leben anfangen. Die Kosten für Strom- und Wasserversorgung und Erhaltung des Ortsinneren verteilen sich auf wenige Schultern."
Professor Karl Ziegler von der Technischen Universität Kaiserslautern, der die Wanderausstellung zum Immobilien-Leerstand begleitet, bringt zur Info-Veranstaltung in Jünkerath aktuelle und alarmierende Zahlen mit: "Die zwölf Jahre alte Prognose des statistischen Bundesamtes zu den Bevölkerungszahlen in der Verbandsgemeinde Vulkaneifel im Jahre 2030 ist bereits heute eingeholt, wie unsere Hochrechnung vom Juli 2012 besagt", erzählt Ziegler. "Das heißt, der Rückgang der Bevölkerung verläuft viel schneller als vorhergesagt."
Die Folge davon: "Es gibt ein Überangebot an Wohnfläche. In der Verbandsgemeinde Obere Kyll beträgt es aktuell 31 440 Quadratmeter." Umgerechnet ergäbe das einen Leerstand von rund 240 Einfamilienhäusern, oder etwa 310 Wohnungen. "Doch davon werden in der Verbandsgemeinde weniger als 10 Prozent zum Kauf angeboten", sagt Ziegler.
Die Überalterung der Bevölkerung, fehlende Mobilität - verbunden mit dem weiter schwindenden Angebot an öffentlichem Personen-Nahverkehr in der Region und der Landflucht der Jungen - verschärften das Problem. Dringende Maßnahmen seien die Erfassung von Leerständen und deren Bewertung. "Steckbriefe der Gebäude und die Entscheidung zur Sanierung oder für einem Abriss, um im Ortskern neu zu bauen, sind zwingend nötig", sagt Karl Ziegler. Seine Forderung an die vielen Ortsbürgermeister, die zur Veranstaltung erschienen sind: "Weisen Sie keine Neubaugebiete aus beleben sie Ihren Ortskern!"

Extra

Die Statistik der Entwicklungsagentur vom Juli 2012 besagt, dass im Kreis Vulkaneifel rund 65 000 Eigenheime leer stehen - das sind 6,7 Prozent der Häuser. Im Jahr 2002 waren es 5,5 Prozent. Trotz eines Rückgangs der Familienhaushalte hat die Anzahl der Wohnungen und Wohngebäude in dieser Zeit um 8,4 Prozent zugenommen. Die Zahl der Einwohner des Vulkaneifelkreises ist seit 2000 rapide gesunken: von 64 367 Einwohnern auf 61 267 im Jahr 2012. now

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