"Denk nicht, wir bleiben hier": Die Geschichte von Z-3529

Bitburg · Ein Tag der Erinnerung: Am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus hat die Schriftstellerin Anja Tuckermann aus ihrem Buch über die Geschichte des Sinto Hugo Höllenreiner "Denk nicht, wir bleiben hier" vorgelesen.

 Anja Tuckermann hat die Geschichte des Sinto Hugo Höllenreiner aufgeschrieben. TV-Foto: Barbara Cunietti

Anja Tuckermann hat die Geschichte des Sinto Hugo Höllenreiner aufgeschrieben. TV-Foto: Barbara Cunietti

Bitburg. Es ist still im Haus Beda. Nur eine sanfte weibliche Stimme ist zu hören. Sie redet von Grausamkeiten, von Deportation und Tod. Die Schriftstellerin Anja Tuckermann erzählt am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus die Geschichte des Sinto Hugo Höllenreiner, der in Auschwitz inhaftiert wurde. Er war neun Jahre alt. Erst als er 60 wurde, fing er an zu erzählen.

"Es klopfte an der Tür": Rosenmontag 1943. Für Hugo das Ende seiner behüteten Kindheit. SS-Männer standen vor der Tür. Die Männer reden von einer Fahrt nach Polen im Zug.
"Im Waggon tat alles weh": Mit einem Viehtransport wurden Hugo, seine Familie und viele andere Sinti nach Auschwitz gebracht. Tagelang ging es pausenlos in Richtung Osten. Die Zustände waren unmenschlich. "Es ist nicht einfach, darüber zu sprechen", sagt Tuckermann. Zwei Jahre lang hat Höllenreiner gebraucht, um seine Erinnerungen in Sätzen zu formulieren. Er wollte, dass junge Menschen, wie die, die im Haus Beda als Zuhörer sitzen, diese Ereignisse kennen. "Das war seine große Motivation", erzählt die Schriftstellerin. Zuerst habe er gedacht, er würde an einem Tag alles erzählen können, "aber er konnte die Worte nicht finden". Er stockte, fing immer wieder von vorn an.
"Raus raus raus": Das Geschrei der SS-Männer ertönt immer noch in den Ohren von Hugo Höllenreiner. Der Zug hielt an, die Nazis schrien. Die Türen öffneten sich, doch wer es zu eilig hatte und sich nach draußen vor dem Befehl der SS-Männer stürzte, wurde erschossen. "Es war auch für mich sehr schwierig, all das zu hören", sagt Tuckermann, "ich durfte nicht weinen, sonst hätte Hugo mich getröstet". Hugo kam in Auschwitz an. Aus ihm wurde Z-3529. Zwei Jahre lang lebte er dort, schlief auf einem Brett, aß nur Wassersuppe, wurde Opfer von Josef Mengele. Über Ravensbrück und Mauthausen landete er in Bergen-Belsen. Dort gab es nicht mal die Wassersuppe.
"You\'re free": "Hugo dachte, er sei im Himmel, als er das hörte", sagt Tuckermann. Ausgehungert und schwach hören die Häftlinge kein deutsches Geschrei mehr, sondern englische Sätze. Die britische Armee befreit das KZ. Die Familie Höllenreiner vereint sich Monate später in München. Doch die Geschichte von Hugo ist nicht zu Ende. Sie endet nie. bc

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