Interview „Den Aktiven gebührt viel Dank“

Bitburg · Das Deutsche Rote Kreuz im Eifelkreis Bitburg-Prüm gibt es seit 150 Jahren. Warum die Flüchtlingskrise  für den Kreisgeschäftsführer Rainer Hoffmann eine besondere Herausforderung war, verrät er im Interview.

 DRK-Geschäftsführer im Eifelkreis, Rainer Hoffmann.

DRK-Geschäftsführer im Eifelkreis, Rainer Hoffmann.

Foto: TV/Nora John

Das Deutsche Rote Kreuz ist vor 150 Jahren im Eifelkreis Bitburg Prüm gegründet worden. Im Laufe der Jahre hat sich der Verband vom „Vaterländischen Frauenverein Prüm, des Roten Kreuzes“ zu einer Hilfsorganisation, die in vielen Bereichen tätig ist, gewandelt. Rainer Hoffmann ist seit fünfeinhalb Jahre der Kreisgeschäftsführer. Mit TV-Redakteurin Nora John hat er über große Herausforderungen, den Wert der ehrenamtlich Tätigen und über den Ausblick in die nächsten Jahre gesprochen.

Welches waren für Sie die Meilensteine in den 150 Jahren DRK-Geschichte im Eifelkreis?

Rainer Hoffmann: In der jüngsten Vergangenheit war für mich sicherlich einer der Meilensteine die Flüchtlingsarbeit im Jahr 2015. Da haben wir praktisch von Null auf Hundert eine riesige Flüchtlingsbetreuung auf die Beine gestellt mit drei Landeserstaufnahmeeinrichtungen und 1500 zu betreuenden Flüchtlingen. Aber ansonsten hat sich der Kreisverband insgesamt durch seine acht Rettungswachen, durch seine zwei Sozialstationen, aber auch insgesamt die Entwicklung von einem kleinen Verband zu einem heute großen Wohlfahrtsverband gut weiterentwickelt. Da könnte man sicher viele Meilensteine nennen.

Was war für Sie persönlich das bewegendste Ereignis? War das die Flüchtlingsarbeit?

Hoffmann: Ich bin jetzt seit 2014 Geschäftsführer und das war so ein Ereignis, bei man gemerkt hat: Dafür steht das Rote Kreuz, dass wir im Bedarfsfalle, in einer Notlage – und das war ja eine Notlage – mit allen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern da sind und so eine Sache gestemmt kriegen. Wir haben Zelte aufgebaut, die Einrichtungen mit Feldbetten ausgestattet. Das war eine riesige logistische Leistung, die da entstanden ist. Das Schöne ist, dass wir das danach auch betreuen konnten. Das war für mich persönlich so eine Herausforderung.

Wo haben Sie in den vergangenen Jahren außerdem etwas bewegen können?

Hoffmann: Über einen Zeitraum von fünf Jahren rückblickend kann ich auch sagen, dass wir mit den Sanierungen der Rettungswachen Prüm und Arzfeld etwas erreicht haben. Mit der neuen Rettungswache in Speicher sind wir jetzt auch auf diesem Gebiet auf dem neuesten Stand.

Welches sind die größten Veränderungen im Verlauf der Geschichte des Roten Kreuzes?

Hoffmann: Wir haben als Wohlfahrtsverband den Bereich Sanitäts- und Rettungsdienst immer mehr professionalisiert und perfektioniert. Heute stehen wir ausgezeichnet da mit acht Rettungswachen, mit top ausgebildeten Leuten, das hat sich gut weiterentwickelt. Auch der Bereich der Pflege hat sich weiter professionalisiert. Das geht von Hilfe der pflegenden Angehörigen bis hin zu professionellen Pflegediensten, Sozialstation, Tagespflege und auch den Ortsvereinen. Wir haben 14 Ortsvereine hier im Kreisgebiet. Das Rote Kreuz hat sich im Eifelkreis von einem kleinen Verein bis zu einem großen Wohlfahrtsverband entwickelt. 800 Ehrenamtliche, 450 hauptamtliche Mitarbeiter, 250 Jugendliche, das sind auch für mich immer noch beeindruckende Zahlen. Auch, wenn man in Richtung Ehrenamt schaut. Das ist keine Selbstverständlichkeit: Kleiderkammer, Blutspendetermine, Sanitätsdienste, Seniorennachmittage zu organisieren. Da gebührt den Aktiven auch viel Dank.

Haben Sie auch Ehrenamtliche, die normalerweise wenig machen, aber dann da sind, wenn sie gebraucht werden?

Hoffmann: Ja die haben wir immer. Wir haben die 800 Aktiven, die dauerhaft dabei sind, aber wir haben auch projektbezogene Ehrenamtliche, die in der Kleiderkammer helfen oder bei der Flüchtlingsarbeit sich engagieren. Die waren vorher nicht da. Da hatten wir 300 Ehrenamtliche praktisch aus dem Nichts motivieren können, uns bei dieser Aufgabe zu helfen. Ich glaube, wenn es morgen eine andere Katastrophe wäre, dann würde man mit einem Aufruf auch viele Ehrenamtliche gewinnen. Um die wir uns natürlich auch kümmern müssen, die angeleitet und betreut werden müssen. Einfach zu sagen, „kommt mal und macht mal“, das wird nicht funktionieren.

Wie arbeiten Sie zusammen mit anderen Organisationen?

Hoffmann: Wir arbeiten hier im Kreis partnerschaftlich mit allen Hilfsorganisationen der Blaulicht-Familie zusammen, ob das jetzt die Feuerwehren, Polizei oder das Technische Hilfswerk sind. Zum Beispiel bei der Unwetterlage, da wurden wir gebraucht für die Betreuung, die Feuerwehr hat die Keller leergepumpt, wir haben gearbeitet, wo wir gebraucht wurden. Das war einer der letzten Einsätze, der gezeigt hat, dass hier im Eifelkreis die Zusammenarbeit funktioniert. Das ist ein gutes Miteinander, weil man sich in der Eifel halt kennt und auch kurze Dienstwege nutzen kann.

Fühlen Sie sich ausreichend gewürdigt und unterstützt von der Politik?

Hoffmann: Insgesamt als Rotes Kreuz mit seinen Aufgaben ja. Bei den Rettungswachen ist die Politik mit 75 Prozent finanziell beteiligt, das war hier im Eifelkreis nie ein Problem. Zum einen hat man die Notwendigkeit anerkannt, und zum zweiten hat man die Finanzierung sichergestellt. Jetzt wollen wir die Rettungswache Bitburg erweitern, weil die nicht mehr ausreicht. Da sind wir jetzt in Gesprächen, da hoffe ich, dass wir weiterkommen. Im Bereich des Bevölkerungsschutzes kriegen wir die Ausrüstung, die wir brauchen. Klar, wenn es um finanzielle Unterstützung geht, muss man die richtigen Argumente liefern. Ich könnte aber jetzt keinen Punkt sagen, wo es nicht klappt. Ich würde es auch sagen, wenn es anders wäre. Wir haben im Landrat einen guten Fürsprecher.

Gab es auch Misserfolge, also Dinge, bei denen man gemerkt hat, dass es so nicht funktioniert?

Hoffmann: Ich kann ja letztendlich nur für die vergangenen fünfeinhalb Jahre sprechen, da hatten wir solche Misserfolge noch nicht gehabt. Die Aufgaben, die wir angegangen sind, fangen wir ja ganz pragmatisch an. Man schaut, ob es einen Bedarf gibt und analysiert das: Ist der Bedarf so da, dass daraus eine Aufgabe oder Einrichtung entstehen kann? Und wenn das dann mit „Ja“ beantwortet wird, geht man weiter. Wir würden jetzt nicht einfach was machen und hoffen, dass die Leute zu uns kommen. Entweder stellen wir selbst Bedarfe fest und prüfen, ob es andere Player in dem Bereich gibt. Oder es werden Dinge an uns herangetragen, wie bei der Flüchtlingsarbeit, und dann laufen die Sachen auch. Ich könnte mir auch in manchen Bereichen vielleicht bessere Entgelte vorstellen, aber es ist nicht so, dass wir mal was groß gestartet haben und dann wieder aufgehört haben. Also nicht nur eine Luftnummer „so jetzt machen wir mal“. Das können wir uns auch gar nicht leisten.

Wie sieht es bei der Mitgliederwerbung aus? Wird es schwieriger?

Hoffmann: Es wird zunehmend schwieriger. Wir sind ja auf drei Säulen aufgebaut. Einmal unser hauptamtlicher Bereich mit seinen Aufgaben, unser relativ großer ehrenamtlicher Bereich, und der dritte Bereich mit den fördernden Mitgliedern. Es sind etwa 13 000 fördernde Mitglieder. Bei einer Einwohnerzahl von zirka 96 000 sind wir schon sehr gut, aber, es wird immer schwieriger. Wir haben sehr viele ältere Mitglieder, die irgendwo rauswachsen. Wir versuchen alle drei Jahre eine Haustürwerbung zu machen, bei der wir jemanden beauftragen mit unserem Portfolio Mitglieder zu werben. Die Mitglieder müssen auch gehegt und gepflegt werden. Das Fördermitglied muss durch gute Öffentlichkeitsarbeit auch erfahren, was wir als Rotes Kreuz mit seinem Geld machen.

Wie sieht es mit der oft beschriebenen zunehmenden Aggressivität den Rettungskräften gegenüber aus? Erleben Sie das hier im Kreis auch?

Hoffmann: Das ist ja bundesweites Thema und es wird auch lokal runtergebrochen. Wir haben das auch einmal beim Rettungsdienst eruiert, auch im Bereich des Ehrenamts bei Sanitätsdiensten. Aber das ist bei uns noch relativ ruhig. Klar es gibt immer mal einen Besoffenen, einen, der über das Ziel hinausschießt. Einzelfälle gibt es immer mal mit psychisch Kranken. Aber nicht so, dass man feststellt, dass es dramatisch zunimmt. Das mag aber auch damit zusammenhängen, dass Dinge, die in Ballungszentren passieren, erst nach und nach, aber zeitverzögert zu uns herüberschwappen. Wir schulen unsere Leute allerdings auch mit Antiaggressionstraining.

Was ist als nächstes geplant, wo geht die Reise hin?

Hoffmann: Für mich ist es erst einmal wichtig, dass wir die Aufgaben, die wir haben, ordentlich machen. Es nützt nichts, zehn neue Projekte anzustoßen. Wir haben drei Projekte, die wir angehen wollen. Einmal die Tagespflege Neuerburg, die im Herbst an den Start geht. Dann die Erweiterung der Rettungswache Bitburg, die notwendig ist. Und als drittes wollen wir eine Kinder und Jugendhilfeeinrichtung hier in Bitburg etablieren, für psychisch kranke Mütter. In der Regel sind es Mütter mit ihren Säuglingen und Kleinstkindern. Da brauchen wir eine stationäre Einrichtung mit Hilfe unseres Landesverbands. Das ist ein Projekt, das in den nächsten drei bis vier Jahren umgesetzt werden soll.

Ein Ziel ist die Sicherung, Konsolidierung und Professionalisierung der bestehenden Sachen, damit wir die auch gut machen. Im Bereich des Ehrenamtes sind es die „Kümmererstrukturen“, um das Ehrenamt interessant zu machen.

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