Den weißen Riesen bezwingen

PLÜTSCHEID. Vielen sind sie ein großer Dorn im Auge, andere finden die Energielieferanten faszinierend, für eine TV-Reporterin sind sie eine echte Herausforderung: die Windräder in Plütscheid.

Da ist sie nun, die große Herausforderung, ein weißer Riese mit einem grüßen Fuß. Der Blick schweift von dem Grün nach oben ins Weiß. Das Oben ist hoch, wirklich hoch. Den Kopf im Nacken schauen fünf Expeditionsteilnehmer sich an, wo sie gleich hin wollen: auf ein 70 Meter in die Höhe ragendes getriebeloses Windrad. Um den 91 Tonnen schweren Stahlturm sicher zu halten, wurde sein Fundament mit 150 Kubikmetern Beton verstärkt. Die 35 Meter langen Rotoren durchschneiden die Luft scheinbar leicht. Kaum vorstellbar, dass sie mit dem Drehkranz 94 Tonnen wiegen.Zum Herzen des Riesen klettern

Dorthin wollen fünf Expeditionsteilnehmer, wo das Herz des Windrads sitzt, wo die Energie des Eifelwinds aufgefangen und in Strom umgewandelt wird. Die Köpfe - teilweise mit blassen Gesichtern - nicken zurück. Geraden Blicks gehen die Wagemutigen auf die Pforte zu, die den Weg in den Himmel freigibt. Es heißt nochmal tief durchatmen, als Alfred Hauer die Leistung des Riesen auf einem Rechner zeigt. Die Windgeschwindigkeit beträgt zwei Meter pro Sekunde. Es weht kaum ein Lüftchen. Was für die Besitzer des Rads schlecht ist, ist für dessen Bezwinger von Vorteil. Wenn es windig ist, kann der Turm oben "bis zu 30 Zentimeter Spiel haben", berichtet Alfred Hauer, der die Expedition anführt, lächelnd. "Da kann man schon seekrank werden." Also schnell hoch, damit der Wind nicht doch noch aufbraust. Doch vor die Reise in den Himmel ist eine höllische Anstrengung gesetzt. Eine schmale Metalleiter, die mit rund 240 Stufen gerade hinaufführt, gilt es zu bezwingen. Sicherheitshalber müssen die Abenteurer Sitz- und Komplettgurte wie Freeclimber anziehen und sich in einer Schiene an der Leiter einhaken. So kann nichts passieren. Vorneweg legt Hauer ein ordentliches Tempo vor. Er öffnet die Luken der Elemente des Windrads. Beim Versuch, ihm hinterher zu kommen, verliert man schnell die Puste. "Nicht nach unten gucken", lautet sein Tipp an die nicht schwindelfreie TV-Reporterin. Ein wahrlich guter Rat. Besser richtet man die Konzentration auf die Sprossen, die scheinbar nie enden wollen. Langsam wird es hell an der Spitze der Leiter, Hauer hat die oberen Luken bereits geöffnet. Die Hoffnung, bald anzukommen, lenkt davon ab, dass die Hände durch die eisigen Metallsprossen schmerzen. Der Weg zum Ziel scheint endlos, Sprosse für Sprosse geht's langsam voran, nach 15 Minuten ist die rettende Plattform in Sicht. Bodenklappe zu, aus der Schiene aushaken. Arme ausschütteln und nach Luft schnappen - oder anders herum. Eine weitere Leiter führt hinauf zu einem kleinen abgerundeten Raum, in dem das Herz des weißen Riesen schlägt. Der riesige Ringgenerator, angetrieben durch die Rotoren, dreht sich gemächlich. Hinter einer großen Metalltür steckt die Anlagensteuerung. Erstaunlich, wie groß alles hier oben ist. Von unten sieht es so viel kleiner aus. Beruhigend aber auch, weil man sich sicher fühlt, und nicht wie auf einer freischwebenden Brücke. Keine Spur von Seekrankheit. Unten sehen die Autos wie Spielzeug aus. Der Blick durch die obere Luke ist fantastisch. Dem Himmel ganz nah hat man eine tolle Aussicht, auch wenn es ein bisschen diesig ist. Bei schönem Wetter, sagt Hauer, könne man 100 Kilometer weit sehen. Die umliegenden Dörfer und die raue Landschaft der Eifel liegen dem Betrachter ringsum zu Füßen. Hinzu kommt das schöne Gefühl, den Riesen bezwungen zu haben. Einen Moment inne halten und tief durchatmen. Dann geht es wieder abwärts. "Das ist wie nach einem Ballonflug, danach duzen sich alle", sagt Alfred. Eine solche Expedition schweißt zusammen. Also noch einmal einhaken, Sprosse für Sprosse herab. Dieser Weg fällt leichter, auch wenn die Beine wackelig werden. Er ist weniger anstrengend und weniger zeitraubend. Nach acht Minuten auf dem Boden der Tatsachen angekommen, hakt man sich aus und verlässt den Riesen. Zum Abschied legen alle noch einmal den Kopf in den Nacken. Schön war's da oben, dem Himmel so nah. Informationen zur Windradführung bei Alfred Hauer in Niederweiler, Telefon: 06569/7284.

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