Denglisch, Dichter und Denker

Prüm/Trier · Der Verein Deutsche Sprache hat auf seiner Regionalversammlung in Prüm über die Zukunft der Sprache gesprochen - und neue Vertreter gewählt. Der Ormonter Albert Igelmund steht nun in der Region 54 den Sprachpflegern vor.

 Kaum eingetreten und schon auf dem Chefposten: Albert Igelmund (rechts) ist erst seit wenigen Monaten Mitglied im Verein Deutsche Sprache, jetzt wurde er einstimmig zum Regionalleiter gewählt. Im erweiterten Vorstand stehen ihm Willi Blum (links), Herbert Blum und seine Vorgängerin Marion Römpler zur Seite. Der Bundesvorsitzende Walter Krämer leitete als gebürtiger Ormonter persönlich die Wahl im Bezirk 54. TV-Foto: Frank Auffenberg

Kaum eingetreten und schon auf dem Chefposten: Albert Igelmund (rechts) ist erst seit wenigen Monaten Mitglied im Verein Deutsche Sprache, jetzt wurde er einstimmig zum Regionalleiter gewählt. Im erweiterten Vorstand stehen ihm Willi Blum (links), Herbert Blum und seine Vorgängerin Marion Römpler zur Seite. Der Bundesvorsitzende Walter Krämer leitete als gebürtiger Ormonter persönlich die Wahl im Bezirk 54. TV-Foto: Frank Auffenberg

Prüm/Trier. Ist die deutsche Sprache tatsächlich vom Aussterben bedroht? Verlernt die Jugend, die heute immer mehr Kurznachrichten schreibt, den Gebrauch von ganzen Sätzen? Wird Deutsch so lange durch englische Lehnwörter, den Anglizismen, verwässert, bis im Land der Dichter und Denker nur noch ein kruder Mischmasch aus Deutsch und Englisch - Denglisch - gesprochen wird? Oder ist alles nicht so schlimm - hat das Deutsche doch auch das 17. und 18. Jahrhundert überstanden, als es sich gegen Einflüsse aus dem plötzlich "en-vogue" gewordenen Französischen behaupten musste?
Dem Unfug auf der Spur


Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache (VDS, siehe Extra), ist alarmiert. "Die Situation ist zumindest eine andere. Damals erreichte das Französische vielleicht zwei bis drei Prozent der Bevölkerung und bereicherte mit einigen Wörtern das Deutsche, der Einfluss des Englischen aber sieht heute ganz anders aus", sagte er am Wochenende in einem Eröffnungsvortrag auf der Regionalversammlung des VDS im Prümer Konvikt (der TV berichtete).
Man müsse sich nur einmal in der Werbung umschauen. Überall in Europa bewerbe beispielsweise der Discounter Lidl seine Angebote in der jeweiligen Landessprache: "In Italien auf Italienisch, in Frankreich auf Französisch - nur in Deutschland heißt es plötzlich ,You got it\'. Das ist doch komisch, oder?"
Etwa 25 Vereinsmitglieder und Interessierte folgten der Einladung des VDS ins Konvikt und verfolgten in gleichem Maße amüsiert wie beunruhigt Krämers pointierten Ausführungen. Dabei betonte der Dortmunder Wirtschaftswissenschaftler stets, dass der Verein keine - wie ihm von Kritikern immer wieder vorgeworfen wird - Horde von Anglizismenjägern sei. "Wir haben wirklich nichts gegen englische Lehnwörter, wenn sie denn Sinn machen. Es gibt Begriffe, die sinnvoll sind, weil sie eine Lücke schließen, die Formulierung \'Kaffee to go\' ist aber einfach Quatsch. Der VDS jage niemanden, weise aber auf Unfug hin. "Was die Leute draus machen, müssen sie schließlich selber entscheiden."
Ebenfalls sei es sehr kurzsichtig, den VDS auf eine vermeintliche Jagd nach englischen Lehnwörtern zu reduzieren: "Natürlich ist, auch dank der Aufmerksamkeit der Medien, das Thema Denglisch bekannt, es gibt aber auch viele Projekte des VDS, die sich mit anderen Dingen beschäftigen."
So arbeite man beispielsweise daran, Deutsch als Bundessprache im Grundgesetz zu verankern, unterstütze Lesepaten und besuche regelmäßig Hauptversammlungen von Dax-Konzernen. "Vor Vertretern der Deutschen Bahn haben wir zum Beispiel ihre eigenen Prospekte vorgelesen, zur Freude der Gäste, die schallend lachten. Danach wurden sie verändert", sagt Krämer.
Neuer Regionalvorstand


Neben seinem Vortrag stand auch die Wahl eines neuen Regionalvertreters auf der Tagesordnung. Einstimmig wurde der erst vor einigen Monaten in den Verein eingetretene Ormonter Albert Igelmund gewählt. Willi Blum, Herbert Blum und die bisherige Regionalvertreterin Marion Römpler unterstützen ihn im erweiterten Vorstand. "Mich engagieren wollte ich schon länger, und jetzt hab ich einfach gesagt, ich mache es mal", sagt Igelmund.
Nicht nur Vereinsmitglieder nahmen an der Versammlung teil, auch einige Neugierige fanden ihren Weg ins Konvikt. Stephan Lorse, Lehrer in Bitburg, zeigte sich angesichts einer Mitarbeit noch unentschlossen. Interessant sei der VDS aber schon. Er sehe jedoch weniger die Verwässerung des Deutschen mit englischen Begriffen als entscheidendes Problem: "Das käme bei mir vielleicht an dritter Stelle. Erst vor kurzem besuchte ich mit Schülern Berlin und war teils entsetzt. Ich fürchte, dass die Gettoisierung in manchen Großstädten, wie dort in Neukölln, viel alarmierender ist."
Auch dass in Klassenarbeiten nicht selten solche Formulierungen auftauchten, sei beunruhigend. Krämer zu Lorses Ausführungen: "Es sind eben nicht nur die Anglizismen. Das wäre schon ein sehr begrüßenswerter Beitrag bei unserer Delegiertenversammlung gewesen."
Extra

Der Verein wurde 1997 als Verein zur Wahrung der deutschen Sprache gegründet und im April 2000 in Verein Deutsche Sprache (VDS) umbenannt. Er zählt etwa 36 000 Mitglieder in über 100 Ländern. Laut Satzung ist das Vereinsziel, "die deutsche Sprache als eigenständige Kultursprache zu erhalten und zu fördern." Bundesweit ist der VDS in Regionalgruppen aufgeteilt. Sie orientieren sich weitestgehend an der Verteilung der Postleitzahlen. Ihre Vorstände treffen sich jährlich zu einer Delegiertenversammlung. Neben verschiedenen Auszeichnungen, die von den Regionalgruppen verliehen werden - unter anderem seit 2004 in Köln der Lehrer-Welsch-Sprachpreis -, wird seit der Vereinsgründung der Negativpreis "Sprachpanscher des Jahres" an Menschen oder Einrichtungen vergeben, die sich durch bemerkenswerte Fehlleistungen im Umgang mit der deutschen Sprache hervorgetan haben. aff

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort